Wilna
Wilna (in der Landessprache Vilnius, russisch früher Wilna, polnisch Wilno, jiddisch Wilne) ist die Hauptstadt Litauens und des Distriktes Wilnas (Vilniaus Apskritis) mit 541.600 (2003) Einwohnern. Sie liegt an der Mündung der Vilnele in die Neris, nicht weit von der weißrussischen Grenze (ca. 40 km). Wilna ist katholischer Erzbischofssitz und seit 1579 Universitätsstadt.
Bevölkerung
Bis zum Zweiten Weltkrieg war das damals zu Polen gehörende Wilna eine mehrheitlich von Polen und einer großen jüdischen Bevölkerungsgruppe bewohnte Stadt. Heute wohnen im Umland von Wilna immer noch sehr viele Polen. Allerdings bilden die aus dem Raum Kaunas zugewanderte Litauer in der Stadt inzwischen die dominierende Volksgruppe. Im Jahr 2001 zählte Wilna 542.287 Einwohner. Davon machten Litauer 57,8 % aus, Polen 18,7 %, Russen 14 %, Weißrussen 4 %, Juden 0,5 %, Vertreter anderer Nationalitäten 5%.
Geschichte
Wilna wurde unter Gediminas, Großfürst seit 1316, mit Magdeburger Stadtrecht gegründet, mit Hilfe deutscher Kolonisten erbaut, und ist seit 1323 Hauptstadt Litauens. In Folge der polnisch-litauischen Union (1385/ 1569) kam die Stadt unter polnischen Einfluss. 1579 richtete der polnische König Stephan Báthory eine Universität ein, gleichzeitig wurde es das wichtigste Zentrum jüdischer Kultur in Nordeuropa. Aufgrund seiner geistigen Bedeutung hatte Wilna (wie auch Moskau und Kiew) den Beinamen Jerusalem des Nordens.
Im 2. Nordischen Krieg wurde Wilna in den Jahren 1702 und 1707 von schwedischen Truppen zerstört. Bis 1917 gehörte Litauen zum russischen Zarenreich. Nach der Unabhängigkeit Litauens wurde Wilna Hauptstadt Litauens, doch bereits 1920 wurde sie von Polen annektiert. Für die nächsten 19 Jahre war Kaunas die neue Hauptstadt des Landes. Als die deutsche Wehrmacht im September 1939 in Polen einmarschierte, fiel die Stadt Wilna an den Staat Litauen zurück und wurde wieder Hauptstadt des Landes. Mit Kriegsbeginn wurde Litauen allerdings in die Sowjetunion eingegliedert, zu der es bis 1990 gehörte.
Bis zum Zweiten Weltkrieg war die Stadt mehrheitlich von Polen besiedelt. Als im Sommer 1941 die deutschen Wehrmachtstruppen nach Litauen vorstießen, fielen viele, insbesondere die jüdische Bevölkerung den Nationalsozialisten zum Opfer. In der Altstadt wurden zwei Ghettos eingerichtet, von denen das kleinere bis zum Oktober 1941 bereits wieder liquidiert wurde, was für mehrere Zehntausend Juden den Tod durch Erschießung im Wald von Panieriai (etwa 10 km westlich der Altstadt) bedeutete. Das zweite Ghetto bestand bis 1943, wobei verschiedene so genannte 'Aktionen' auch hier eine weitere Dezimierung der jüdischen Bevölkerung zur Folge hatten. Die verbliebenen Juden wurden in Konzentrationslager deportiert und dort ermordet. Nachdem im Nachkriegs-Vilnius noch mehrere Tausend Juden (v.a. zugewandert aus anderen Teilen der Sowjetunion) gelebt haben, sind sie durch die Auswanderung nach Israel und in die USA heute auf eine kleine Minderheit geschrumpft. Dagegen leben in Vilnius und vor allem in der ländlichen Umgebung weiterhin viele Polen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg der Übersiedlung nach Polen widersetzt haben (siehe auch Absatz Bevölkerung).
Von 1944 bis 1990 war Vilnius die Hauptstadt der Litauischen Sowjetrepublik und ab 1990 - mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion - des wieder unabhängigen Litauen. 1994 wurde die Altstadt von Vilnius in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen.
siehe auch: Geschichte Litauens, Nordosteuropa, Osteuropa
Nach der Unabhängigkeit Litauens von der Sowjetunion entwickelte sich das heutige Vilnius innerhalb von 10 Jahren von einer sowjetischen in eine Stadt westlich-kosmopolitischen Stils.
Die Wahrzeichen der Stadt sind die Ruine der Burg von Gediminas auf dem gleichnamigen Hügel aus dem 14. und 15. Jh., sowie an ihrem Fuße die klassizistische römisch-katholische Kathedrale Sankt Stanislaus mit ihrem etwas abseits stehenden Glockenturm.
Ausgehend vom Burgberg bildet das Straßennetz der Altstadt von Wilna in Richtung Westen und Süden eine fächerartige Struktur. Die Altstadt, die sich an den Hängen auf dem linken Ufer der Neris hochzieht, hat eine Fläche von 360ha und zählt damit zu den größten und besterhaltenen Europas; seit 1994 zählt sie zum UNESCO-Weltkulturerbe. Viele Baustile hinterließen ihre Spuren, vor allem prägen sie der Barock, aber auch Gotik und Renaissance. Sehenswert sind die St. Annen-Kirche (Šv. Onos), ein gotisches Backsteingebäude zusammen mit der ebenfalls gotischen Bernhardiner-Kirche, die barocke Universitätsanlage mit der Johannes-Kirche (Šv. Jono). Wichtig sind die barocke St. Kazimir-Kirche (Šv. Kazimiero), welche dem Nationalheiligen geweiht ist, und das Tor der Morgenröte (Aušros vartai). Das alte Rathaus wurde wie die Kathedrale zuletzt in klassizistischem Stil umgebaut. Eine der wenigen alten Kirchen außerhalb der Altstadt ist die von dem polnischen Ritter Sapiega gestiftete St. Peter-und-Paul-Kirche (Šv. Petro ir Pavilo), ein Meisterwerk des Barock. Diese Kirche, wie auch das Bild der wundertätigen Madonna in den "Aušros vartai", ist ein wichtiges Pilgerziel, vornehmlich für polnische Katholiken. Von den einstmals 96 Synagogen in Wilna ist eine einzige aus dem Jahr 1894 übrig geblieben. Interessant ist außerdem der oberhalb der Altstadt wunderschön gelegene Rasų-Friedhof, wo zahlreiche prominente Litauer und Polen (Pilsudski) begraben sind, sowie der zentrale Markt auf dem nördlichen Ufer der Neris.
Romantisch und kleinstädtisch verträumt präsentiert sich das am rechten Ufer des Flüsschens Vilnele gelegene Stadtviertel Užupis (zu deutsch: über dem Fluss), in dem bis heute viele Künstler und viel Kunst zu Hause ist. Vilnius ist im Ganzen eine wenig metropolitan wirkende Stadt mit viel Grün, das sich bis ins Zentrum zieht.
Auf dem der Altstadt und dem Zentrum (Bebauung rund um den zentralen Gediminas-Prospekt ab der Jahrhundertwende) gegenüber gelegenen Ufer der Neris haben sich in den letzten Jahren die ersten Ansätze für ein modernes Büro- und Geschäftsviertel gebildet, mit dem Vilnius zu einem Anziehungspunkt nicht nur für Touristen werden will. Bislang verlief die Entwicklung mehr oder weniger auf Brachflächen, in absehbarer Zeit werden aber die ärmlichen Holzhaus-Siedlungen, die sich unmittelbar nördlich anschließen, weichen müssen.
Etwa 30 km westlich von Vilnius liegt Trakai, die mittelalterliche Hauptstadt Litauens mit seiner wieder aufgebauten Wasserburg.
Nördlich von Vilnius in dem Dorf Purnuskes befindet sich der Europapark. Dort soll der geographische Mittelpunkt Europas (lit Europos centros) liegen. Das wurde von französischen Wissenschaftlern Ende des 18. Jahrhunderts so berechnet, ist allerdings nicht ganz unumstritten.
Sehenswürdigkeiten
Verkehr
Die litauische Hauptstadt liegt verkehrstechnisch auf Grund seiner Nähe zur stark abgesicherten EU-Außengrenze zu Weißrussland in einer Art "totem Winkel". Die Korridorzüge von Russland über Weißrussland nach Kaliningrad (s.u.) erlauben keinen Zu- oder Ausstieg in Vilnius, obwohl sie den Bahnhof passieren. Die wichtigsten Verkehrströme vom Baltikum in die restliche EU verlaufen über Kaunas. Von dort führt eine Autobahn ins 100 Kilometer entfernte Vilnius.Eisenbahn
Vilnius ist wichtiger Durchgangsbahnhof für den Transitverkehr Russland-Weißrussland-Kaliningrad, wobei der Ein- und Ausstieg bei den Korridorzügen nicht gestattet ist. Daneben existieren Eisenbahnverbindungen nach Kaunas und nach Klaipėda über Šiauliai.Fernbus
Vom zentralen Busbahnhof fahren Fernbusse in sämtliche Nachbarländer, und in viele andere Länder der Europäischen Union. Daneben werden auch kleinere litauische Städte von Vilnius aus angefahren.Flugverkehr
Die Stadt Vilnius verfügt über einen internationalen Flughafen. Mittlerweile hat verstärkte Konkurrenz zu günstigen Preisen (in die Hauptstädte Europas für unter 150 €) geführt, im deutschsprachigen Raum werden Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Wien angeflogen.Straßen
Es bestehen Autobahnverbindungen über Kaunas an die Ostsee zum Fährhafen Klaipėda und nach Panevežys mit Anschluss an die Via Baltica sowie eine Fernstraßenverbindung ins nahe Weißrussland.ÖPNV
Dem öffentlichen Nahverkehr dienen, da Wilna weder U-Bahn noch Straßenbahn hat, vor Allem Omnibusse und Trolleybusse. Der Bau einer ersten Trambahnlinie ist projektiert, aber noch nicht begonnen.Weblinks