Novemberrevolution
Die Novemberrevolution von 1918 führte am Ende des 1. Weltkriegs zur Abdankung des letzten Deutschen Kaisers Wilhelm II und zur Umwandlung des Deutschen Reiches in eine parlamentarisch-demokratische Republik.
Seit 1916 wurde Deutschland faktisch nicht mehr von der Reichsregierung oder durch den Kaiser, sondern durch die Oberste Heeresleitung unter den Generälen Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff regiert, wobei letzterer die maßgebliche Rolle spielte.
Am 5. November stimmten die Alliierten der Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen zu. Als aber ihre Bedingungen für eine Waffenruhe bekannt wurden, bezeichnete Ludendorff diese als unannehmbar. Er forderte nun die Wiederaufnahme des Krieges, den er noch wenige Tage zuvor für verloren erklärt hatte. Seine Forderung war umso unsinniger, da das von ihm geforderte Waffenstillstandsersuchen die Schwäche des Reichs für alle Kriegsgegner sichtbar gemacht hatte. Die Reichsregierung entließ daher Ludendorff und ersetzte ihn durch General Wilhelm Groener.
Während die kriegsmüden Truppen und die von der kaiserliche Regierung enttäuschte Bevölkerung das baldige Ende des Krieges erwarteten, fasste die deutsche Marineleitung unter Admiral Reinhard von Scheer in Kiel den Plan, die Flotte zu einer letzten Schlacht mit der Royal Navy in den Ärmelkanal zu entsenden. Dieser eigenmächtige, militärisch und politisch völlig sinnlose Befehl stellte im Grunde eine Rebellion der Marineleitung gegen die neue Reichsregierung dar.
Siehe auch: Matrosenaufstand
In ganz Deutschland forderte man nun die Abschaffung der Monarchie. Da Wilhelm II. sich ins Hauptquartier der Obersten Heeresleitung ins belgische Spa begeben hatte, die revolutionäre Lage in Berlin sich aber immer weiter zuspitzte, verkündete Max von Baden am 9. November eigenmächtig die Abdankung des Kaisers und übertrug gleichzeitig dem SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert das Amt des Reichskanzlers.
Am Nachmittag des 9. November überschlugen sich in Berlin die Ereignisse. Um die Initiative nicht dem weit links von der SPD stehenden Spartakusbund (aus dem später die KPD hervorging) zu überlassen, rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann von einem Balkon des Reichstagsgebäudes die Republik aus. Stunden später erfolgte am Berliner Stadtschloss durch Karl Liebknecht, den Vorsitzenden des Spartakusbundes die Proklamation der Freien Sozialistischen Republik Deutschland, d.h. der Räterepublik.
Den Ausschlag in der Machtfrage gab ein Telefonat, das Friedrich Ebert noch in der Nacht vom 9. auf den 10. November mit General Groener, dem neuen Chef der Obersten Heeresleitung in Spa führte. Dieser sicherte Ebert die Unterstützung des Heeres zur Aufrechterhaltung der neuen staatlichen Ordnung zu.
Am 10. November trat als provisorische Regierung der Rat der Volksbeauftragten aus Vertretern der SPD und der USPD zusammen, und am 11. November wurden die Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs mit dem Waffenstillstandsabkommen vom Compiègne eingestellt.
Die Arbeiter- und Soldatenräte im ganzen Reich hatten mittlerweile Abgeordnete nach Berlin geschickt, die am 16. Dezember im Zirkus Busch einen Rätekongress bildeten. Für wenige Tage bestand eine Doppelherrschaft von SPD-geführter Reichsregierung und Räten. Doch diese waren in ihrer Mehrheit selbst Anhänger der SPD. Sie billigten dem Spartakusbund keine Einflussnahme zu und unterstützten den Regierungsbeschluss, so bald wie möglich Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung durchzuführen.
An Weihnachten 1918 und in den ersten Januartagen 1919 kam es in Berlin zu Aufstandsversuchen von Anhängern des Spartakusbundes, die von
regierungstreuen Truppen unter Gustav Noske blutig niedergeschlagen wurden. Dabei wurden unter anderen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet, obwohl letztere sich gegen einen bewaffneten Aufstand ausgesprochen hatte. Sie hatten am 1. Januar 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) mit begründet.
Eine reale Gefahr, dass in Deutschland ein Rätesystem nach sowjetischem Muster hätte errichtet werden können, hat nie bestanden. Das Bündnis zwischen der Regierung Ebert und der Obersten Heeresleitung und deren brutales Vorgehen während des Spartakusaufstands hat jedoch viele linke Demokraten der SPD entfremdet. Dies sollte sich für die Entwicklung der Weimarer Republik als schwere Hypothek erweisen.
Am 19. Januar 1919 fanden schließlich die Wahlen zur Nationalversammlung statt. Diese trat, um den revolutionären Nachwirren in Berlin zu entgehen, am 6. Februar in Weimar zusammen. Dort wurde am 11. August die neue Reichsverfassung verabschiedet, die das Deutsche Reich zu einer demokratischen Republik machte.
Die Revolution war beendet und der Übergang zur demokratischen Republik schien gesichert. Dass die Weimarer Republik sich dann als schwache Demokratie erwies und schon 14 Jahre später unterging, hat auch mit ihren Geburtsfehlern während der Novemberrevolution zu tun.
Von großer Bedeutung war die Tatsache, dass die kaiserliche Regierung und die Oberste Heeresleitung sich frühzeitig der Verantwortung entzogen und die Bewältigung der von ihnen verschuldeten Niederlage im 1. Weltkrieg den Mehrheitsparteien des Reichstags aufbürdeten. Welches Kalkül dahinter steckte, belegt ein Zitat aus der Autobiographie des Ludendorff-Nachfolgers Groener: „Mir konnte es nur lieb sein, wenn bei diesen unglückseeligen [Waffenstillstands-]Verhandlungen, von denen nichts Gutes zu erwarten war, das Heer und die Heeresleitung so unbelastet wie möglich blieb.“ (zit. nach Schulze, s.u., S. 149)
So entstand die so genannte Dolchstoßlegende, nach der die Revolutionäre dem "im Felde unbesiegten" Heer in den Rücken gefallen seien und erst damit den fast sicheren Sieg in eine Niederlage verwandelt hätten. Zur Verbreitung dieser Geschichtsfälschung trug wesentlich Erich Ludendorff bei, der sein eigenes Versagen damit kaschieren wollte. In nationalistischen und völkischen Kreisen fiel die Legende auf fruchtbaren Boden. Dort wurden die Revolutionäre und selbst Politiker wie Ebert - der die Revolution gar nicht gewollt und alles getan hatte, um sie zu kanalisieren und einzudämmen - bald als "Novemberverbrecher" diffamiert. Es war eine bewusste Symbolik, dass Hitler seinen Putschversuch im Jahr 1923 ebenfalls an einem 9. November unternahm.
Die Republik war vom Zeitpunkt ihrer Geburt mit dem Stigma der Niederlage behaftet. Ein Großteil des Bürgertums und der alten Eliten aus Militär, Justiz und Verwaltung sahen sie nie als endgültige neue Staatsform an, sondern als ein Gebilde, das bei erster Gelegenheit wieder beseitigt werden sollte. Auf der Linken dagegen trieb das Verhalten der SPD-Führung während der Revolution viele ihrer einstigen Anhänger den Kommunisten zu. Die gebremste Novemberrevolution führte dazu, dass Weimar eine "Demokratie ohne Demokraten" wurde.
siehe auch:
Vorgeschichte
Waffenstillstandsgesuch und Verfassungsänderung
Hindenburg und Ludendorff hatten noch 1917 die Friedensresolution der Mehrheitsparteien im Reichstag - unter anderen Zentrum und SPD - zurückgewiesen. Nachdem jedoch die letzte Offensive des deutschen Heeres an der Westfront im Sommer 1918 gescheitert und die letzten Reserven verbraucht waren, forderte Ludendorff vom Kaiser und vom Reichskanzler Georg von Hertling am 29. September die sofortige Abgabe eines Waffenstillstandsgesuchs an die Alliierten, da er die Aufrechterhaltung der Front nicht mehr gewährleisten könne. Um günstigere Friedensbedingungen zu erlangen, empfahl Ludendorff zugleich, eine der zentralen Forderungen des 14-Punkte-Programms des US-Präsidenten Woodrow Wilson zu erfüllen und dem Reich eine parlamentarische Staatsform zu geben. Der Kaiser ernannte daraufhin den als liberal geltenden Prinzen Max von Baden am 3. Oktober zum Reichskanzler, der einen Tag später das von Ludendorff ultimativ geforderte Waffenstillstandsangebot abgab. Eine Verfassungsänderung vom 28. Oktober band den Kanzler und die Reichsminister an das Vertrauen der Mehrheit des Reichstages und übertrug den Oberbefehl über die Streitkräfte vom Kaiser auf die Reichsregierung. Damit war das Deutsche Reich von einer konstitutionellen zu einer parlamentarischen Monarchie geworden.Störmanöver Ludendorffs und der Marineleitung
Verlauf der Revolution
Der Beschluss der Marineleitung löste zunächst eine Meuterei unter den betroffenen Matrosen und dann eine allgemeine Revolution aus, die in wenigen Tagen die Monarchie in Deutschland beseitigte.Der Matrosenaufstand
Am 29. Oktober meuterten in Wilhelmshaven die Besatzungen einiger zum Auslaufen bestimmter Schiffe der deutschen Hochseeflotte, weil sie sich nicht in letzter Minute "verheizen" lassen wollten. Die betroffenen Schiffe wurden daraufhin nach Kiel verlegt, wo der Versuch, die Matrosen zu disziplinieren, und die Verhaftung ihrer Anführer am 3. November zum bewaffneten Aufstand auch der bisher unbeteiligten Matrosen führte. Am 4. November bildeten sie in Kiel den ersten Arbeiter- und Soldatenrat. An dessen Spitze ließ sich der SPD-Reichstagsabgeordnete Gustav Noske wählen, um die Fäden in der Hand zu behalten. Die Revolution erfasst ganz Deutschland
Abordnungen der revolutionären Matrosen schwärmten in alle größeren deutschen Städte aus, und schon am 7. November hatte die Revolution Hannover, Braunschweig und Frankfurt am Main erfasst. Am selben Tag zwang ein Arbeiter- und Soldatenrat in München den letzten bayerischen König Ludwig III zum Thronverzicht. Auch in den übrigen deutschen Staaten dankten in den nächsten Tagen alle Monarchen ab, zuletzt Günther von Schwarzburg-Rudolstadt am 23. November.Der 9. November 1918
Übergang zur Republik
Historische Einordnung
Literatur
Weblinks