Deutsches Reich
Das Deutsche Reich wurde am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles gegründet, als unter Federführung von Bismarck der preußische König Wilhelm I (1797–1888) zum Deutschen Kaiser ausgerufen wurde. Am 16. April 1871 trat die Verfassung des Deutschen Reiches in Kraft. Schon kurz nach der Reichsgründung erfolgte ein Wirtschaftsaufschwung, die so genannten Gründerjahre. Danach schloss sich eine wirtschaftliche Depression an, die Gründerkrise.
Bis zur Abdankung des Kaisers Wilhelm II im Jahr 1918 war das Deutsche Reich eine konstitutionelle Monarchie; erst kurz vor Ende des Kaiserreiches wurde es im Oktober 1918 zur parlamentarischen Monarchie. Deshalb wurde es umgangssprachlich auch Kaiserreich genannt. Als Mangel wurde seinerzeit von vielen angesehen, dass Österreich nicht Bestandteil des Reiches wurde. Das Reich wurde deshalb auch kleindeutsch genannt. Das Deutsche Kaiserreich mit der Reichshauptstadt Berlin war ein aus verschiedenen deutschen Staaten ohne Österreich bestehender Bundesstaat; die einzelnen Staaten schickten ihre Vertreter in den Bundesrat, während der Reichstag von der männlichen Bevölkerung direkt mit einem absoluten Mehrheitswahlrecht gewählt wurde. Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte war der deutsche Kaiser, der gleichzeitig König von Preußen war.
Nach der Revolution 1918 wurde eine republikanische Verfassung mit einem gewählten Präsidenten – Friedrich Ebert, seit 1919 – als Staatsoberhaupt in Kraft gesetzt. Nach dem Ort der Verfassungsgebung wird diese Phase des Deutschen Reiches meist Weimarer Republik genannt. (Bei den Friedensverhandlungen mußten Teile des Art. 64 außer Kraft gesetzt werden, die den Beitritt Deutschösterreichs regeln sollten.)
Die Weimarer Verfassung wurde nie aufgehoben und galt formal auch in der Zeit des Nationalsozialismus weiter. Bestimmte Teile der Weimarer Verfassung sind auch vom Grundgesetz (Art. 140) ausdrücklich übernommen worden. Gleichwohl wird als Weimarer Republik nur die Phase zwischen 1918 und der nationalsozialistischen "Machtergreifung" 1933 bezeichnet. Das Dritte Reich ist formalrechtlich kein legaler Staat, da die Weimarer Verfassung weiter galt (sie wurde ja nicht de jure außer Kraft gesetzt). Es ist die übliche Bezeichnung der Phase seit der Machtergreifung Adolf Hitlers 1933 bis zum Kriegsende 1945. Am 23. Mai 1945 wurde die deutsche Reichsregierung unter Karl Dönitz in Flensburg abgesetzt und verhaftet. Die Diktatur Hitlers sollte formal dadurch bestätigt werden, dass der Reichstag alle vier Jahre zusammentrat, um das jeweils für vier Jahre geltende Ermächtigungsgesetz zu erneuern.
Zu diesem Zweck fanden auch in der Diktatur nach 1933 im Deutschen Reich Wahlen statt, zu denen allerdings außer der NSDAP keine weitere Partei zugelassen war. Das Dritte Reich ging de facto durch Debellation unter, de jure existierte es auch unter alliierter Besatzungsherrschaft weiter. Nach der Gründung der beiden deutschen Staaten (BRD und DDR) stellte das Bundesverfassungsgericht 1973 (Aktenzeichen 2 BvF 1/73) fest:
- Es wird daran festgehalten (zum Beispiel BVerfG, 1956-08-17, 1 BvB 2/51, BVerfGE 5, 85 <126>), daß das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch die Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die Alliierten noch später untergegangen ist; es besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation nicht handlungsfähig. Die BRD ist nicht 'Rechtsnachfolger' des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat "Deutsches Reich", – in bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings 'teilidentisch'.
Rechtsnormen aus der Zeit des Deutschen Reiches gelten fort, soweit sie nicht im Widerspruch zum Grundgesetz stehen bzw. sie nicht geändert (Tierseuchengesetz) oder aufgehoben (Strafbarkeit der Homosexualität) wurden oder werden.
Siehe auch: Bundesstaaten des Deutschen Reichs, Römisches Reich, Heiliges Römisches Reich deutscher Nation
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