Geschichte Polens
Das etliche Jahrzehnte später so benannte Land Polen ist als Herzogtum im 10. Jahrhundert von Posen und Gnesen aus gegründet worden, als in Westeuropa das Reich von Karl dem Großen existierte. Es wurde in jener Zeit vom Piastenfürst Mieszko I regiert. Mieszko I. nahm das Land zwischen Oder und Warthe 963 von Kaiser Otto I zu Lehen (siehe Karte "Polen 992" [weiß auf der Karte]) [1]. Mieszko gab dann weiterhin Otto II und Otto III die Lehnseide. Das Gebiet, welches später als Polen zusammengefasst wurde, erreichte durch kurzfristig anhaltende Eroberungen unter Mieszko und seinem Sohn Boleslaw I. Chrobry Grenzen, die den heutigen Staatsgrenzen sehr nahe kamen. Herzog Boleslaw I. wollte nicht dem Kaiser Heinrich II den Lehnseid geben für das geliehene Land und etliche Jahre Krieg brachen aus, bis er den Eid abgab. Boleslaw machte sich selbst zum König, als Heinrich II. in 1024 starb, starb aber dann ebenfalls einige Monate danach.
966 wurde das Land noch unter Herzog Mieszko römisch-katholisch. Mit dem Heiligen Römischen Reich verband Polen damals weitreichende Kooperation. Die piastischen Könige waren durch ihre Herrschaft über Pommern auch gleichzeitig Vasallen des Heiligen Römischen Reiches.
König Kasimir I verlegte die Hauptstadt nach Krakau. Unter Kasimir erlangten die Adeligen immer mehr Mitspracherechte, die polnischen Teilfürstentümer verlangten immer mehr Selbständigkeit. Pommern und Schlesien verselbständigten sich im 12. Jh wieder und gingen schließlich für Polen verloren. Hinzu kamen Überfälle der baltischen Altpreußen oder auch Pruzzen. Diese waren dabei, ein Teil ihres Landes zurückzuerobern, welches vor ein paar Jahren von Konrad von Masowien den Pruzzen entrissen worden war.
Der Fürst Konrad I von Masowien rief den deutschen Orden ins Land, um sich Hilfe zu holen bei der Sicherung des von den Prußen eroberten Landes (Kulmer Handfeste). Im Laufe der darauf folgenden Zeit kam es zu wachsenden Gegensätzen zwischen Polen und dem deutschen Orden, der inzwischen in Ostpreußen einen eigenen Staat etabliert hatte.
Diese Gegensätze führten nach und nach zu offenen Auseinandersetzungen der Polen mit dem Deutschen Orden. Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen war die Schlacht bei Tannenberg am 15. Juli 1410, bei der das litauisch-polnische Heer den Deutschen Orden vernichtend schlug.
Mit dem Tod König Kasimirs erlosch das Herrscherhaus der Piasten in der Hauptlinie. 1385/86 wurde Polen durch eine Heirat mit dem damals nicht christianisierten Litauen verbunden. Der litauische Großfürst Jagiello ließ sich taufen und begründete das Herrscherhaus der Jagiellonen. Polen-Litauens Herrscher, mitunter verheiratet mit Habsburg Töchtern stiegen im 16. Jahrhundert zu einer der führenden Kontinentalmächte Europas auf. Die so genannte "Adelsrepublik" war zeitweise der größte Staat Europas. Er umfasste das heutige Zentral- und Ostpolen, Litauen, Weißrussland und die Ukraine. Hinzu kam eine Blüte von Literatur und Kunst, wobei die polnische Sprache seit 1500 mit benutzt wurde.
1572 starben die Großfürsten von Litauen und ebenfalls Könige von Polen, die Jagiellonen, ebenfalls aus und Polen wurde zur Adelsrepublik und Wahlmonarchie, d. h. dass nach dem Tod eines Königs trafen sich die Adeligen und wählten einen König, der jedoch nur repräsentative Bedeutung behielt. Kaiser Maximilian wurde gewählt, starb aber und der Schwede Sigismund III. Wasa wurde König. Die Macht hatten die Adeligen im Land. Zahlreiche Kriege sowie innere Unruhen (Kosakenaufstand 1648 unter Bogdan Chmelnizki) überforderten die polnische Adelsrepublik, so dass viele Gebiete an der Ostsee an Schweden und weite Teile Osteuropas an Russland verloren gingen.
Unter König Jan Sobieski kam es Ende des 17. Jahrhunderts noch einmal zu einer kurzen Blütezeit, die unter dem sächsischen und polnischen König August der Starke zu Ende ging. 1772 kam es dann zur 'Ersten Teilung Polens' in der Regierungszeit Stanislaus II. August, in der sich Preußen Pommerellen einverleibte, Russland nahm sich Teile Weißrusslands und Österreich nahm sich Galizien.
1791 gab sich Polen die 'erste geschriebene Verfassung' Europas, die für die damalige Zeit als revolutionär galt. Durch von außen geschürte Instabilität wurde dann die 'Zweite Teilung Polens' begünstigt, in deren Verlauf Preußen das polnische Kernland um Posen als gleichnamige Provinz zugeteilt bekam, während Russland weitere Teile Weißrusslands und der Ukraine bekam. Der darauf folgende Aufstand unter Tadeusz Kościuszko bot den Anlass, den Reststaat vollends zu liquidieren ('Dritte Teilung Polens').
1807 errichtete Napoleon zwar ein Großherzogtum Warschau, das aber nach den napoleonischen Kriegen als "Kongresspolen" zu einem russischen Satellitenstaat wurde, der immer mehr Einschränkungen hinnehmen musste.
In den drei Landesteilen fanden 1830/31, 1846 und 1863 Aufstände statt. Vor allem in Preußen und Russland wurde eine radikale Germanisierungs- bzw. Russifizierungspolitik durchgeführt. Im 1. Weltkrieg versuchte das Deutsche Reich die polnische Bevölkerung für sich zu gewinnen, indem es ein unabhängiges Königreich Polen auf russisch beherrschten Landesteilen in Aussicht stellte und 1916 proklamierte.
Piłsudski zog mit seiner Armee zusammen mit Österreich und Deutschland gegen die russische Armee.
Anfang des Jahres 1918 gewann Polen zusammen mit anderen Ländern durch den Friedensvertrag von Brest-Litowsk seine Unabhängigkeit von Russland. Durch Eintritt der USA verlor Deutschland schließlich den Krieg, der Vertrag von Brest-Litowsk wurde von den Sowjets annuliert. Polen wurde unabhängige Republik und bekam die preußische Provinz Posen, Teile Oberschlesiens und einen Zugang zur Ostsee bei Gdingen (Gdynia) ("polnischer Korridor").
Um den Besitz Schlesiens kam es zu Auseinandersetzungen mit Deutschland. In Oberschlesien ergab eine Volksabstimmung am 20. März 1921 über die staatliche Zugehörigkeit des Gebiets eine Mehrheit von fast 60 Prozent für den Verbleib beim Deutschen Reich. Polnische Freischärler begannen daraufhin am 3. Mai 1921, unterstützt von französischen Besatzungstruppen, einen bewaffneten Aufstand, um den Anschluß an Polen gewaltsam duchzusetzen.
Das Deutsche Reich konnte aufgrund der Beschränkungen durch den Versailler Vertrag und aufgrund der Intervention der anglo-französischen Sieger nicht gegen die Freischärler vorgehen. Mit Billigung der deutschen Regierung versuchten Freikorps den Anschluß an Polen zu verhindern. Am 23. Mai 1921 gelang den Deutschen Freikorps des "Selbstschutz Oberschlesien" die Erstürmung des Annabergs, der stärksten Befestigung der Polen und eine Stabilisierung der Lage. Am 20. Oktober 1921 beschloß der Oberste Rat der Alliierten nach einer Empfehlung des Völkerbunds, das ostoberschlesische Industrierevier an Polen zu übertragen. Beim Deutschen Reich verblieb der zwar flächenmäßig größere, jedoch rein agrarisch strukturierte Teil des Abstimmungsgebiets.
1918 wurde J. Piłsudski Staatspräsident des wiederentstandenen Polen. Die von den Alliierten ausgearbeitete Curzon-Linie, die die polnische Ostgrenze entlang des Bugs zog, wurde von Polen nicht akzeptiert. Pilsudski versuchte, die Grenzen des piastischen Polens unter Einschluss Litauens, Weißrusslands und der Ukraine, die damals von Millionen von Polen bewohnt wurden, wiederherzustellen. Litauen, das seine Unabhängigkeit gerade gegen Russland durchgesetzt hatte, wurde von polnischen Truppen angegriffen. Die litauische Hauptstadt Wilna wurde besetzt, ebenso wie (vorübergehend) Kiew in der Ukraine - was, aufgrund der ähnlichen territorialen Ansprüche der Sowjetunion zum polnisch-sowjetischen Krieg führte: die sowjetischen Einheiten unter Budionny drangen bis vor Warschau, während Stalin Lemberg belagerte. Durch ein waghalsiges Zangenmanöver gelang der polnischen Armee unter Pilsudskis Kommando der Durchbruch und eine nahezu vollständige Vernichtung der sowjetischen Einheiten: während die polnischen Einheiten versuchten, die Armee des Budionny bei Radzymin (nordöstlich von Warschau) aufzuhalten, startete Pilsudski vom Fluss Wieprz (Wojewodschaft Lublin) eine Großoffensive in Richtung Norden. Der Überraschungseffekt war so groß, dass die letzten sich zurückziehenden Einheiten der Roten Armee über deutsches Gebiet - Ostpreußen - flüchten mussten.
1921 wurde in Riga (Lettland) der Friedensvertrag zwischen den Kriegsparteien geschlossen und der Aufbau des Landes im Inneren in Angriff genommen. Polen entwickelte hierbei insbesondere gute Beziehungen zu Großbritannien und Frankreich - welche den Bau eines neuen Hafens in Gdingen (Gdynia) finanzierten. Aus dem preußischen Fischerdorf mit 1000 Einwohnern wurde in wenigen Jahren ein polnischer Groß- und Militärhafen mit über 100.000 polnischen Einwohnern. Ebenso wurde aus dem Danziger Hafen Westerplatte ein polnisches Munitionslager. Der Zugang zu Ostpreußen vom restlichen Deutschen Reich war nur noch per Korridorzug ( von Chojnice/Konitz bis Tczew/Dirschau Fahrt durch das polnische Gebiet) auf der Ostbahn oder per Schiff (Seedienst Ostpreußen) möglich.
1935 starb Piłsudski, was Polen schwächte. Parallel dazu wuchs die Bedrohung aus Deutschland, das die Abtretung von Posen und dem polnischen Korridor nicht akzeptieren wollte. Nach Kündigung des deutsch-polnischen Nichtangriffspaktes 1939 folgte der Überfall Deutschlands auf Polen am 1.91939, was den Kriegseintritt Großbritanniens und Frankreichs und damit den Zweiten Weltkrieg zur Folge hatte. Am 17.9 wurde Polen - wie in dem geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts vorgesehen - auch von der Sowjetunion angegriffen.
Polen wurde 1939 zwischen Deutschland und der Sowjetunion aufgeteilt, die polnische Regierung von Ministerpräsident Sikorski ging zuerst nach Paris, später nach London ins Exil und organisierte von dort aus die Streitkräfte neu.
Die Besatzungszeit hatte für große Teile der polnischen Zivilbevölkerung katastrophale Folgen. Die deutsche Besatzungsmacht errichtete ein Generalgouvernement Polen, in dem Polen den Status von Arbeitssklaven erhielten. Langfristig sollte der gesamte polnische Raum germanisiert werden, was in der Konsequenz die Vernichtung des polnischen Volkes einschloss. Die Namen von Vernichtungslagern, wie Auschwitz, Majdanek oder Sobibor, stehen für unzählige Morde an Polen durch Deutsche.
Bis 1941 waren auch die Polen, die in Ostpolen unter sowjetische Herrschaft geraten waren, von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Viele Menschen wurden nach Sibirien deportiert; ein eklatantes Verbrechen war die Massenerschießung von polnischen Offizieren durch sowjetische Truppen bei Katyn 1940.
Während des Krieges und der Besatzungszeit kamen über 6 Mio. Polen, davon 3 Mio. jüdische Einwohner, ums Leben.
Durch Bildung von Partisanengruppen versuchten Polen auch nach der militärischen Niederlage Widerstand zu leisten. 1943 wurde ein Aufstand im jüdischen Ghetto von Warschau niedergeschlagen. 1944 scheiterte der Warschauer Aufstand, eine Erhebung der polnischen Heimatarmee, der größten polnischen Widerstandsorganisation, die der Exilregierung in London unterstand, da die Sowjetunion kein Interesse hatte, diese Einheiten zu unterstützen. Die Innenstadt Warschaus wurde von deutschen Truppen unter kaum nachvollziehbar großem Einsatz an Sprengmaterial, akribisch Haus für Haus dem Erdboden gleichgemacht.
Angesichts der ganz offenbaren Leiden der polnischen Bevölkerung wurde lange die Tatsache verdeckt, dass es auch Polen gab, die zu Tätern geworden waren. Angestoßen wurde eine Debatte über polnische Täter durch die Geschehnisse im Ort Jedwabne unweit Lomza, wo sich polnische Nachbarn an der Ermordung ihrer jüdischen Mitbürger beteiligt hatten.
Nach dem Potsdamer Abkommen 1945 setzte Stalin mit Zustimmung der Alliierten neue Staatsgrenzen in Osteuropa durch, was zu einer Verschiebung der polnischen Staatsgrenzen nach Westen, in die Grenzen des mittelalterlichen Piastenreiches, führte. Um diese auch zu "ethnischen Grenzen" zu machen , wurde die "Umsiedelung" der dort lebenden Menschen mit der "falschen Nationalität" beschlossen.
Bei der Vertreibung der Deutschen aus den durch die Alliierten Polen zuerkannten Teilen des ehemaligen Deutschen Reiches und Danzigs, wie (dem südlichen) Ostpreußen, Westpreußens, Pommerns, der Neumark Brandenburgs und Schlesiens, kam es zu zahllosen Mißhandlungen und Morden an der hilflosen Zivilbevölkerung des verhassten Nachbarn. Aber auch soweit man die Deutschen nicht umbrachte, wurde ihnen teilweise nur eine Stunde Zeit eingeräumt, um ihre seit Jahrhunderten bewohnten Dörfler mit höchstens 20 Kilo Gepäck zu verlassen.
In den ehemals deutschen Gebieten wurden die aus der Ukraine, Litauen und Weißrussland vertriebenen Polen und ehemalige Zwangsarbeiter angesiedelt, die aus Deutschland zurückströmten.
Die Ostgrenze Polens (Curzon-Linie) wurde 1945 von der kommunistischen Regierung anerkannt. Gleichzeitig fanden Verstaatlichungen und Kollektivierungen statt. 1950 wurde die Oder-Neiße Linie als polnische Westgrenze auch von der DDR anerkannt.
1956, 1970 und 1980 kam es in Industriebetrieben (v. a. an der Küste) zu Streiks gegen die kommunistische Regierung, die gewaltsam niedergeschlagen wurden. Parallel wurde in den siebziger Jahren unter dem deutschen Kanzler Brandt eine Entspannung im westdeutsch-polnischen Verhältnis eingeleitet (Warschauer Kniefall).
Während des Streiks 1980 wurde die unabhängige Gewerkschaft Solidarność unter Wałęsa gegründet und gerichtlich bestätigt. 1981 wurde General Wojciech Jaruzelski Präsident und verhängte das Kriegsrecht, um mehr Vollmachten im Kampf gegen Solidarność zu haben. Mehr als 1000 Personen wurden interniert. Ende der 80er Jahre wurde der Druck durch immer neue (von der katholischen Kirche unter Papst Johannes Paul II moralisch unterstützte) Streiks so groß, dass in Runden-Tisch-Gesprächen für 1989 freie Wahlen angesetzt wurden. Die Zahl der Abgeordnetenmandate, die für die Opposition erreichbar waren, wurde allerdings beschränkt. Als Solidarność jedoch die volle Zahl der erreichbaren Mandate errang, bedeutete dies das Ende der kommunistischen Herrschaft.
Wałęsa wurde Staatspräsident und Polen ein freier, marktwirtschaftlicher Staat. Diese Ereignisse trugen maßgeblich zum Fall der Mauer in Deutschland und zum Niedergang des Kommunismus im östlichen Europa bei.
1990 wurde die Westgrenze Polens durch das wiedervereinigte Deutschland anerkannt. Die Kontakte Polens zu seinem westlichen Nachbarn entwickeln sich seitdem sehr vertrauensvoll und eng. Auch zwischen ehemaligen deutschen Bewohnern der damaligen Ostgebiete und den heutigen polnischen Einwohnern sind inzwischen viele Freundschaften entstanden: Besondre Katalysatoren in dieser Verständigung sind die Kirchen sowie Teile der Vertriebenenverbände. Auch in Polen wächst das Interesse an der Beschäftigung mit dem "Komplex der Vertreibung", einschließlich der Vertreibung von Polen aus den damaligen Ostgebieten.
Polen gilt heute als wirtschaftlich aufstrebender, stabiler und demokratischer Staat, was in seiner Aufnahme in die NATO (12. März 1999) und in die Europäische Union (1. Mai 2004), nachdem sich eine Mehrheit der polnischen Bürger (73 % Jastimmen bei einer Beteiligung von ca. 59 %) in einer Volksabstimmung im Juni 2003 für den EU-Beitritt ausgesprochen hatte, Ausdruck findet.
Der Grad der Westintegration Polens findet u. a. auch in der Übernahme der Verwaltung einer von drei Besatzungszonen im Irak nach dem 3. Golfkrieg 2003 seinen Ausdruck.
Piastisches Polen
Jagiellonisches Polen
Die Zeit der Teilungen
Die Zweite Republik: Zwischen Demokratie und Diktatur
Zweiter Weltkrieg: Das besetzte Polen
Die Volksrepublik Polen: Herrschaft der Kommunistischen Partei
Wendezeit: 1980-1990: Kampf um Demokratie und Unabhängigkeit
Die Dritte Republik: Anschluss an den Westen
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