Kommunikationsguerilla
Kommunikationsguerilla (auch Informationsguerilla, Medienguerilla) ist eine Form des Aktivismus (bzw. eine Gruppe oder Bewegung, die sich dieser Form bedient), die gezielt Information bzw. Desinformation einsetzt um ihre Ziele zu erreichen. Dabei wird die klassische Guerilla-Taktik, die sich um möglichst effektive punktuelle Operationen bemüht, auf den Bereich von Information und Kommunikation übertragen. Man kann die Kommunikationsguerilla auch als eine künstlerischen Strategien zur Subversion von Kommunikationsstrukturen oder eine kulturelle Instandbesetzung beschreiben. Verwandte Begriffe sind auch Adbusting und Culture Jamming.
Table of contents |
2 Agitation 3 Medienguerilla 4 Weitere Informationen |
Konzept
Die Idee der Kommunikationsguerilla geht unter Anderem auf Umberto Eco ("semiotische Guerilla-Kriegsführung") und Noam Chomsky ("consensus without consensus") zurück. Robert Anton Wilson spricht in diesem Zusammenhang von Guerilla-Ontologie ("Operation Mindfuck"). Die Ideen der Kommunikationsguerilla sind eng verflochen mit dem Anarchismus, der Hackerkultur und dem Diskordianismus, auch die Spontis und Chaoten der 70er Jahre waren eine Kommunikationsguerilla (siehe auch Happening). Das Credo dieser Bewegung fasst das folgende Zitat:
"Ist die beste Subversion nicht die, Codes zu entstellen, statt sie zu zerstören?" (Roland Barthes)
Traditionell wird mit Hilfe der Kommunikationsguerilla-Methode versucht, etablierte Kommunikations- und Sozialstrukturen zu durchbrechen und Personen der Zielgruppe dazu zu bringen, zu überdenken, wem sie was glauben, und warum. Eine andere Form (auch Informationsguerilla genannt) ist das Bestreben, (Selbst-)Zensur und Gleichschaltung zu untergraben, indem ein für alle zugängliches Medium geboten wird, wie es zum Beispiel IndyMedia und die Wikipedia tun (siehe Gegenöffentlichkeit). Zum Teil wird die Methode der Informationsguerilla aber auch als Mittel der Agitprop verwendet um politische bzw. ideologische Inhalte zu verbreiten.
Ein typisches Beispiel einer Kommunikationsguerilla ist die Barbie Liberation Organisation, die ende der 80er Jahre sprechende Barbie-Puppen so umprogrammierte, dass sie Maschinengewehrfeur von sich gaben. Auch die Gruppe Adbusters ist hier erwähnenswert, die sich ebenfalls dem Kampf gegen die Konsumkultur widmet, jedoch auf konventionelleren, legalen Wegen.
Agitation
Die Methoden der Kommunkiationsguerilla werden häufig von Gruppen aus dem anarchistischen und autonomen Bereich genutzt. Dabei macht man sich unter anderem den Umstand zu nutze, dass Informationen vollkommen anders gewertet werden, sobald sie in einen anderen Kontext gestellt werden. In diesem Sinne wird versucht herrschende Codes 'nicht zu zerstören' sondern den eigenen Zielen gemäß zu benutzen:
Ob ein Artikel, Flugblatt oder Brief von einer Privatperson oder einem bedutenden Politiker, einer Partei oder Organisation gesendet wird, ändert oftmals die gesamte Wirkung eines Schriftstückes (siehe auch Ethos). So ist eine Taktitk der Kommunikationsguerilla die illegitime Einnahme von wirksamen Sprecherpositionen. Es werden gezielt Fehlinformationen unter falschem Namen in Umlauf gebracht. So kann die Glaubwürdigkeit oder Anerkanntheit einer Instanz oder Person benutzt werden, um die unter ihrem Namen veröffentlichten eigenen Informationen Gehör zu verschaffen.
Ein weiterer Aspekt ist die Herstellung von Irritation und Verwirrung. So wird sich beispielsweise mit politischen Zielen der Gegenseite überidentifiziert, und ihre Ziele werden unter ihrem Namen satirisch in übertriebener Version dargestellt. Dem Empfänger wird bewußt ein verzerrtes Bild der Ziele dargestellt.
Viele solcher Aktivitäten der Kommunikationsguerilla sind als illegal einzustufen, da oft der Tatbestand der Urkundenfälschung anzunehmen ist. Zumeist können die Verbreiter belangt werden, weil sie falsche Briefköpfe oder gefälschte Unterschriften genutzt haben um die Authentizität des Dokumentes vorzutäuschen.
Andere Beispiele sind direkte Aktionen mit dem Ziel, die eingespielte Verfahrensweisen beim politischen Gegner - sei es ein Politiker bei einer Veranstaltung, eine Institution wie die Justiz oder ein Unternehmen - in Frage zu stellen. So kann zum Beispiel durch permanentes lautes Klatschen oder Jubeln während einer Rede der Ablauf nachhaltiger gestört werden, als durch offensichtliche Störrufe, deren Urheber vom Saalschutz meist schnell entfernt werden. So wurden zum Beispiel während der Studentenproteste im Winter 2003/2004 in Berlin zum Teil Einsatzkräfte der Polizei von einer in Anzügen gekleideten Gruppe begleitet, die die Polizisten anfeuerte, zum "Durchgreifen" aufforderte und Slogans wie "Nuklearer Erstschlag" skandierten.
Medienguerilla
Der Begriff Medienguerilla wird oft synonym mit Kommunikationsguerilla verwendet, wobei sich Medienguerilla eher auf eine Form dieser Taktik bezieht, die sich moderner (Massen-)Medien bedient. Die "klassische" Kommunikationsguerilla hingegen setzt vor allem auf den unmittelbaren persönlichen Kontakt. Im Internet verschwimmt diese Grenze jedoch wieder, weil hier der Unterschied zwischen öffentlicher und privater Kommunikation nicht mehr klar ist.
Der Ansatz der Medienguerilla ist es, Medien und Begriffe zu kapern um subversive Gedanken zu verbreiten oder Verwirrung zu stiften. Meist ist damit nicht eine buchstäblich Übernahme eine Mediums gemeint, wie etwa Webpage-Defacement oder Piratensender, sondern vielmer der kreative Misbrauch etablierter Komminikationsstrukturen aller Art.
Ein recht bekanntes Beispiel für die Medienguerilla-Taktik ist eine Aktion der Fantastischen Vier, die als Autonome Medien Guerilla unter dem Slogan Kein Applaus für Scheisse Talkshows und Hörsäle stürmten. Bands wie Chumbawamba und Rage Against The Machine benutzen erklärtermaßen die Musikindustrie, um politische Misstände zu beklagen und anarchistisches Gedankengut zu verbreiten.
Weitere Informationen
Siehe auch
Literatur
Weblinks (Texte über die Kommunikationsguerilla)
Weblinks (Kommunikationsgueriller@s)