NATO-Doppelbeschluss
Die Anfang der 1970er langsam beginnende und sich bis Ende des Jahrzehnts fortsetzende Entspannungspolitik zwischen den USA und der UdSSR fand ihren Niederschlag in den Rüstungskontroll-Verträgen SALT I (1972) und SALT II (1979), die vor allem die strategischen nuklearen Kapazitäten begrenzen und damit einen weiteren eskalierenden Rüstungswettlauf in diesem Bereich verhindern sollten.Die SALT-Verträge sahen jedoch keine allgemeine gegenseitige nukleare Rüstungskontrolle vor, sondern bezogen sich ausschließlich auf die strategischen Trägersysteme und deren Gefechtsköpfe. Darunter fielen keine der so genannten taktischen Nuklearwaffen wie beispielsweise von Kampflugzeugen abgeworfene nukleare Bomben oder auch Mittelstreckenraketen (MRBM & IRBM). Im Bezug auf Mittelstreckenraketen stellte dies eine echte Lücke in den SALT-Abkommen dar. Denn Mittelstreckenraketen waren eigentlich nur bis zur Perfektionierung der Interkontinentalraketen (ICBM) in Gebrauch und waren danach aus dem Einsatz verschwunden. Die UdSSR nutzte nun diese Lücke durch Entwicklung und Stationierung (ab 1977) einer neuen modernen mit nuklearen Mehrfachgefechtsköpfen bestückten Mittelstreckenrakete, der SS-20.
Die europäischen NATO-Verbündeten sahen in diesen auf hochmobilen Abschussrampen montierten Raketen eine mindestens ebenso große Bedrohung, wie in den strategischen Interkontinentalraketen und fassten am 12. Dezember 1979 den so genannten NATO-Doppelbeschluss. Dieser Beschluss sah die Stationierung von 572 ebenfalls mobilen amerikanischen Mittelstreckenraketen (Pershing II und bodengestützten Cruise Missiles) vor, um damit das bedrohte nukleare Gleichgewicht wiederherzustellen. Außerdem wurde der Regierung der UdSSR sofortige Verhandlungen angeboten, mit dem Endziel nuklear bestückte Mittelstreckenwaffen völlig aus Europa zu verbannen. Sollten diese Verhandlungen scheitern, würden die Mittelstreckenraketen vier Jahre später stationiert werden.
Maßgeblich am NATO-Doppelbeschluss beteiligt war der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt, der bereits im Jahre 1977 in einer Rede vor dem Londoner International Institute for Strategic Studies auf die Gefahren hinwies und Gegenmaßnahmen der NATO forderte. Damit brachte er die SPD in eine schwierige Situation, da der NATO-Doppelbeschluss gerade in den Hauptstationierungsländern der Raketen (Deutschland und Niederlande) zu Protesten in der Bevölkerung und zur Bildung der Friedensbewegung führte, dem sich zahlreiche SPD-Abgeordnete anschlossen.
Wesentlicher Kritikpunkt der in der Friedensbewegung vertretenen Beschlussgegner war, dass das nukleare Vernichtungspotential beider Seiten bereits für die mehrfache Vernichtung der Welt ausreichte, mithin also jede weitere Rüstung unsinnig sei. Weiterhin wurde von einem umgekehrten Kuba gesprochen, da die Vorwarnzeit für die damalige UdSSR im Falle eines Erstschlags von Europa aus auf wenige Minuten reduziert würde. Die Gefahr eines Krieges durch Irrtum sei dadurch erheblich erhöht. Von sowjetischer Seite wurde reklamiert, dass die französischen Kernwaffen nicht berücksichtigt wurden.
Der bekannteste Protestslogan war in Anspielung an make love not war und den Namen der US-Mittelstreckenwaffen: Petting statt Pershing.
Im Dezember 1979 marschierten sowjetische Truppen in Afghanistan ein. Die Beziehungen zwischen "Ost" und "West" erreichten einen weiteren Tiefpunkt im Kalten Krieg. Die am 30. November 1981 begonnenen Abrüstungsverhandlungen in Genf blieben ergebnislos, woraufhin der Bundestag im Jahre 1983 der Stationierung mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP zustimmte. Die Sowjetunion brach daraufhin die begonnenen Abrüstungsverhandlungen ab.
Am 8. Dezember 1987 wurde schließlich zwischen der UdSSR und den USA das INF-Abkommen unterzeichnet. Dies sah die Zerstörung sämtlicher Mittelstreckenwaffen vor und beendete damit auch diese Episode des kalten Krieges.