Totholz
Unter Totholz (Altholz; Moderholz; Biotopholz; Schlagabraum) versteht man einzelne tote Zweige, Äste, Baumstümpfe, abgestorbene, stehende (stehendes Totholz) oder umgefallene Bäume im Wasser oder auf dem Boden und bei der Holzernte nicht genutzte Stämme und deren Teile (liegendes Totholz).
Totholz entsteht auf natürliche Weise in Waldbiotopen und Gehölzbiotopen (Wald, Hecken): Alterung, Waldbrand, Windwurf, Blitzschlag, durch Insektenplagen und andere Umwelteinflüsse wie schwankende Grundwasserstände etc. (vgl.: Mosaik-Zyklus-Konzept und Sukzession). Auch die Bewirtschaftung (z.B. Schneitelwirtschaft) und Nutzung von Korbweiden zur Herstellung von Flechtwerk begünstigt die Entstehung von Totholz. Darüber hinaus gibt es auch Totholzhaufen, die von Menschen zusammengetragen wurden, z.B. am Rande von landwirtschaftlichen Flächen als nicht mehr benötigter Baumschnitt und durch aufsammeln und aufschichten herumliegender Äste.
Vor allem durch die Intensivierung der Forstwirtschaft, der Wandel der Wirtschaftsformen (Nachfrage nach schnellwachsendem Starkholz), der Wandel der Landwirtschaft (Beseitigung von Hecken und Knicks) sowie die Intensivierung von "Baumpflege" in besiedelten Bereichen (Straßen-, Park- und Gartenbäume) ist Totholz selten geworden. Stehendes wie liegendes Totholz ist daher in vielen Bundesländern Deutschlands ein "gesetzlich geschütztes Biotop" (Grundlage § 30 Bundesnaturschutzgesetz), in dem nach Maßgabe der Landesnaturschutzgesetze Zerstörungen oder Beeinträchtigungen verboten sein können.
Lebensraum Totholz
Vorkommen, Entstehung, Formen
In vom Menschen wenig beeinflussten Wäldern findet sich Totholz in den unterschiedlichsten
Ausprägungen. Von brüchigen Stellen an Bäumen über faulende Astlöcher bis zu am Boden
liegenden Stämmen und Ästen mit aufragendem Wurzelteller erscheint das Totholz in immer wieder neuen Formen. Jeder dieser Totholztypen ist noch zusätzlich charakterisiert durch Faktoren wie
Zersetzungsgrad, Feuchtigkeitsgehalt oder Art des Bewuchses. Es ist die Formenvielfalt, die
diesen Lebensraum so bedeutend macht, und so bildet Totholz die Lebensgrundlage für eine zum
Teil noch unbekannte Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten sowie für zahlreiche
Mikroorganismen.
Fehlt Totholz im Waldökosystem, ist die Erhaltung der Biodiversität nicht gewährleistet. Für Totholz, früher überall und in Massen vorhanden, gibt es heute keine Ersatzlebensräume mehr. Neben den in Mitteleuropa nicht mehr vorhandenen Urwäldern kommt Totholz häufiger in extensiv bewirtschafteten Forsten vor, wie z.B. im Plenterwald und im Auwald. Monokulturen weisen dagegen kaum Totholz auf, da wegen des hohen Schädlingsdruckes (Borkenkäfer) und wegen der Waldbrandgefahr Totholz abgeräumt wird oder gar nicht erst entsteht.
Viele Tiere und Pflanzen, die auf Altholz angewiesen sind, stehen daher auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Diese Arten sind in ihrer Lebensweise hochgradig auf Zerfalls- und Zersetzungsphasen von Holz angewiesen. Pilze, Flechten, Moose, Farne und viele Insektenarten, wie z. B. Ameisen, Hautflügler und Schmetterlinge finden hier ihre Habitatnische. Der überwiegende Teil unserer 1000 Wespen- und Bienenarten ist auf Alt- und Totholzstrukturen angewiesen (s.a. Hautflügler).
Stirbt ein Baum, so zieht binnen Kurzem neues Leben in ihn ein. Totholz enthält eine Vielzahl von Organismen, die sich im Laufe der Evolution an diese Lebensstätte angepaßt haben. Viele im Totholz lebende Organismen haben sich in ihren ökologischen Ansprüchen spezialisiert. Dies führt dazu, dass jeder Totholztyp (ob liegend oder stehend, Stamm- oder Kronenholz, Holzart), mit seiner eigenen Flora und Fauna assoziiert ist (Lebensgemeinschaften in der Rinde, im Holz, im Baummulm, in Baumhöhlen und in Sonderstrukturen wie Saftflüsse, Ameisennester oder Brandstellen ).
Käfer im Totholz
Die Bedeutung des Artenschutzes ist besonders gut bei den Käfern zu belegen. So leben zirka
25 Prozent aller in der Bundesrepublik Deutschland vorkommenden Käferarten am Holz verschiedener
Zerfallsstadien. Die Gruppe der xylobionten Käfer weist in der Bundesrepublik (alte
Bundesländer) einen sehr hohen Anteil bedrohter Arten auf. Dieser Umstand ist wohl auf allzu
sorgfältiges Entfernen von Alt- oder Totholz aus den Wäldern zurückzuführen. Viele Totholzkäfer
zeigen einen ausgesprochen hohen Spezialisierungsgrad hinsichtlich der Habitatansprüche. Neben den
Rinden-, Holz- und Holzpilzfressern zählen zu den xylobionten Käfern auch einige räuberische Arten,
sowie an Holzstrukturen gebundene Abfallfresser, die in den verlassenen Fraßgängen anderer
Insekten leben. Larven von Hirsch-, Pracht-,
Nashorn- und Moschusbockkäfern dient totes Holz zum Beispiel als
Entwicklungsraum, räuberisch lebende Buntkäfer gehen hier auf die Jagd und Marienkäfer
nutzen es als Überwinterungsquartier. Der Große Eichenbock, eine
Bockkäferart, der in den einzelnen Entwicklungsabschnitten auf unterschiedliche
Zersetzungsphasen des Holzes angewiesen ist, benötigt sieben Jahre für seine verschiedenen
Entwicklungsstadien.
Stehendes Totholz und Totholzhaufen außerhalb des Waldes bieten thermophilen (wärmeliebenden) und heliophilen (sonneliebenden) Tier- und Pflanzenarten besondere Lebensräume. Z.B. Eidechsen sonnen sich bevorzugt an solchen trockenen und warmen Stellen; Holzwespen sind auf trockene Althölzer angewiesen. Stark vermodertes Totholz bietet durch die klimatischen Eigenschaften Erdkröten Überwinterungsmöglichkeiten.
In einigen Landschaften wurden Hecken und Knicks planmäßig mit Totholz angereichert, um deren Windschutz zur Erosionsverminderung oder zur Verbesserung ungünstiger (Küsten-)Klimate zu verbessern.
Aber auch nicht mehr zu verwertendes Totholz durch Windwurf wird meist schnelltsmöglich entfernt, um die Ausbreitung von Schädlingen, v.a. der Borkenkäfer, in Monokulturen zu verhindern. Einige eingeschleppte invasive Tierarten (Neozoen) können so agressiv sein, dass die Forstbehörden Kahlschläge mit anschliessendem verbrennen des Holzes anordnen (z.B. Schweiz und Österreich).
Dem gegenüber steht die Erkenntnis, das Totholz im Kreislauf des Waldes unerlässlich ist und auch Nützlingen Lebensraum bietet. Auch mit zunehmenden Druck aus den Reihen des Naturschutzes und vor dem Hintergrund fallender Holzpreise (auch durch Importe aus Urwäldern und Regenwäldern), wird der naturnahe Waldbau angestrebt. Hier werden "Nullparzellen" toleriert und der Umbau der Waldgesellschaften zur potenziellen natürlichen Vegetation (naturnahe Artenzusammensetzung) angestrebt.
Auf den nicht bewirtschafteten Nullparzellen verbleiben absterbende Bäume. An vielen Standorten Mitteleuropas ist die potenzielle natürliche Vegetation ein Mischwald mit vorwiegend Laubhölzern wie Rotbuche und Stieleiche. Unterstützt mit naturnahen Waldbewirtschaftungsformen, wie z.B. dem Plentern, entsteht mit vitalem Jungwuchs (Strauchschicht) eine Waldzusammensetzung, die die massenhafte Ausbreitung von Schädlingen bremst. Der Konflikt mit dem Totholz kann so teilwiese entschärft werden.
Totholz ist an unseren Gewässern selten geworden. Aufgrund massiver gutgemeinter wasserbaulicher
Eingriffe, sind heute ein Großteil der Gewässer in ihrer ökologischen Funktionsfähigkeit stark
beeinträchtigt. Abgeschwemmtes Totholz kann bei Hochwasser zu Verklausungen (Verkeilung des
Treibguts) von Brücken und Durchlässen führen, in deren Folge es zu katastrophalen
Überschwemmungen kommen kann. Deshalb wird das angeschwemmte Totholz aus den Bächen und Flüssen
möglichst rasch entfernt. Andererseits ist Totholz ein wichtiges Element auch in den
Ökosystemen der Gewässer. Totholz ist Lebensraum für verschiedene Arten im und am Gewässer. Eine
permanente Entfernung von Totholz, wie sie an unseren Gewässern gewöhnlich erfolgt, bedeutet, dass
diese Arten extrem selten werden oder ganz aussterben. Natürliche Gewässer haben einen hohen Anteil
an Totholz, das zu einer großen biologischen Vielfalt beiträgt. Der
Bewuchs des Ufers und der Inseln reichert den Fluß mit Totholz an. Diese Bäume oder auch
Sträucher sind ökologisch gesehen wichtige Unterstände für viele Fischarten und Sitzwarten für
viele Vögel und etwa 60 Käferarten vermehren sich nur dann, wenn sie ihre Eier in Totholz
ablegen, dass einmal im Wasser lag.
Baumstämme erhöhen die Fließwiderstände und dienen zur Zeit erhöhten Abflusses
als Sedimentfalle. In ihrem Strömungsschatten lagert sich Kies oder Feinsediment ab,
was zur Verminderung der Tiefenerosion führt. Quer zur Laufrichtung liegendes Totholz dient
häufig als Keimzelle für die Entstehung besonderer Uferstrukturen, insbesondere von
Schlamm-, Sand – und Kiesbänken. Durch Laufverlagerungen entstehen außerdem Uferabbrüche und
Steilufer.
Als natürlicher Baustoff kann Totholz auch als Baumaterial zur Ufersicherung, gegen Erosion der
Gewässersohle etc. im naturnahen Wasserbau eingesetzt werden.
Reptilien, Vögel und Säugetiere im Totholz
Von den Insektenlarven im Holz ernähren sich die Spechte und andere heimische Vögel . Der Specht
zimmert auch gerne für sein Nest Höhlen ins morsche Holz . Diese Baumhöhlen nutzen viele andere
Tiere als Nistplatz , Sommer – oder Winterquartier , wie Bilche , Fledermäuse , Vögel und Insekten.
Amphibien suchen liegende Bäume als Tagesversteck oder zum Überwintern. Liegendes Totholz stellt für
Kleinsäuger ein wesentliches Strukturelement am Waldboden dar. Es bietet Deckung und Schutz,
liegende Stämme sind bevorzugte Wechsel, Höhlungen dienen als Verstecke und Nahrungsdepots,
Totholzinsekten sind eine bedeutende Eiweißquelle und Pilze bereichern den Speiseplan. Pilze im Totholz
Die Baumart verliert mit zunehmendem Alter des Totholzes an Bedeutung, und die Milieubedingungen wie
Feuchtigkeit, Wärme und Zersetzungsgrad werden wichtiger. So werden die Baumkörper über Jahre hinweg
von Bakterien, Käfern und Pilzen wie Zunderschwamm und Hallimasch zersetzt. Der
entstehende Humus bedeutet Nährboden für unzählige Pflanzen. Totholz bildet also auch ein
Keimbett für viele junge Bäumchen und seine Masse und Verteilung bestimmen in hohem Maße die nach
dem natürlichen Zerfall neu entstehenden Bestandes- und Waldstrukturen. Totholz im Stoffkreislauf
Verrottet ein am Boden liegender Baumstamm, werden die im Holz gespeicherten Nährstoffe mit
fortschreitender Zersetzung langsam freigegeben, was zu einer Düngung bzw.
Mineralisation der Nährstoffe führt (Humifizierung). Den größten Beitrag zu diesem Prozess
liefern die holzabbauenden Pilze, denn allein diese Organismengruppe kann die schwer abbaubaren
Holzstoffe (Lignin, Cellulose) effektiv zur eigenen Energiegewinnung nutzen. Ein mit
Pilzmyzelien durchsetzter Baumstamm hat einen um das 1.5-fache erhöhten Wasser- und
Stickstoffgehalt, wobei die meisten Stickstoffverbindungen aus Tierexkrementen und
-kadavernn stammen. Die Ausscheidungen der Pilze enthalten Zucker, Stärke
und Proteine, die wiederum von weiteren Mikroorganismen genutzt werden Mikroklimatische Besonderheiten von Totholz
Am Boden liegendes Totholz wirkt ausgleichend auf das Mikroklima: Einerseits führt die dunkle
Oberfläche sowie die geringe Wärmeleitfähigkeit von Holz dazu, dass Totholz gegenüber der
Umgebung zu bestimmten Zeiten eine erhöhte Temperatur aufweist. Andererseits kann Totholz seine
unmittelbare Umgebung auch vor Überhitzung schützen, da es infolge des erhöhten Wassergehaltes
Temperaturschwankungen auszugleichen vermag. Letzteres ist auch der Grund dafür, dass in der
Nähe von liegendem Totholz der Boden weniger rasch austrocknet als an anderen Orten. Totholz als Bodenschutz
Schliesslich schützt ein liegender Baumstamm den Boden vor Erosion (Hangstabilisierung) und
Nährstoffauswaschung. Nicht zuletzt kommt dem Totholz wichtige Bedeutung als Schnee- und
Steinschlagschutz besonders in Steillagen zu und in Jungbeständen kann durch vorhandenes
Totholz der Schneeschub reduziert werden.Forstwirtschaft kontra Totholz?
In den wenigsten bewirtschafteten Wäldern (Forsten) kann sich Totholz bilden, da die Gewinnmaximierung und auch die Verkehrssicherheit (Erholungsnutzung der Wälder) das Fällen von hiebreifen Bäumen erforderlich macht. Überalterte, absterbende Bäume sind hier selten. Die Verhütung von Waldbränden zum Schutz von Wirtschaftsgütern und Leben der Bevölkerung zwingt die Forstbehörden zudem, abfallende Äste und vertrocknendes Jungholz periodisch zu entfernen. Totholz an und in Gewässern
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Totholz, das heißt umgestürzte, entwurzelte Ufergehölze, Ansammlungen von Geschwemmsel und Genist lenkt das Wasser, fördert Mäander, schafft Kolke und anderenorts Sand- und
Kiesbänke, ist Vorraussetzung für eine natürliche Gewässerdynamik und kann in weiten
Gewässerteilen seine natürlichen Funktionen, nämlich die Erhöhung der gewässertypischen
Strukturvielfalt, ausüben.Ordnungsdenken
Fortschrittlichen Förstern wird von der Seite der Bevölkerung oft Unverständnis
entgegengebracht. Es werden Vorwürfe laut, der Wald sei vernachlässigt und unordentlich. Das Bild
des gepflegten, aufgeräumten Waldes stammt noch aus der Zeit, als das Holz als Brenn- und
Baumaterial dringend benötigt wurde. Das Liegenlassen von Ästen oder von umgestürzten Bäumen wird
daher auch heute noch als Verschwendung von Rohstoffen aufgefasst. Daß die Räumung eines
Windwurfes aber mehr Kosten verursacht als der Erlös des Holzes einbringt, wird oft nicht bedacht.
Übertriebene Ordnungsliebe, die Vorstellung von einem sogenannten schönen Waldbild haben dafür
gesorgt, daß ganze Wälder leergeräumt wurden und vielen Lebewesen die Lebensgrundlage entzogen und
sie an den Rand des Aussterbens gebracht wurden.