Friedensbewegung
Als Friedensbewegung bezeichnet man eine soziale Bewegung, die darauf gerichtet ist, den Krieg als Mittel der Politik auszuschließen.Die Friedensbewegung speist sich hauptsächlich aus pazifistischen und antimilitaristischen Grundhaltungen.
Eine Friedensbewegung im modernen Sinne entwickelte sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg aus der Erfahrung heraus, dass es mit der Technisierung in den modernen Kriegen, wie sie spätestens seit dem Krimkrieg in den 1850er Jahren zutage trat, immer mehr Opfer, zunehmend auch unter der Zivilbevölkerung gab.
1892 wurde in Berlin die Deutsche Friedensgesellschaft von Bertha von Suttner und Alfred Hermann Fried gegründet. Beiden wurde später der Friedensnobelpreis zuerkannt, der zuvor vom mit Frau von Suttner befreundeten Wissenschaftler Alfred Nobel gestiftet worden war. Nobel wollte mit seinem Preis die Forschung für friedliche Zwecke fördern, nachdem durch die Neuerfindung des Dynamits eine zunehmende Entwicklung der Wissenschaft zum Zwecke der Kriegführung eingesetzt hatte, der Nobel mit seinem Preis entgegenwirken wollte. Berta von Suttner hatte mit ihrem Roman "Die Waffen nieder" die Sensibilität für die Problematik von Krieg und Frieden in der Öffentlichkeit verstärkt. Auch in anderen Ländern entstanden Friedensgesellschaften. Noch im 19. Jahrhundert kam es zu internationalen Friedenskongressen.
Auch in der noch vornehmlich marxistisch orientierten Arbeiterbewegung und in der Sozialdemokratie des 19. Jahrhunderts wurde der Krieg zwischen den Staaten abgelehnt. Für die internationalistisch orientierten Marxisten verlief eine Front nicht zwischen den Staaten, sonden zwischen den Klassen. Ihr Anliegen war es, die Arbeiter aller Länder zum Kampf gegen die Klasse der Kapitalisten zu vereinen. Eine der wesentlichsten Parolen des Kommunismus und Sozialismus war: "Proletarier aller Länder, vereinigt euch !"
Aber die Friedensbewegung konnte den aufziehenden ersten Weltkrieg nicht verhindern. Auch viele Arbeiter und mit ihr große Teile der Sozialdemokratie ließen sich durch die nationalistische Propaganda blenden.
Einer der wenigen prominenten Mahner, die sich öffentlich gegen den Krieg stellten, war beispielsweise der französische Sozialist Jean Jaurès. Er fiel noch kurz vor dem Beginn des 1.Weltkriegs in einem Pariser Café dem Attentat eines Nationalisten zum Opfer.
Während des Krieges stimmten auch die meisten Sozialdemokraten dem Krieg zu (vgl. Burgfrieden). Die Kriegsgegner um die "Gruppe Internationale", aus der später der Spartakusbund hevorging, blieben in der Minderheit. Nur zwei Parlamentarier der SPD, die sich 1914 noch der Fraktionsdisziplin gebeugt hatten und der entsprechenden Abstimmung ferngeblieben waren, Karl Liebknecht und Otto Rühle, lehnten 1915 im Reichstag die Vorlagen für weitere Kriegskredite ab. Dies führte 1916/17 zur Abspaltung der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei) von der Mehrheits-SPD (MSPD). Aus dem Sparkakusbund ging nach der Novemberrevolution am 1. Januar 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) hervor. Die Vorreiter der KPD-Gründung Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg wurden schon kaum 3 Wochen später von rechtsnationalistischen Freikorpseinheiten gefangen genommen und ermordet.
Nach der Novemberrevolution 1918 politisierten sich Vertreter der Friedensbewegung während der Weimarer Republik zunehmend und konzentrierten sich vor allem in linken Kreisen. Die Erfahrung des ersten Weltkriegs hatte viele ehemalige Soldaten zu Pazifisten gemacht. Ein bekanntes Beispiel dafür war der Schriftsteller Ernst Toller, der bedingt durch sein Engagement auf der Linken in die Regierung der Münchner Räterepublik von 1919 eintrat, wo er zeitweilig ausgerechnet als Chef der "Roten Armee" der Räterepublik fungierte. Den Konflikt zwischen pazifistischer Einstellung und der Notwendigkeit militärischer Verteidigung sozialer Errungenschaften unter anderem verarbeitete er später in seinem Theaterstück "Masse Mensch".
Vor allem im publizistischen und künstlerischen Bereich engagierten sich Pazifisten und Antimilitaristen gegen starke revanchistische und antidemokratische Tendenzen in der jungen Republik. Erich Maria Remarque schrieb seinen viel beachteten Antikriegsroman "Im Westen nichts Neues". Unter der Chefredaktion von Carl von Ossietzky entwickelte sich die Kulturzeitschrift "Weltbühne" zu einem pazifistisch-kritischen Organ, in dem auch der Schriftsteller, Dichter, Satiriker und Kritiker Kurt Tucholsky gegen die Wiedererstarkung des Militarismus anschrieb. Er warnte mit scharfen Worten vor dem sich abzeichnenden Aufkommen der Nationalsozialisten. Auch Ernst Toller, Erich Mühsam, Karl Kraus, Erich Kästner, Bertolt Brecht und andere nutzten das Mittel des Schreibens, um vor weiteren Kriegen zu warnen. Künstlerinnen und Künstler wie Käthe Kollwitz, Otto Dix, John Heartfield setzten sich mit ihren Mitteln für den Frieden und gegen reaktionäre und militaristische Tendenzen ein.
Als 1933 doch der Nationalsozialismus unter Adolf Hitler und seiner NSDAP an die Macht kam und die Diktatur des so genannten "dritten Reichs" aufbaute, wurden die Werke der genannten Künstler verboten. Viele flohen ins Exil. Andere wurden verhaftet und in KZs interniert, wo beispielsweise Karl von Ossietzky und Erich Mühsam auch ermordet wurden. Der zweite Weltkrieg war durch die unterdrückte und verfolgte kleine Opposition im Untergrund nicht mehr zu verhindern. Das deutsche Volk hatte sich in seiner Mehrheit erneut durch das Versprechen nationaler Größe blenden lassen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in der Bundesrepublik immer wieder zu größeren Wellen der Friedensbewegung, denen es gelang, jeweils große Menschenmengen zu mobilisieren.
Erste große Aktionen der Friedensbewegung richteten sich gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Anfang der 1950er Jahre ("Ohne mich-Bewegung". Sie wurde getragen von Gewerkschaften, Intellektuellen und christlichen Gruppen. Beteiligt an der Friedensbewegung dieser Zeit war auch die KPD, die 1956 verboten wurde.
Als bekannter Politiker trat der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann aufgrund der Wiederbewaffnung aus dem Kabinett Adenauer zurück. Ende der 50er Jahre begannen die bis heute andauernden Ostermärsche, entstanden als Protestform gegen die Pläne zur atomaren Bewaffnung der Bundeswehr.
Ende der sechziger Jahre kam es zu Protesten gegen den Vietnamkrieg. Diese wurden vor allem getragen von der studentischen Opposition, der APO.
Mitte der 1970er gab es erneut Proteste der Friedensbewegung gegen die Entwicklung der Neutronenbombe in den USA, deren Fähigkeit, Leben zu vernichten, aber Bauten und Material zu schonen, als zynisch kritisiert wurde. Anfang bis Mitte der achtziger Jahre protestierten Hunderttausende gegen den NATO-Doppelbeschluss. Dieser sah die Stationierung der atomar bestückten US-amerikanischen Mittelstreckenraketen Pershing II und cruise missiles in Europa vor, als Antwort auf die Stationierung der neuen sowjetischen SS 20-Raketen.
Am 10. Oktober 1981 fand im Bonner Hofgarten eine friedliche Demonstration mit mehr als 250.000 Menschen statt. Weitere Großdemonstrationen in den Jahren 1982 (Katholikentag) und 1983 (Bonn und Hasselbach/Hunsrück) folgten. Daneben wurden vielfältige gewaltfreie Aktionen entwickelt (Sitzblockaden vor Atomstandorten und Raketenabwehrstellungen, "Rüstungssteuerverweigerung", Kampagnen gegen Rüstungsexporte, "Fasten für den Frieden", Menschenketten usw.), die zum Teil erstaunlich großen Rückhalt in der Bevölkerung fanden.
Mit am bekanntesten wurden die Proteste und gewaltfreien Sitzblockaden am Pershing-II-Stationierungsort Mutlangen. Dort, einem kleinen Ort von ca. 5500 Einwohnern auf der Schwäbischen Alb, kam es zu einer stetig steigenden Anzahl von Aktionen. Eine Gruppe von Aktivisten beschloss, den Ort Mutlangen erst wieder zu verlassen, wenn die Pershing-II-Atomwaffen abgerüstet seien. Sie lebten in der Pressehütte Mutlangen (Weblink: http://www.pressehuette.de ), einer ehemaligen Kanarienvogelzuchthütte, die ein älteres Mutlanger Ehepaar zur Verfügung stellte. Besonders beachtet wurden in Mutlangen u.a. die Seniorenblockade (600 ältere Menschen blockierten mehrere Tagen lang die Basis), die Konzertblockade der Lebenslaute (Weblink: http://www.lebenslaute.de) (ein ganzes Sinfonieorchester blockierte musizierend die Tore zum Raketenstandort) und die Richterblockade (ca. 20 Richter entschlossen sich, unter Berufung auf ein höheres Widerstandsrecht das Strafgesetz (Nötigungsparagraph 240 StGB) zu brechen).
Allgemeiner richteten sich Proteste gegen die atomare Aufrüstung der USA, in geringerem Maße auch der UdSSR. Diese Bewegung führte unter anderem zur Gründung der Partei der Grünenn.
In der DDR kursierten seit Mitte der 1960er Jahre Diskussionspapiere zur Kriegsdienstverweigerung und über Methoden der gewaltfreien Verteidigung, die schließlich eine nicht staatlich kontrollierte Friedensbewegung inspirierten ("Schwerter zu Pflugscharen"). Nicht zuletzt die Erstickung des Prager Frühlings im August 1968 gab dieser Bewegung Auftrieb. In ihrer Wendung auch gegen die Aufrüstung des Warschauer Vertrages bildete sie eine wichtige Keimzelle für eine lose organisierte Opposition im realsozialistischen Teil Deutschlands. In den 1980er Jahren waren die Friedensdekaden jeweils im November ein Kulminationspunkt dieser Bewegung. Die Friedensgebete wurden 1989 zum Ausgangspunkt der späteren "Montagsdemonstrationen" in Leipzig und anderen Orten. Die gewaltfreie "Oktoberrevolution" der DDR und der Fall der Mauer am 9. November 1989 waren so auch Höhepunkte der Friedensbewegung.
1990 / 1991 bedeutete dann der 2. Irak-Krieg ein Ende vieler Illusionen vom großen Frieden und von der Friedensdividende, die man sich von der Auflösung des Ost-West-Konflikts versprochen hatte. Gegen diesen Krieg, den die USA in der UNO durchsetzen konnten, um Kuweit gegen den Angriff und die Besetzung Kuweits durch den Irak zu verteidigen, protestierten weltweit Millionen Menschen. Allerdings "dämmerte die Einsicht, dass die Protestform der Demonstration an ein vorläufiges Ende gelangt sei und der Weg vom Protestieren zum positiven Frieden (Buro 1997) konsequenter gegangen werden müsse". So wurde das Thema der Friedensbewegung der 1990er Jahre die Verbindung von Protest gegen militärische und Eintreten für zivile Konfliktbearbeitung.
Eine große Herausforderung waren dabei die Balkankriege, die auch innerhalb der Friedensbewegung zu hitzigen Auseinandersetzungen zwischen "Bellizisten" und "Pazifisten" führten. Es gab zwar keine nennenswerten zentralen Großdemonstrationen mehr, aber viele dezentrale Aktivitäten: vielfältige Hilfsmaßnahmen für Kriegsflüchtlinge, Unterstützung einheimischer Kriegsdienstverweigerer, konkrete Versöhnungsprojekte in den Nachfolgestaaten des früheren Jugoslawiens. Allerdings zeigte der brutale Bosnienkrieg auch eine gewisse Hilflosigkeit der neuen Friedensbewegung. Wie friedensstiftendes Handeln vor, in und nach den "neuen Kriegen" aussehen kann, musste und muss als neue Herausforderung weiter entwickelt werden. Ansätze hierzu werden unter dem Stichwort Zivile Konfliktbearbeitung bzw. Ziviler Friedensdienst erprobt.
Der völkerrechtlich sehr umstrittene Einsatz der NATO im Kosovo bzw. gegen (Rest-)Jugoslawien im Jahr 1999 (als Humanitäre Intervention bezeichnet) löste wieder starke öffentliche Proteste der Friedensbewegung aus.
2003 agierte die Friedensbewegung in vorher nicht dagewesenem Ausmaß global. Demonstrationen gegen den diesmal nicht von der UNO legitimierten Krieg der USA und seiner Verbündeten im Irak fanden praktisch auf der ganzen Welt statt.
Geschichte der deutschen Friedensbewegung
Friedensbewegung bis zum Ende des 1. Weltkriegs
Zwischen den Kriegen bis 1945; Weimarer Republik, Nationalsozialismus
1950er und 1960er Jahre; Wiederbewaffnung, Anti-Atom-Kampagne, Vietnamkrieg
1970er und 1980er Jahre; Neutronenbombe, Nato-Doppelbeschluss
Friedensbewegung in der DDR
1990er Jahre bis zur Gegenwart; Ende des kalten Krieges, Irak-Kriege, Kosovokrieg, "Krieg gegen den Terrorismus"
Persönlichkeiten der Friedensbewegung im deutschsprachigen Raum seit 1900
Literatur
Weblinks
Siehe auch: Darmstädter Signal, Frieden, Friedensdienst, Friedensforschung, Friedenspolitik, Kriegsdienstverweigerung
Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, Pazifismus, Antimilitarismus, Neue soziale Bewegungen, Soziale Bewegung