Hypothesen
Platon gibt an, den Bericht über Atlantis über mehrere Überlieferungsschritte (Kritias, Solon) aus dem ägyptischen Tempel in Sais erhalten zu haben. Fest steht, dass es nicht ausschließlich Platons Absicht war, einen historischen Bericht wiederzugeben. Vielmehr steht der Atlantis-Bericht im Kontext der platonischen Staats- und Geschichtsphilosophie. Atlantis wird als Gegenspieler zu einem idealisierten athenischen Staat vorgestellt, dessen Historizität genauso unsicher ist wie die von Atlantis.
Da Platon selbst den Atlantis-Bericht als sachlich wahr präsentiert, ist es unzutreffend, von einem "Mythos", einer "Sage" oder einer "Legende" zu sprechen.
Die Diskussion um Realität oder Fiktion des Atlantis-Berichts dauert an und es gibt zahlreiche mehr oder weniger plausible Erklärungsversuche. Einige der bekanntesten Hypothesen sind:
- Bei Atlantis handelt es sich um eine literarische Fiktion Platons, anhand derer Platon diverse politische und geschichtliche Erkenntnisse exemplarisch vor Augen führen wollte. Anregungen zu seiner Fiktion fand Platon in der Literatur seiner Zeit, z.B. bei Herodot.
- Für Patara in der Türkei als Kandidat für Atlantis sprechen u.a. folgende Argumente: Es liegt jenseits der Säulen des Herakles, wenn Platon damit nicht Gibraltar, sondern den Koloss von Rhodos gemeint hat; neuere Münzfunde belegen die historische Schreibweise Atara statt Patara, was bei einer Aussprache des "r" als "l" schon nahe an "Atlantis" herankommt; Patara besitzt wie Atlantis einen sehr großen Hafen; laut Herodot besaß Patara einen Apollo-Tempel und (wie Delphi) ein eigenes Orakel, wo eine Jungfrau, als Amazone gekleidet, unter Weihrauch-Dämpfen und von einer Schlange und einer Eule umgeben, weissagte; gerade wurde in Patara auch der überdimensional große Königspalast identifiziert; wie Atlantis wurde Patara durch Erdbeben zerstört.
- Der deutsche Pastor und Privatgelehrte Jürgen Spanuth war davon überzeugt, dass Atlantis während der späten Bronzezeit in der Nordsee lag und die Beweise dafür auf dem Meeresgrund nahe bei Helgoland zu finden wären. Früher lag die Nordsee über dem Meeresspiegel und besaß fruchtbare Ebenen. Besiedlungen wurden auf Meeresgrund bereits entdeckt. Die Atlanter wären demnach Germanen gewesen.
- Nach der ursprünglichen Hypothese von Georgeos Díaz-Montexano (veröffentlicht im Jahr 2000) habe Atlantis ebenfalls in der späten Bronzezeit in Iberia oder Spanien gelegen, und zwar in Tartessos (dem biblischen Tarschisch) bei Gadeira oder Cadiz nahe Gibraltar. Auch Rainer Kühne (veröffentlicht im Jahr 2003) vertritt diese Hypothese.
- Nach der von Charles Hapgood ausgearbeiteten Theorie, die der Wissenschaftsjournalist Graham Hancock erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorstellte, handelt es sich bei Atlantis um die Antarktis, die sich in historischer Zeit in einer wärmeren Klimazone befunden habe. Einzelne Verfechter der Antarktis-Theorie bemühen auch gerne eine der ersten Seekarten, die zu Südamerika existieren, nämlich die Karte des türkischen Admirals Piri Reis, die als Beleg dienen soll, dass die Küste der Antarktis vor gerade einmal 500 Jahren noch per Schiff bereist werden konnte. Dies ist aber insofern umstritten, als auf diesem Dokument die Küste Südamerikas aus teils rein praktischen und teils kartografischen Gründen umgebrochen erscheint, so dass das diskutierte Fragment einer Küstenlinie schlicht zu Südamerika gehören könnte.
- Eine Theorie besagt dass Atlantis ein Reich sein könnte, das im Hinterland von Tunesien zu suchen ist. In diesem heute wüstenartigen Gelände existieren Reste von Salzseen, die in ihrem Niveau nicht höher als das Mittelmeer sind. Es wird von den Verfechtern davon ausgegangen, dass diese Flächen früher Teil des Mittelmeers waren oder von diesem aus hätten bereist werden können, und somit die Grundlage für die Existenz einer See-Nation gegeben war.
- Der griechische Archäologe Spyridon Marinatos hat einige plausible archäologische Indizien und historische Erklärungen dafür erbracht, dass Atlantis nichts anderes als die Insel Kreta zu minoischer Zeit gewesen sei, deren Kultur ein Vulkanausbruch auf der benachbarten Insel Thera (Santorini) zerstörte. Entsprechende Datierungen für den Ausbruch weisen mittlerweile auf die frühe Bronzeizeit hin, und auf einen Umfang, der die Region bis in die Ägäis hinauf binnen weniger Tage oder Monate für lange Zeit der menschlichen Siedlungsaktivität entzogen haben könnte. Beim Ausbruch dürften auch große Teile des damaligen Santorin schlicht weggesprengt worden sein.
- Der Schweizer Geoarchäologie Eberhard Zangger sieht Atlantis als eine bronzezeitliche Stadt und stellte die bekannte und vieldiskutierte Formel "Troja = Atlantis" auf. Dabei findet er nicht weniger als 600 hoch plausible Entsprechungen in den jeweiligen Berichten (z.B. die Zahl der Schiffe), die eine Identität der beiden Städte nahelegen. Dabei wird dem Bosporus, der je nach Jahreszeit nur in einer Richtung schiffbar war, die Rolle der Landenge zugeschreiben, und der Hafenstadt die Schutzfunktion vor Unwettern sowie die Funktion als Zwischenlager, bis der Seeweg wieder schiffbar war. Troja wurde bekanntermassen zerstört, und die Ebene zu ihrem Fuß war definitv ein leichtes Opfer für Sturmfluten aufgrund von Erdbeben, Seebeben, Vulkanausbrüchen oder Erdrutschen ins Meer. Anhaltspunkte für Werftanlagen in den umschliessenden Fels-Massiven existieren ebenfalls.
- Eine Hypothese besagt, dass es sich bei der Atlantis-Kultur um die Megalith-Kultur handelt. Sie war eine jungsteinzeitliche Hochkultur (vor den Ägyptern) in Westeuropa (Irland, Bretagne). Ihre Hauptstadt, möglicherweise Carnac, weist Ähnlichkeiten mit der atlantischen Hauptstadt auf (z. B. große schiffbare Kanäle, fruchtbare Ebenen). Bei Absenkung des Meeresspiegels auf die damalige Höhe entstehen dort die Ringe aus Land und Wasser, die der Sage nach um den Poseidontempel und den Königspalast gezogen waren. Die Megalith-Kultur besaß großes astromisches Wissen und baute das berühmte Stonehenge. Die Megalith-Menschen huldigten nachweislich, wie die Atlanter, einem Stierkult. Atlas entsteht aus einer Luftspiegelung über dem Meer. Die Menhiralleen waren möglicherweise riesige Beobachtungsstellen für die Beobachtung von Fata-Morgana-Erscheinungen über dem Atlantik. Auch der Untergang der Insel findet sich in der irischen Mythologie wieder. Dort sind keltische Angreifer vor einem Sturm nach einer wundersamen Insel gefahren. Im Sturm wurden alle Boote vernichtet, die Insel versank. Ein Boot entkam, weil es wegen Schäden die Expedition nicht mitmachte, und brachte die Kunde von der versunkenen Insel zurück. Erst 1865 wurde die Phantominsel O'Brazil von den Seekarten offiziell gestrichen. Die silbernen Fassaden Atlantis' kann man heute an dem rekonstruierten Megalithgrab Newgrange in Irland bewundern.
- Nach einer jüngst von Prof. Schoppe (Universität Hamburg) vertretenen Theorie soll Atlantis im Nordwesten des Schwarzen Meeres gelegen haben und 5510 vor Christus durch eine schlagartige Flutung des Schwarzen Meeres untergegangen sein. Demnach wäre mit den Säulen des Herakles der Bosporus gemeint. Der Untergang führte zu der jungsteinzeitlichen Revolution in Europa, der Ausbreitung der indoeuropäischen Sprachen und dem Auftauchen einer ersten Schrift 5500 vor Christus auf dem Balkan (sic!). Erst später - durch die Einwanderung der Protogriechen aus dem nördlichen Schwarzmeerraum auf die griechische Halbinsel 1950 vor Christus - wurde "der Westen" schrittweise in Richtung Gibraltar transponiert. Der sagenhafte Stoff Oreichalkos sei demnach der Obsidian-Stein, der als Zahlungsmittel eine Blüte erlebte und 5500 vor Christus in Europa durch die Spondylus-Muschel abgelöst wurde. Als letzter Rest der "Insel" Atlantis verbleibt die Schlangeninsel, ein Buntsandsteinhorst wie Helgoland mit einem Durchmesser von 600 Metern im nordwestlichen Schwarzmeer.
- Otto Muck versucht in seinem Buch mit zahlreichen Beweisen seine These zu untermauern, dass Atlantis im atlantischen Ozean lag. Durch einen Meteoriteneinschlag vor 10.000 Jahren riss die Erdkruste auf, und Atlantis versank bis zu den Berggipfeln, die die heutigen Azoren bilden. Nebenbei verursachte der Einschlag das Ereignis, das viele Kulturen als Sintflut bezeichnen.