Föderalismus in Deutschland
Der Föderalismus ist Bestandteil der Politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. Kennzeichnend für eine föderalen Staat ist die Teilung der staatlichen Souveränität auf eine gesamtstaatliche Ebene (in Deutschland, der Bund) und eine gliedstaatliche Ebene (die 16 Bundesländer). Jedes Bundesland hat eigenständige politische Institutionen in Exekutive, Judikative und Legislative.
In der Bundesrepublik Deutschland ist der Föderalismus durch das Grundgesetz geregelt. Schon die Präambel bringt zum Ausdruck, dass der Gesamtstaat aus mehreren Gliedstaaten besteht. In Art. 20 Abs. 1 GG wird die Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich als Bundesstaat konstituiert. Über Art. 79 III GG wird er für unabänderlich erklärt und ist damit dem Zugriff auch des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen. In Art. 50 ff GG ist die Institution des Bundesrateses als Vertretung der Bundesländer festgeschrieben, die in der Gesetzgebung Deutschlands ein Zweikammersystem einführt.
Mitglieder der Landesregierungen stellen die Mitglieder des Bundesrates. Die Anzahl der Stimmen pro Land hängt von der Einwohnerzahl der einzelnen Länder ab und variiert von drei bis sechs Stimmen.
Der Bundesrat hat über alle Gesetze, die zuvor vom Bundestag beschlossen wurden, zu beraten und zu entscheiden. Je nach Rechtsmaterie und Auswirkungen des neuen Gesetzes unterscheidet man Zustimmungsgesetze, die ohne Zustimmung des Bundesrates nicht in Kraft treten können, und Einspruchsgesetze, bei denen der Bundestag den Einspruch des Bundesrats mit absoluter Mehrheit zurückweisen kann. Im Falle der Uneinigkeit zwischen Bundestag und Bundesrat kann vom Bundestag, vom Bundesrat oder der Bundesregierung der Vermittlungsausschuss - ein gemeinsamer Ausschuss aus Vertretern von Bundestag und Bundesrat - angerufen werden (Art. 50 f., 77 GG). (Aber: Bundestag und Bundesregierung können nur bei Zustimmungspflichtigen Gesetzen den Vermittlungsausschuss anrufen)(Art. 50 f., 77 GG).
Es gab nie einen einheitlichen deutschen Zentralstaat, Deutschland bestand schon immer aus einzelnen Teilstaaten. So war das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ein loser Zusammenschluss der bis zu 4000 deutschen Teilstaaten, die teilweise sogar gegeneinander Krieg führten.
Im Deutschen Bund, einem Staatenbund der 1815 gegründet wurde, gab es bereits föderale Elemente: Die einzelnen Fürstentümer entsandten Vertreter in den Bundestag in Frankfurt.Dieser Bundestag hatte jedoch nicht die Möglichkeit, in die Souveränitätsrechte der einzelnen Bundesstaaten einzugreifen, und regelte in erster Linie den Verteidigungsfall und die gemeinsame Unterdrückung von nationalen und liberalen Bewegungen.
Im Deutschen Reich ab 1871 vertrat der Bundesrat und in der Weimarer Republik ab 1919 der Reichsrat die Interessen der Länder. Mit dem "Gesetz über den Neuaufbau des Reiches" vom Januar 1934 zerschlugen die Nationalsozialisten den deutschen Föderalismus, nachdem sie schon im Zuge der so genannten "Gleichschaltung" die Länderparlamente entmachtet und in allen Ländern Hitler direkt unterstellte Reichsstatthalter eingesetzt hatten. Die Länder wurden zu bloßen Verwaltungseinheiten eines zunehmend zentralistisch strukturierten Einheitsstaats. Gleichzeitig wuchsen der ursprünglichen Parteiorganisation in Gaue - kennzeichnend für Ämterchaos und Kompetenzwirrwarr im "Dritten Reich" - administrative Funktionen zu. Zu einer grundlegenden territorialen Reform, wie sie von einigen Nationalsozialisten, wie Innenminister Frick, gefordert wurde, konnte man sich nie entschließen – es blieb bei einem Gemengelage von Zuständigkeiten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden 1948/1949 aus pragmatischen Erwägungen von den jeweiligen Besatzungsmächten neue Länder gegründet, die nur teilweise an die gewachsenen territorialen Strukturen anknüpften. Der größte Unterschied war die Auflösung Preußens. Man begründete die Entscheidung für einen deutschen Bundesstaat mit der Existenz vorhandener Länder und der einfachen Möglichkeit eines möglichen Beitritts weiterer Länder.
Wirtschaftsexperten sehen in Teilen des deutschen Föderalismus inzwischen einen massiven Standortnachteil. Alle Parteien sind sich einig, dass dringend Reformbedarf herrscht. Aus diesem Grund wurde eine Reformkommission unter Vorsitz von Edmund Stoiber und Franz Müntefering eingerichtet. Ziel der Reform ist eine stärkere Klärung von Machtbefugnissen. Auch die Zahl der momentan (2004) etwa 60 % durch Länder zustimmungpflichtiger Gesetze soll reduziert werden. Experten aller Lager begrüßen die Kommissionsbestrebungen, lediglich Gewerkschaften zeigen sich skeptisch. Der Reformprozess scheint jedoch schwierig, da Kompetenzen zahlreicher Gebietskörperschaften und Ministerien betroffen sind.
Ein Problem, welches durch Föderalismus entstehen kann, ist der so genannte Dauerwahlkampf, der dadurch entsteht, dass durch die Vielzahl der Bundesländer in irgendeinem Teil Deutschlands fast immer die nächste Wahl bevorsteht. Dies lähme auch die Bundespolitik, meinen Kritiker, da sich Bundespolitiker in Wahlkampfzeiten auch in den Bundesländern engagieren und viele Bürger nicht deutlich zwischen Bundes- und Landespolitik unterscheiden. Dieses Problem könnte man lindern, indem man die Wahlen in allen Bundesländern zu einem gemeinsamen Stichtag veranstaltet. Dies würde die Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit der Regierung erhöhen. Es wird überlegt, dass sich dann durch außerplanmäßige Wahlen, etwa nach einem Koalitionsbruch in einem Bundesland die dortige Periode auf die Länge bis zum Zeitpunkt der nächsten planmäßigen Wahl verkürzen sollte, damit dauerhaft gleiche Wahltermine gewährleistet bleiben. Eine Gleichtaktung erregt jedoch regelmäßg Widerspruch aus den Reihen der jeweiligen Oppositionsparteien, die um Stimmen fürchten.
Die Handlungsfähigkeit des Staates, flexibel auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren, wird durch Vermittlungssauschüsse mit den Ländern gelähmt, mutige Entscheidungen werden nicht getätigt, weil befürchtet wird, die würden ohnehin durch die Opposition aus parteipolitischen Gründen blockiert.
Weiterhin ist Föderalismus teuer: Eine große Zahl, durch bundesweite Vereinheitlichung und Kompetenzabgabe an den Bund weitgehend einflusslos gewordene Länderparlamente müssen unterhalten werden, dazu die Verwaltungen und Gerichte (mit jeweils eigenen Gesetzen, Anordnungen und Durchführungsbestimmungen, eigenen Drucksachen, eigener Software und speziell ausgebildeten Beamten).
Aus diesen Gründen wird seit Beginn der Bundesrepublik immer wieder gefordert, kleinere Bundesländer zusammenzulegen: Im Dezember 2003 forderte beispielsweise der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck die Zusammenlegung von Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Immer wieder werden auch die Zusammenlegungen von Bremen und Niedersachsen, von Schleswig-Holstein und Hamburg (gelegentlich auch von allen vier norddeutschen Ländern), von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie von Rheinland-Pfalz und dem Saarland gefordert. Eine solche Zusammenlegung erfordert aber nach dem Grundgesetz eine Volksabstimmung. (siehe auch Neugliederung)
Speziell in Deutschland mit seiner starken Politikverflechtung, besteht die Gefahr, dass die verschiedenen horizontalen Ebenen sich gegenseitig lähmen. Ebenfalls besteht die Gefahr, dass auf Bundesebene, Gesetze beschlossen werden, deren Bezahlung Ländern und Kommunen obliegt. Ein mögliche Lösung für das letzte Problem bietet das Konnexitätsprinzip.
Immer wieder ist auch die unklare Kompetenzverteilung in einzelnen Themenbereichen ein Angriffsziel von Kritikern.
Der Föderalismus birgt in sich die Gefahr, die Einheit des Gesamtstaates, des Bundes, zu zerstören. Um diesem Problem entgegenzuwirken, schufen die Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland Institutionen, die ein gemeinsames Vorgehen in wichtigen Bereichen abstimmen.
Ein Beispiel hierfür kann die Kultusministerkonferenz sein, die dafür sorgen soll, dass möglichst einheitliche Kriterien im Schulwesen der einzelnen Länder angewendet werden. Ein Teil der Kritiker meint, dass dadurch eine Gleichmacherei entsteht, die den großen Vorteil des Bildungsföderalismus, ein Wettstreit der Länder um das beste System, in einen faulen Kompromiss auflöst. Andere sind der Auffassung, die Schulsysteme hätten sich bereits so weit auseinander entwickelt, dass die Probleme beim Umzug und bei der Anerkennung der Abschlüsse ein echter Standortnachteil Deutschlands seien.
Siehe auch: Politisches System Deutschlands, Föderalismus, Deutschland
Grundgesetz
Geschichte
Vorzüge des föderalistischen Systems
Machtverteilung
Ein Hauptgrund dafür, dass im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland die föderalistische Struktur festgeschrieben wurde, war die Erfahrung, dass während der Diktatur des Nationalsozialismus ein zentralistischer Staat entstand, was wiederum die Macht des Regimes und des Dikators stützte. Durch die Verteilung, insbesondere die örtliche Verteilung und Verschränkung von Kompetenzen auf verschiedene Institutionen und Personen soll verhindert werden, dass erneut eine Person derart viel Macht erhält.Bereicherung und Bewahrung der landestypischen Kultur
Schutz von Minderheiten
Durch den Föderalismus erhalten auch regionale Minderheiten die Möglichkeit einer gewissen Eigenständigkeit und Selbstverwaltung. Der Föderalismus bietet Minoritäten einen gewissen Schutz vor Majorisierung (ständige Überstimmung durch die Mehrheit). Integration heterogener Gesellschaften
In föderalistischen Systemen können auch sehr heterogene soziokulturelle Gruppen integriert werden und ihre Autonomie und Vielfalt bewahren. Größere Bürgernähe bei Entscheidungen
In föderalistischen Systemen können politische Entscheidungen und Verwaltungshandlungen ortsnaher und dadurch oft auch sachgerechter erfolgen. Dadurch können teilweise auch Entscheidungswege verkürzt werden, allerdings kommt es in der Bundesrepublik aufgrund der vielfältigen Kompetenzverflechtungen dennoch häufig zu langen und komplizierten Verfahren.Berücksichtigung historischer und kultureller Aspekte
Probleme
Reformbedarf
Dauerwahlkampf
Bürokratie
Zusammenlegung von Bundesländern
Gegenseitige Lähmung
Zerstörung der Einheit des Gesamtstaates
Weblinks