Deutsche Marine (Geschichte)
Deutsche Marine (Geschichte)
Deutschland hat in seiner Geschichte nur wenige Versuche unternommen, als Seemacht aufzutreten. Das bekannteste Vorhaben war der Aufbau der Hochseeflotte unter Kaiser Wilhelm II vor dem Ersten Weltkrieg. Es gab jedoch eine Anzahl kleinerer Flotten, die zu verschiedenen Zeiten und auf unterschiedliche Art deutschen Seeinteressen gedient haben, und die heute kaum noch bekannt sind.
Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gab es keine einheitliche Marine als Streitmacht des Kaisers. Gleichwohl verfügten einzelne Teilstaaten über Seestreitkräfte. Den erste Auftritt einer deutschen Seemacht unternahm die Hanse, ein Zusammenschluss von Handelsstädten. Sie bewaffneten ihre Handelsschiffe und wurden zu einer politischen und militärischen Macht in Nordeuropa. Im 16. Jahrhundert verfiel die Macht der Hanse. Einzelne Hansestädte unterhielten allerdings weiterhin kleinere Seestreitkräfte. Noch heute führen die Schifffahrtsbehörden der Freien und Hansestadt Hamburg die alte Hamburger Admiralitätsflagge.
Nur im Dreißigjährigen Krieg gab es für kurze Zeit eine kaiserliche Marine. Wallenstein hatte 1627 von Kaiser Ferdinand II den Auftrag erhalten, in der Ostsee eine Flotte aufzubauen, um den Schweden unter König Gustav Adolf entgegen zu treten. Aber bereits nach einem einzigen erfolglosen Gefecht vor Stralsund im Dezember 1630 zerfiel diese Flotte und beendete ihr Dasein 1632 mit der schwedischen Eroberung Stralsunds.
Das Ende dieses Krieges bedeutete für Deutschland einen weitgehenden Verlust seines Zugangs zur See. Die Niederlande wurden unabhängig und viele Häfen an Nord- und Ostsee kamen unter dänische oder schwedische Herrschaft.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bemühte sich in Brandenburg Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, um den Aufbau einer Marine und den Erwerb von Kolonien. Nach anfänglichen Erfolgen kam es zu Rückschlägen, und unter seinem Nachfolger wurde die Kurbrandenburgische Marine zu Anfang des 18. Jahrhunderts wieder aufgelöst. Das 1701 aus dem Kurfürstentum Brandenburg entstandene Königreich Preußen beschränkte sich in den nächsten knapp 150 Jahren mit wenigen Ausnahmen darauf, eine kontinentale Landmacht zu sein.
Friedrich der Große, 1744 in den Besitz Ostfrieslands und damit des Nordseehafens Emden gelangt, wollte Preußen an dem aufblühenden See- und Kolonialhandel teilhaben lassen, ohne jedoch eine eigene Kriegsmarine aufzustellen. Er unterstützte die Gründung mehrerer Handelskompanien, so 1752 die Preußisch-Asiatische Kompanie, die jedoch bereits 1756 mit Beginn des Siebenjährigen Krieges wieder aufgelöst werden musste. 1772 entstand auf seine Veranlassung die "Societé de Commerce maritime" zur Beförderung des Handels mit eigener Flotte, die sich später Preußische Seehandlung nannte und noch heute in Form einer Stiftung besteht.
Nach den Napoleonischen Kriegen entstand der Deutsche Bund als Nachfolger des untergegangenen alten Reichs. Auch der Deutsche Bund organisierte seine Verteidigung, indem er sich auf Beiträge seiner Mitgliedsstaaten stützte. Dabei kam es ihm zu Gute, dass drei der Bundesfürsten in Personalunion Könige von Ländern mit eigenen Flotten waren, allen voran der König von Hannover, der zugleich König von Großbritannien war und damit über die mächtigste Flotte der Welt gebot. Die anderen waren der Großherzog von Luxemburg, zugleich König der Niederlande, und der Herzog von Schleswig und Holstein als König von Dänemark. Des Weiteren besaß Österreich eine kleine Marine. Preußen verfügte nur über eine rudimentäre Seestreitmacht und über die Preußische Seehandlung als Staatsreederei unter der preußischen Kriegsflagge. (Literaturhinweis: Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika 1866 - 1914 : eine Studie deutscher Kanonenbootpolitik / von Gerhard Wiechmann. - 2000. - 473 Bl. - Oldenburg, Univ., Diss., 2000 ([1])
Dass diese Vorsorge nicht ausreichte, um Deutschlands maritime Interessen abzusichern, zeigte sich 1848. Die Personalunion zwischen Hannover und Großbritannien bestand bereits seit 1837 nicht mehr, Luxemburg war 1839 vom Deutschen Bund abgetrennt worden und Dänemark war Kriegsgegner. Dass dieses kleine Land den Mächten Österreich und Preußen militärisch entgegen treten konnte, lag nicht nur an der März-Revolution in Deutschland sondern auch am völligen Fehlen deutscher Seestreitkräfte in Nord- und Ostsee. Innerhalb weniger Tage kam der deutsche See- und Küstenhandel zum Erliegen. Die erst am 18. Mai 1848 in der Frankfurter Paulskirche zusammengetretene Nationalversammlung beschloss schon am 14. Juni des gleichen Jahres in einer ihrer ersten Entscheidungen, eine deutsche Flotte aufzustellen und dafür 6 Mio Reichsthaler bereit zu stellen. Tatsächlich kam es zu einigen Gefechten dieser Reichsflotte unter Admiral Brommy mit den Dänen. Nach dem Scheitern der Revolution wurde die Reichsflotte jedoch schnell wieder aufgelöst und ihre letzten Schiffe 1853 versteigert.
Die Lehren aus dem Krieg gegen Dänemark führten in Preußen zum Ausbau der Marine unter der Leitung von Prinz Adalbert. 1853 wurde von Oldenburg das Jadegebiet erworben, auf dem in den folgenden Jahren die Stadt und der Stützpunkt Wilhelmshaven entstanden. Zwar war auch diese Marine im Krieg 1864 noch nicht in der Lage, der dänischen Marine allein entgegen zu treten, jedoch konnte mit Hilfe der österreichischen Flotte unter Kommodore Tegetthoff ein ähnliches Debakel wie 1848 vermieden werden. Auch in den Kriegen von 1866 und 1870/71 spielte die Marine nur eine untergeordnete Rolle. Aus der preußischen Marine wurde 1867 die Marine des Norddeutschen Bundes, aus ihr wiederum 1871 die Kaiserliche Marine.
Die Marine des 1871 entstandenen deutschen Kaiserreichs nahm zunächst nur einen langsamen Aufschwung. Sie war in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts an der Gewinnung einiger von Kolonien in Afrika, Asien und Ozeanienbeteiligt und repräsentierte das neue Reich in vielen Teilen der Welt, ohne sich mit den Marinen der anderen großen Mächte messen zu können. Erst unter Kaiser Wilhelm II und dem Staatssekretär im Reichsmarineamt (Marineminister) Alfred von Tirpitz begann der schnelle Aufbau einer großen Flotte. In den 90er Jahren entstanden die Pläne für den Bau der Hochseeflotte, die Deutschland in eine Reihe mit den großen Seemächten treten lassen sollte. Diese Flottenrüstung war im Verein mit verfehlter Bündnispolitik eine der Ursachen für den Ersten Weltkrieg.
Auf Grund einer fehlerhaften Konzeption gelang es nicht, mit der Hochseeflotte eine Kriegsentscheidung gegen Großbritannien zu erzwingen. Zwar konnten der Royal Navy in der Skagerrakschlacht empfindliche Verluste zugefügt werden, die Wende im Krieg blieb jedoch aus. Der 1915 erklärte uneingeschränkte Ubootkrieg brachte zwar Erfolge gegen Großbritannien, war aber auch der Vorwand, unter dem die USA 1917 gegen Deutschland in den Krieg eintraten.
Eine schlechte Versorgungslage und der Befehl, zu einer letzten Aufopferungsschlacht auszulaufen, führte im Herbst 1918 zu einem Matrosenaufstand in der Hochseeflotte, der zur Novemberrevolution in Deutschland und damit zugleich zum Ende der Monarchie und des Ersten Weltkriegs führte. Nach Kriegsende bis zur Selbstversenkung am 21. Juni 1919 wurden große Teile der Hochseeflotte im schottischen Scapa Flow interniert.
Nach dem Versailler Vertrag durfte Deutschland nur eine kleine Marine unterhalten. Die Personalstärke dieser Reichsmarine war auf 15.000 Mann beschränkt und für den Schiffsbestand gab es strenge Auflagen hinsichtlich Größe, Anzahl und Erneuerung. Flugzeuge und Uboote waren nicht erlaubt.
Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 begann bald die Wiederaufrüstung Deutschlands. Das Flottenabkommen mit Großbritannien vom 18. Juni 1935 erlaubte den Aufbau einer Flotte von 35% der britischen Überwassertonnage. Die Marine, kurz nach dem Flottenabkommen in Kriegsmarine umbenannt, sollte nach dem so genannten Z-Plan bis 1947 eine große Zahl neuer Schiffe erhalten darunter Schlachtschiffe, Flugzeugträger und viele U-Boote.
Von diesen Plänen war bei Kriegsbeginn 1939 noch zu wenig umgesetzt, als dass die Kriegsmarine für den Zweiten Weltkrieg vorbereitet gewesen wäre. Gleichwohl war sie daran von der ersten Minute an beteiligt. Es war das Linienschiff Schleswig-Holstein, das am 1. September 1939 um 4.45 Uhr in Danzig das Feuer auf die Westerplatte eröffnete.
Auf Grund der Unterlegenheit bei den größeren Kampfschiffen, deutlich sichtbar durch frühe Verluste („Graf Spee“ 1939, „Blücher“ 1940, „Bismarck“ 1941), verlegte sich die Kriegsmarine mehr und mehr auf den Krieg mit U-Booten, maßgeblich forciert durch deren Befehlshaber, Admiral Karl Dönitz. Daneben machte die Küstenkriegführung mit kleinen Fahrzeugen wie Minensuchbooten und Schnellbooten einen Großteil der deutschen Marineaktivitäten im Zweiten Weltkrieg aus.
Trotz anfänglicher Erfolge, die Großbritannien zeitweise in eine Versorgungskrise brachten, gelang es nicht, den Gegner mit U-Booten in die Knie zu zwingen. Wie im Ersten Weltkrieg beherrschten die Alliierten die See und schnitten Deutschland von überseeischer Versorgung ab. Der damit verbundene Mangel an Ressourcen für die Kriegführung war einer der Gründe dafür, dass der Krieg nicht zu gewinnen war.
In den letzten Kriegswochen, und zum Teil über das Kriegsende hinaus, beteiligte sich die Marine maßgeblich an der Rückführung deutscher Truppen und ziviler Flüchtlinge über die Ostsee. Zusammen mit der Handelsmarine und unter erheblichen Verlusten (z.B. Versenkung der „Wilhelm Gustloff“) gelang es, über zwei Millionen Menschen vor der Roten Armee zu retten, die größte Evakuierung in der Geschichte der Menschheit.
Nach der Bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht wurde auch die Kriegsmarine durch die Alliierten aufgelöst. Allerdings blieb ein Teil des Personals weiterhin im Einsatz, um Seeminen an den deutschen Küsten zu räumen. Diese Deutsche Minenräumverwaltung, englisch: German Minesweeping Administration (GMSA) verfügte zeitweise über 27.000 Mann und 300 Fahrzeuge. Sie wurde 1947 in eine kleinere Organisation überführt. Auch in den nächsten Jahren räumten deutsche Seeverbände wie der Seezoll, der Seegrenzschutz und so genannte Dienstgruppen der Alliierten vor der deutschen Küste Minen, damit die deutschen Seehäfen wieder ungefährdet angelaufen werden konnten.
Diese Verbände bildeten einen Grundstock für die 1956 aufgestellte Bundesmarine. Sie ermöglichten es ihr, bereits am 1. April 1957 der NATO zwei einsatzfähige Minensuchgeschwader als ersten deutschen Beitrag zum Bündnis zu assignieren. Anders als alle ihre Vorgänger war die Bundesmarine in ein bestehendes Militärbündnis hinein konzipiert worden. Sie hatte einen klaren Auftrag zur Verteidigung des Territoriums der NATO-Staaten im Bereich der Ostseezugänge und zum Schutz alliierter Verstärkungstransporte in Nordsee und Nordatlantik. Ein Einsatz außerhalb dieser Gebiete war nicht vorgesehen. Gleichwohl repräsentierte sie auf Auslandsreisen die Bundesrepublik Deutschland weltweit. Die Stärke der Bundesmarine betrug etwa 38.000 Mann mit über 200 Schiffen und Booten; hinzu kamen bis zu 190 Flugzeuge.
In der DDR war bereits zu Beginn mit dem Aufbau einer Kasernierten Volkspolizei (See) begonnen worden, die von Beginn an als Kern eigener Seestreitkräfte gedacht war. Bei Gründung der Nationalen Volksarmee (NVA) im Januar 1956 konnte sie 10.000 Mann mit fast 100 Fahrzeugen in ihre Marine übernehmen, die seit dem 3.11.1960, dem Jahrestag des Kieler Matrosenaufstands von 1918, Volksmarine hieß. Sie verfügte über etwa 17.000 Mann (1973) und eine große Zahl kleinerer Fahrzeuge wie etwa Minensucher, Schnellboote und kleinere Landungsschiffe jedoch nicht über Uboote. Die Volksmarine wurde wie die NVA am 2. Oktober 1990 aufgelöst. Ein Teil ihres Personals und einige Schiffe wurden von der Bundesmarine übernommen, die nach der Wiedervereinigung in „Deutsche Marine“ umbenannt wurde.Allgemeines
Die Hanse
Wallensteins kaiserliche Flotte
Brandenburg und Preußen
Der Deutsche Bund
Die Reichsflotte von 1848
Die preußische Marine und die Marine des Norddeutschen Bundes
Die Kaiserliche Marine
Die Reichsmarine
Die Kriegsmarine
Deutsche Seeverbände 1945-1955
Die Bundesmarine
Die Kasernierte Volkspolizei (See) und die Volksmarine