Geschichte des 1. Göktürken-Reiches
Im Jahr 552 erschien nun das von den Chinesen als "T'u-chueh" bezeichnete Turkvolk in den chinesischen Analen. Diese waren ursprünglich in Ost-Turkestan und dem Altai ansässig und übernahmen die Tradition und verwaltungstechnische Erfahrung ihrer Vorgänger. Stammesmäßig waren sie den Oghusen zu zurechnen. Sie selbst sahen sich als legitime Nachfolger der Turuken und Turkuten– auch sie sahen sich demnach in der Tradition der alten Hunnen stehend.Sie gründeten unter dem Heerführer Tumen Khan ein Reich, daß seinem Umfang nach dem das der Hunnen entsprach. Tumen enstammte dem "Tukyu-Klan", der mit dem "Aschina-Klan" verwandt war. 546 wurden die Stämme der Tölös von den ihm gewaltsam unterworfen.
Sein Reich der Göktürken bestand nun von 552 bis 745 als Verbindung nomadischer Stämme. Seine Hauptstadt lag am Ötüken-Gebirge, in der Nähe der Onon-Quelle. Dort lagerte der Khagan an einem Ort, der den Göktürken als "Ordu Balyk" und den Mongolen später als "Karakorum" bekannt war. Das Göktürkenreich wurde sowohl vom Buddhismus als auch vom Manichäismus und von der Assyrischen Kirche missioniert, blieb aber stark vom Schamanismus geprägt. Diese Türken verfügten bereits über eine (Runen-)Schrift.
Der Turkutenführer Tumen († 552) nannte sich nach 546 "Bumin Ilkhan", nahm 551 den "Khagan"-Titel an und besiegte 552 den letzten bedeutenden Rouran-Herrscher Anakai (reg. 520-52). Auf der anschließenden Kuriltai wurde Tumen als Oberhaupt der vereinigten turko-mongolischen Stämme anerkannt. Diese vereinigten 9 Stämme nahmen nun die Sammelbezeichnung "Dokuz-Oghusen" an und wurden zum "Staatsvolk" des neuen Steppenreiches.
Die Nachfolger Anakais, Tieh-Fa (reg. 552-53, Teng-Chu (553), K'u-Ti (553) und Yen-Lo-Ch'en (553-57), versuchten zwar noch, ihre Unabhängigkeit zu wahren. Doch schließlich kamen sie unter den Einfluß der Osttürken.
Nach dem plötzlichen Tode Bumins (er wurde auf Geheiß Istämis ermodert) wurde das Gesamtreich 552 formal in zwei Hälften geteilt, dem einmal der Bruder Bumins, Istämi Shad († 576), und der jüngere Sohn Sekin Shad als gleichberechtigte Fürsten, vorstanden. Dabei wurde der älteste Sohn Bumins, Kelo oder auch Ko'lo als "Qara-Issyk Khagan", auf einem Kuriltai von den beiden als Herrscher eingesetzt. Doch Qara-Issyk diente den beiden Schads nur als "Schattenherrscher", die wahre Macht lag bei Istämi und Sekin. Istämi herrschte vor allem über die Stämme des Westens. Die als "Oghusen" bezeichneten Stämme siedelten damals noch in der östlichen Hälfte des Reiches und unterstanden vor allem Sekin. Istämi ermordete noch 552 seinen Neffen Qara-Issyk und nahm nun selbst den Titel eines Khan an.
Die Chinesen erkannten nun ihrerseits die Zerrissenheit der türkischen Stämme und begannen, diese gegeneinander auszuspielen. Sekin machte sich 553 als "Kushu Muqan-Khagan" zum Herrscher, unterwarf um 560 die Kitan und richtete die Augen auf China.
Im Interesse des Krieges gegen die Hephthaliten Mittelasiens suchten die Stämme Istämis den Anschluß an das sassanidische Persien. Vor allem die Völkerstämme des Westens (Oguren mit einer oghusischen Oberschicht) nahmen nun den Namen "Göktürken" an. Sie begannen 557 den Kampf gegen die Hephthaliten, deren geschlagene Reste brachen wahrscheinlich als "Awaren" in Europa ein.
Um 563 waren die Hephthaliten besiegt, Istämi machte nun auch seinen Machtbereich vom göktürkischen Gesamtreich unabhängig, in dem er erst den selbständigen Titel eines "Syr-yabgu" und später den "Khagan"-Titel annahm. Er begründete nun jene Stammesföderation, die als "Otuz-Oghusen" bekannt ist.
Erste Kontakte mit Osteuropa nahmen die Westtürken um 563 auf: Unter der Führung eines gewissen Axije Khan kam eine Gesandtschaft an den Hof des byzantinischen Kaisers erschien, um diesen von seinem Bündnis mit dem persischen Königshaus der Sassaniden abzubringen.
Ein Sohn Istämis, Bokhan Shad, brach vermutlich noch im Todesjahr seines Vaters (576/77) ebenfalls nach Byzanz auf, wo er am Hofe des Kaisers als "Turk Shad" erschien. Damit trat das "Reich der Westtürken" erstmals in das Blickfeld der Europäer. Dieser herrschte über eines der acht Khaganate, in der das Westreich damals geteilt war. Es ist zu vermuten, das dieses das Khaganat der Tarduschen war, in dem dessen älterer Bruder Qara-Churin als Khan herrschte. (Nach diversen anderen Quellen werden auch die Tölös genannt.) Bokhan suchte vorher den Schulterschluß mit dem Utriguren-Herrscher Anagai Khan, der damit zum Vasall des Westtürken-Herrschers wurde.
Istämis Sohn Qara-Churin Turk Bogiu Shad regierte in der Zeit von 576 bis 603 über das gesamte Westreich. Dort nahm er den Namen "Qara-Churin Turk Tardush Khan" an, den die westliche Welt in den Namen "Tardu" verschliff. Nach dem Tode seines Vetters Muqan (572) unterstützte er dessen jüngeren Bruder Arslan Tobo-Khan (dem "Taspar" des Westens) als Herrscher über das "Reich der Osttürken".
Dabei schlug er aus dem Niedergang des Tabgatschen-Reiches Kapital, das inzwischen in zwei miteinander verfeindete Blöcke zerfallen war: Die Dynastie der Nördlichen Qi herrschte 550-70 im Osten des einstigen "Wei-Reiches", während die Dynastie der Nördlichen Zhou (557-80) den Westen des alten Wei-Reiches innehatte. Tardu und Taspar, die Herrscher der Otuz- und "Sekiz-Oghusen, spielten gemeinschaftlich beide Seiten in ihrem Sinne gegeneinander aus, so daß die Tabgatschen als ihre Vasallen erschienen.
Die Osttürken waren nun auf dem Wege, eine bedeutende Macht aufzubauen als sich ihre Fürsten Taspar, Tardu und der spätere Abo Khagan wegen der Erbfragen und der Förderung des Buddhismus durch Taspar entzweiten.
581 verstarb Taspar unerwartet und im Reich der Osttürken brachen blutige Nachfolgekriege aus, die die chinesische Diplomatie kräftig schürte. Der Osttürke Shetu Baga Yshbara (reg. 581-87) sagte sich endgültig 584 vom Gesamtreich los und das Reich der Göktürken zerfiel nun in zwei verfeindete Teilstaaten, die von der chinesischen Sui-Dynastie Chinas gegeneinander ausgespielt wurden. Yshbara herrschte nur formal über die östlichen Göktürken, da er mit Abo Khagan einen "Schattenherrscher" eingesetzt hatte. Abo suchte nun auch seinerseits den engen Schulterschluß mit der chinesischen Sui-Dynastie und wollte Yshbara absetzen lassen.
Darauf hin zog Yshbara gegen Abo in den Krieg und tötete dessen Mutter; Abo floh darauf hin zu Tardu und dessen Westtürken. Ein wenig später konnten sich Abos engste Freunde und Verbündete sich in den Machtbereich Tardus retten, nachdem Yshbara begonnen hatte, alle möglichen Rivalen um die Macht auszuschalten bzw. zu ermorden. Diese Flüchtlinge waren: Tanhan Khagan und dessen Onkel Diqin Shad.
Gegen 583 zogen Tardu und Apo nun mit 100.000 Mann und in Zusammenarbeit mit den Kitan gegen Yshbara. Dieser ersuchte nun offiziell die Sui-Chinesen um Waffenhilfe, die ihm aber nur formal erteilt wurde; die Sui-Herrscher wollten sicher sein, daß sie "auf das richtige Pferd" setzten, zumal Yshbara erst 585 den Lehnseid des chinesischen Kaisers angenommen und zu dessen Vasall aufgestiegen war.
Mangels Erfolgs wandte sich Abo nun gegen Tardu und setzte ihn ab. Tardu mußte zu den Sui fliehen. Dort blieb er bis Yshbaras Bruder und Nachfolger Chulo (587-588) Apo tötete und er zurückkehren konnte. Da Chulo kurze Zeit später starb und mit Dulan-Khan und Zhangar Kimin-Khan zwei konkurrierende Herrscher hinterließ wurde Tardu wieder zum maßgeblichen Mann im Türkenreich.
In der Zeit zwischen 590 bis 603 hatte Tardu die meisten Stämme der Göktürken in seinem Reich vereint, so daß das Gesamtreich wiederhergestellt schien. Seinen Erfolg konnte nicht einmal die Niederlage seines Sohnes Shaba mindern, der bei Herat von den Sassaniden geschlagen wurde. Ironischerweise wird eben dieser Shaba in späteren muslimischen Schriften als "der größte Herrscher der Türken" verherrlicht.
Nun riefen 603 die Sui-Herrscher die östlichen Stämme der Göktürken auf, gegen Tardu vorzugehen und die zeitgenössischen Quellen der Chinesen zählten dabei 7 Stämme namentlich auf. Tardu zog sich geschlagen zu den Tuyuhun ins tibetische Bergland zurück, wo sich seine Spur verliert. (Die Tuyuhun waren ein kleines erfolgreiches proto-mongolisches Mischvolk, das vermutlich aus der Vermischung der Xianbi mit Tibeter entstanden war und das eine leichte turukisch-hunnischee Oberschicht aufwies.) Die Nachfolge Tadus versuchte der damalige Nominalherrscher der Osttürken, Zhangar Kimin-Khan (reg. 597-609, der "Tuli Khan" westlicher Geschichtsbücher), anzutreten.
Die Niederlage Tardus brachte eine Schwächung des Ostreiches mit sich. Deren Herrscher wurden die Brüder Dugi Shibir-Khan (reg. 608-19) und Chulo (619-20), der "Shih-pi" der chinesischen Geschichtsschreibung. Sie waren die Söhne Tuli Khans. Bis 618 mußten sie sich noch als Vasallen der Sui ansehen, dann unterstützten sie aktiv den Sturz dieser Dynastie.
Mit dem Beginn der T'ang-Dynastie (618) wurde der Einfluß Chinas auf das Osttürken-Reich wieder verstärkt.
(Der einstige chinesische General Li Yuan und nachmalige Kaiser T'ang war selbst halbtürkischer Herkunft und viele seiner erfolgreichsten Heerführer waren Türken. Unter der von ihm gegründeten Dynastie sollte schließlich das 1. Göktürkenreich endgültig zerfallen.)
Shih-pis Bruder, Kat Ilkhan Tugbir (reg. 620-30), er war auch "Xieli Khagan" bekannt, fiel zwar immer wieder in die chinesischen Nordgebiete ein, war aber ansonsten ein machtloser Herrscher. Schließlich suchten sich die T'ang-Herrscher Verbündete aus dem alten Aschina-Klan. Sie förderten einen General der Schwarzen Türgesch um dessen Streben nach einem eigenen Herrschaftsgebiet und dieser sollte als "Türgesh-Khan" dem Osttürken-Reich schließlich den Todesstoß geben. Dieser fiel immer wieder ins Herrschaftsgebiet Xielis ein und fügte diesem mehrere empfindliche Niederlagen zu. Schließlich kam es im Bereich der Osttürken zur Rebellion und Xieli wurde 630 abgesetzt. Xieli selbst geriet in chinesische Gefangenschaft, wo er auch 634 verstarb.
Der Ostteil des einstigen Reiches wurde chinesische Provinz (ranghohe Würdenträger der alten Aschina-Dynastie traten verstärkt in chinesische Dienste und trugen nun chinesische Namen) und der Westteil geriet immer mehr ins Wanken... damit ging das erste Göktürkenreich unter chinesisch-türkischen Militärschlägen unter.Aufteilung des 1. Göktürken-Reich
Untergang des Ostreiches