Genossenschaft
Eine Genossenschaft kann betriebswirtschaftlich als eine "Fördernde Betriebswirtschaft" (Reinhold Henzler) beschrieben werden. Soziologisch gesehen, ist sie ein in Deutschland bereits im Mittelalter entwickelte, mit Ferdinand Tönnies vorwiegend "gemeinschaftlicher" Zusammenschluss (oft in Vereinzelung sozial, wirtschaftlich und politisch Schwacher) für einen gemeinsamen Zweck, etwa als "Einung", um den Genossenschaftern ein angemessenes Begräbnis zu ermöglichen (Beerdigungsgenossenschaft), oder, um einen Deich zu erhalten (Deichgenossenschaft). In beiderlei Sinn sind sie in allen Gesellschaften anzutreffen, und auch, wo sie bekämpft werden (in manchen Diktaturen mit Tendenz zur Zentralverwaltungswirtschaft), finden sich inoffizielle genossenschaftsähnliche Formen. Historisch gesehen, haben bereits im Altertum politisch verfasste Gemeinden (Poleis), Religionsgemeinschaften oder Stämme genossenschaftliche Züge gehabt; und sie entstehen als Bündnisse der Not immer wieder neu.Im 19. Jahrhundert nahmen die die Genossenschaften in der Genossenschaftsbewegung einen neuzeitlich geprägten Aufschwung, mit nunmehr stärker zweckrationalem Ansatz, (mit Tönnies abermals:) mit mehr "gesellschaftlichen" Zügen. Hier entstand auch das moderne privatrechtlich ausgestaltete Genossenschaftsrecht.
Die eingetragene Genossenschaft (e. G.) ist eine Gesellschaftsform zwischen der Personengesellschaft und der Kapitalgesellschaft. Sie ist eine Sonderform des Vereins, und zwar ein wirtschaftlicher Verein. Als solcher ist sie eine juristische Person, also selbst Rechtsträger, der klagen und verklagt werden kann. Im Gegensatz zu einem eingetragenen Verein (e. V.) ist ihr Zweck immer die wirtschaftliche Förderung ihrer Mitglieder, genau das ist dem Verein nicht erlaubt.
Eine e. G. besteht aus mindestens sieben Mitgliedern, verfügt über eine beim zuständigen Register- oder Amtsgericht eingetragene Satzung und ist Mitglied in einem Prüfungsverband. Die Haftung der e. G. kann in der Satzung auf ihr Kapital beschränkt sein, die Satzung kann aber auch bestimmen, dass im Falle einer Insolvenz gewisse Nachschusspflichten der Mitglieder bestehen.
Die Organe der e. G. sind mindestens der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Generalversammlung. Die Rechtsgrundlage für Genossenschaften ist das Genossenschaftsgesetz.
Gerade für Dienstleistungsunternehmen, wie auch für Entwicklungen im Open Source Umfeld ist die e.G. eine ideale Gesellschaftsform, wenn auch leider wenig bekannt. Auch DENIC, die zentrale Stelle für die Vergabe von Domainnamen im Bereich .de ist eine Genossenschaft.
In den Wirtschaftswissenschaften werden Genossenschaften gegenwärtig (2004) unter neoliberalem Einfluss als hybride Organisationsformen zwischen Markt und Hierarchie angesehen. Traditionell wird zwischen Produktionsgenossenschaften und Konsumgenossenschaften unterschieden. Beider Zusammenfassung, die Produktivgenossenschaft, ist als "Kibbuz" bei der Begründung des modernen Israel bedeutsam geworden.
Daneben gibt es auch die Begriff Einkaufsgenossenschaften und Umweltgenossenschaften.
Theelacht: Die wohl älteste und heute noch blühende Genossenschaft ist die Theelacht in Norden (Niedersachsen). Sie wurde gegen Ende des 9. Jahrhunderts gegründet und verwaltet Marschenländereien im nördlichen und östlichen Norderland als Gemeinschaftsland.
Konsumgenossenschaften: Seit 1848 werden in Großbritannien Konsumgenossenschaften nach den Ideen von Robert Owen (1771-1858) zum Erzielen niedriger Preise durch Ausschaltung des Zwischenhandels gegründet. In Deutschland anfangs nur zögerliche Verbreitung, da der Arbeiterführer Ferdinand Lassalle die Lösung der Arbeiterfrage durch Produktionsgenossenschaften erwartet. Danach aber werden sie bis zum Ersten Weltkrieg eine der vier Hauptsäulen der Arbeiterbewegung (neben der SPD, den Gewerkschaften und der Arbeiter-Bildungsbewegung).
Gewerbliche Genossenschaften: Der Liberale Hermann Schulze-Delitzsch (1808-1893) gründet Einkaufs-, Verkaufs- und Vorschussvereine für Handwerker, dann auch für Einzelhändler.
Bäuerliche Genossenschaften: Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888) regt Spar- und Darlehenskassen zur Finanzierung von Saatgut und Maschinen an.
Beide werden anfangs von Lassalle bekämpft. Vor allem die Ideen Raiffeisens hatten jedoch Auswirkungen auch auf das europäische Ausland, aber auch auf die 'Dritte Welt' (China). In der DDR wurden sie in Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPGs) umgewandelt.
Wohnungsbaugenossenschaften: Hier war der Vorkämpfer im 19. Jahrhundert Victor Aimé Huber. Aufgrund des hohen Kapitalbedarfs der Wohnungsbaugenossenschaften erfuhren diese erst durch die Einführung des Genossenschaftsgesetzes 1889 und andere staatliche Fördermaßnahmen zur Finanzierung einen massiven Aufschwung.
Phalanstères: Die Phalanstères sind von Charles Fourier (Frankreich, 1772-1837) propagierte landwirtschaftliche und industrielle Produktionsgenossenschaften, in denen jeweils etwa 2.000 bis 3.000 Menschen gemeinsam leben, lieben, arbeiten und konsumieren sollten.
Nationalwerkstätten: Der französische Arbeitsminister Louis Blanc verkündetet während der Februarrevolution 1848 das Recht auf Arbeit und gründet Nationalwerkstätten zur Arbeitslosenversorgung. Die ateliers nationaux scheiterten an dem zu hohen Bedarf öffentlicher Mittel (Arbeitslosenunterstützung).
Grameen Bank: Die Grameen Bank wurde vom Wissenschaftler Yunus in Bangladesch als "Bank für die Armen" gegründet, ähnelt aber in ihrer Form unseren Genossenschaften.
Genossenschaftsrecht
Genossenschaften in den Wirtschaftswissenschaften
Geschichte des Genossenschaftswesens
Siehe auch:
Genosse, GenossenschaftsbewegungWeblinks