Waldsterben
Waldsterben ist ein im Jahr 1983 aufgekommenes Schlagwort für das auch als Neuartige Waldschäden bezeichnete Phänomen von großflächigen Schädigungen des Waldbaumbestands durch sauren Regen, Ozon, Schwermetallen etc.
Es wird verschiedentlich die Vermutung geäußert, es handele sich beim "Waldsterben" um ein typisch deutsches Phänomen. Das Ausland hat den Begriff immer für übertrieben gehalten. Wenn die Franzosen von "Le waldsterben" sprechen, spielen sie damit auf die nationalistisch gefärbte, romantischee Waldverliebtheit der Deutschen und ihre Neigung zu dramatischen Übertreibungen an. Verwunderlich ist jedenfalls, dass es in Frankreich und Großbritannien oder beim Baumbestand des New Yorkerer Central Park, der jahrelang stärksten Auto-, Kraftwerk- und Industrieabgasen ausgesetzt war, kein Waldsterben zu geben scheint. Wohl aber kennt man größere flächenhafte Baumschäden im Harz, im Bayrischen Wald, im Erzgebirge und in den im Osten an Deutschland grenzenden Ländern.
In Deutschland befand man 1983 gut ein Drittel des Waldes für krank. Im Jahre 2002 sind nach dem offiziellen Waldschadensbericht nur mehr rund 30% aller Waldbäume als völlig gesund zu bezeichnen. Das in den 80er Jahren befürchtete, sich durch die damalige Entwicklung abzeichnende, großflächige Absterben von Wäldern ist - auch in den damaligen Hauptschadgebieten - aber ausgeblieben. Die Emissionen an Schwefeldioxid und Stickoxiden wurden in der "alten" BRD seit 1980 durch umfangreiche Maßnahmen zur Luftreinhaltung, die man als Reaktion auf das "Waldsterben" vornahm, erheblich vermindert (s. externen Graphen). Der Zusammenbruch einiger Planwirtschaften um 1990 hat zu einer weiteren, weitaus erheblicheren Verminderung der Waldschäden beigetragen.
Es hat offenbar schon lange vor der Industrialisierung und dem damit verbundenen vermehrten Schadstoffausstoß vergleichbare Waldschäden gegeben, die als Rauchschäden bezeichnet wurden. Diese waren aber lokal begrenzt und eindeutig dem Verursacher zuzuordnen. Ihnen wurde in späteren Jahrhunderten durch die Entwicklung hoher Schornsteine begegnet. Dies wird etwa durch einen Blick auf gemalte Landschaftsbilder aus früheren Jahrhunderten deutlich, auf denen dieselben Schäden an Baumwipfeln zu sehen sind, für die man heute den sauren Regen, das Ozon oder Schwermetalle verantwortlich macht. Nur teilweise lässt sich dafür die bereits im Mittelalter begonnene Verhüttung sulfidreicher Erze verantwortlich machen.
Typische Symptome an betroffenen Bäumen sind so genannte Angsttriebe, bei Nadelbäumen auch das Vergilben der Nadeln und das Lamettasyndrom. Bei zu starkem Vitalitätsverlust kommt es zum Absterben des Baumes.
Durch die anthropogen bedingte Versauerung der Böden durch den sauren Regen kommt es zu Schädigungen der Feinwurzeln der Bäume und der mit den Bäumen in Symbiose lebenden Mykorrhiza, die für die Aufnahme von Mineralstoffen entscheidend sind. Die Versorgung des Baumes mit Wasser und Mineralstoffen wird beeinträchtigt.
Ein Folgeproblem der Versauerung ist die Freisetzung von giftigen Metallionen von Schwermetallen und Aluminium, die stark toxisch wirken.
Zur verminderten Aufnahmemöglichkeit von Mineralstoffen wie Calcium, Kalium und Magnesium tritt deren verminderte Verfügbarkeit durch verstärkte Auswaschung.
Schädigungen der Stomata der Blätter durch Säure und Ozon nehmen den Bäumen die Möglichkeit, ihre Verdunstung zu kontrollieren. Zu den Problemen bei der Aufnahme von Wasser kommen also Schwierigkeiten hinzu, die Wasserdampfabgabe zu drosseln.
Interessant ist auch, dass aus dramaturgischen Gründen in Fernsehberichten der 80er Jahre - mangels anderer signifikanter Stellen - immer wieder nur einige wenige, stark zerstörte Waldgebiete im Harz oder Erzgebirge gezeigt wurden, die mit ihren abgestorbenen Bäumen stellvertretend für das angeblich großflächige Waldsterben in ganz Deutschland standen. Derart gravierende Schäden wurden aber nirgendwo sonst beobachtet.
Der Journalist Rudi Holzberger kommt daher in seiner Dissertation Das sogenannte Waldsterben (Konstanz, 1995) zu dem Schluss, dass es sich bei dem Phänomen nur um ein Medien-Klischee handelt, das stereotyp verbreitet wird und ein Walduntergangsszenario heraufbeschwört.
Im Gegensatz zu dem Klischee mit den "üblichen Verdächtigen" haben gründlichere und sorgfältigere wissenschaftliche Untersuchungen in jüngerer Zeit gezeigt, dass unter bestimmten Bedingungen für die angeblich nur schädigenden Luftinhaltsstoffe durchaus auch Nutzwirkungen erkennbar sind. Dies gilt insbesondere für die mineralischen Kohlenaschen und deren chemische Bestandteile. Ob Schwefel- oder Stickstoffverbindungen schaden oder nutzen, hängt also von den jeweiligen Umständen ab. Ob Calcium, Magnesium, Selen, Molybdän, Zink, Fluor und Iod im Überschuss und reichlich vorhanden oder im Mangel sind und fehlen, ist ganz entscheidend dafür, ob der Wald gut gedeiht oder nicht.
Wenn aber weniger der saure Regen, die Schwermetallbelastung oder das Ozon für die Baumschäden verantwortlich sind, was dann? Man neigt heute immer mehr zu der Annahme, dass das so genannte Waldsterben weniger auf vom Menschen verursachte Umweltgifte zurückzuführen ist, als vielmehr auf den Einfluss von natürlichen Schädlingen, etwa den Befall durch Pilze, durch die Raupen des Schwammspinners und vor allem durch Borkenkäfer.
Bei diesen Schadorganismen kommt es, bedingt durch für sie günstige Witterungsbedingungen - etwa besonders heiße und trockene Sommer - zu bestimmten Zeiten zu Massenvermehrungen, die derart gravierend sein können, dass von den Schädlingen heimgesuchte Waldgebiete stark geschädigt werden.
Besonders Fichten-Monokulturen sind davon stark betroffen, so dass man z.B. am Westhang des Lusen im Nationalpark Bayerischer Wald dazu übergegangen ist, die bestehenden und daher anfälligen Reinbestände behutsam in Richtung Bergmischwald zu erneuern.
In Zeiten, in denen die Schädlinge witterungsbedingt das Nachsehen haben, erholt sich der Wald meistens recht schnell. Leider begünstigt die Witterung der letzten Jahre auch Gradationen in Gebieten, wo sie bisher unbekannt waren. Die heutige potentielle natürliche Vegetation (hpnV) entfernt sich auch in den wenigen noch vorhandenen, nicht direkt vom Menschen beeinflussten Gebieten zunehmend von dem bisher gewohnten Baumbestand.
Einleitung
Symptome
Wissenschaftlich meistdiskutierte Ursachen
Das Waldsterben - nur ein Medienklischee?
1998]]
Tatsache ist, dass die beschriebenen Schäden vermehrt in solchen Gegenden zu beobachten sind, in denen die Schadstoffbelastung, z.B. durch direkte, überhohe Schwefeldioxid-Immissionen, extrem hoch ist, so dass die Blätter und Nadeln der Bäume direkt geschädigt werden. Solche direkten Belastungen sind aber eher selten. In anderen Fällen ist es verwunderlich, dass die beobachteten Schäden in so genannten Reinluftgebieten auftraten, die überhaupt nicht umweltbelastet waren.Positive Wirkungen von Schadstoffen auf Bäume
Alternative Ursachen
Literatur
Siehe auch: , Umweltschutz, Umweltschutzorganisation, Baum des Jahres, Pufferbereich (Bodenkunde), RiesengebirgeWeblinks