Kommune 1
Die Neutralität dieses Artikels ist umstritten. Eine Begründung findet sich auf der Diskussionsseite des Artikels. Siehe auch: Wikipedia:Neutraler Standpunkt.Die Kommune 1 oder K1 war die erste politisch motivierte Wohngemeinschaft in Deutschland. Sie wurde am 1. Januar 1967 in Berlin gegründet und löste sich im November 1969 endgültig auf.
Für viele war die "Ohne-Michel"-, die "bleierne" Adenauer-Zeit. Obrigkeitsdenken und starre Geschlechterrollen bestimmten die Familien- und die hierarchisch strukturierte Arbeitswelt. Nicht nur die Vergangenheit der Elterngeneration in der Zeit des Dritten Reiches wurden tot geschwiegen. In der BRD muffte es nach Meinung einiger gewaltig. Bei einem Treffen im Fühsommer 1966 im bayerischen Kochel diskutierten einige aus der Münchner Subversiven Aktion (wie Dieter Kunzelmann) und einige SDS-Mitglieder aus Berlin (wie Rudi Dutschke und Bernd Rabehl), Männer und Frauen darüber, wie man endlich aus diesem Sumpf, aus der Einsamkeit und Freudlosigkeit herausfinden könnte. Die politischen Verhältnisse, das eigene Leben revolutionieren? Aber wie? Dieter Kunzelmann hatte die Idee, ganz aus dem alten Spießer-Leben auszusteigen und eine Kommune zu gründen. Man beschloss, ein Leben der leidenschaftlich an sich selbst Interessierten zu versuchen. Kunzelmann zog bald nach Berlin. Dort gab es im SDS einen ersten Kommune-Arbeitskreis, der sich an die richtigen Fragen heran traute: Wie muss man leben, um nicht zum Faschisten oder Mörder zu werden? Sie erarbeiteten die These: Aus der Kleinfamilie entsteht der Faschismus. Sie ist die kleinste Zelle des Staates, aus deren unterdrückerischem Charakter sich alle Institutionen ableiten. Mann und Frau leben in Abhängigkeit voneinander, so dass keiner von beiden sich frei zum Menschen entwickeln kann. Diese Zelle musste zerschlagen werden. Als dann diese Theorie in die Praxis eines Lebens als "Kommune" umgesetzt werden sollte, sprangen viele SDSler ab, unter anderem Rudi Dutschke und Bernd Rabehl, die ihre Frauen und ihre alten Verhältnisse nicht aufgeben wollten. Am Neujahrstag 1967 zogen nur acht mutige Männer und Frauen in die Wohnung des Schriftstellers Uwe Johnson ein, der sich damals gerade in New York aufhielt. Sie nannten sich Kommune 1.
Zu den Kommunarden der ersten Stunde zählten unter anderem Dieter Kunzelmann, Fritz Teufel, Ulrich Enzensberger, Dorothea Ridder, Dagmar Seehuber und Volker Gebbert. Rainer Langhans kam erst im März dazu. Die Kommunarden versuchten zunächst, sich gegenseitig die eigene biografische Identität zu erzählen, um dann genau solche alten Sicherheiten zu brechen. Auf dem 'heißen Stuhl', einer Art Encounter, trieben sie sich gegenseitig nur unter größten Schwierigkeiten den Spießer aus. Eine schmerzhafte Prozedur: Von jetzt an würden sie fliegen können.
Die Kommunarden waren sehr unterschiedlich. Entsprechend unterschiedlich waren bald die Rollen, die jeder spielte. Kunzelmann war der Patriarch und ließ dies andere auch spüren. Seine Definition der Ziele der Kommune basierte auf seiner Zeit als "Situationist" und in der "Subversiven Aktion". Er war daher für die Abschaffung aller Sicherheiten, auch der Finanziellen, weswegen er zum Beispiel Stipendien verachtete. Er wollte jeden Besitz, jede private Sphäre abschaffen. Und er war gegen das Leistungs-, aber für das Spaß- oder Lustprinzip. Jeder sollte und konnte tun, was sie/er wollte, solange es unter aller Augen geschah.
Weil das häusliche Kommune-Leben zu einseitig war, entschied man sich, aus der internen Erfahrung Aktionen werden zu lassen. Die erste Aktion sollte das "Pudding-Attentat" auf den US-Vizepräsidenten Humphrey sein, der Berlin besuchte. Am Tag zuvor, am 5. April 1967, wurden allerdings die Kommunarden festgenommen. BILD titelte: "Attentat auf Humphrey" und DIE ZEIT "Elf kleine Oswalds". Sogar die New York Times berichtete über den gefährlichen Plan von acht Kommunarden, ihren Vize mit Pudding, Joghurt und Mehl zu attackieren, so dass Johnson seinen Freund und Nachbarn Günter Grass hastig beauftragte, diese Studenten aus seiner Wohnung zu entfernen. Die Kommunarden wurden schon am nächsten Tag aus der U-Haft freigelassen und gaben ihre erste Pressekonferenz. Deutschlands erste Popstars waren geboren. Die Springer-Presse nannte sie von jetzt an 'Horror-Kommunarden'. Es gab kaum eine Woche, in der die Kommune 1 nicht irgendwo in Berlin eine witzige Provokation aufführte, über sich die Presse nur zu gern hermachte. So entdeckte die K1, genial mit den Medien zu surfen und die Köpfe der Deutschen anzuzünden. Fritz Teufel wurde während der Demonstration vor der Oper gegen den Schahbesuch am 2. Juni (Tod von Benno Ohnesorg) verhaftet und des Landesverrats angeklagt. Er kam erst im Dezember wieder frei, nachdem er zuvor in den Hungerstreik getreten war. Aber die Straße feierte längst die verrücktesten Parties: "Freiheit für Fritz Teufel!" oder "Treibt Moabit den Teufel aus!" Während Teufels Abwesenheit entstand das berühmte K1-Foto: die nackten Rückenansichten vor der Wand. Die Bürgerschrecks ritten den Tiger und zeigte ihrer Generation, wo es lang gehen könnte: Das Private ist politisch!
Später schrieb Klaus Hartung in der ZEIT: " Kaum eine politische Theorie war erfolgreicher als jene, wonach die Revolutionäre sich revolutionieren müssen, wonach ohne Veränderung des Alltagslebens es keine Veränderung der Gesellschaft geben wird. Dieser Gedanke ist tatsächlich zum Maulwurf geworden." Der SDS allerdings bestand auf der Revolution der Verhältnisse. Das Sein präge das Bewusstsein, nicht umgekehrt (Dutschke sah zum Beispiel in der Frauenfrage einen Nebenwiderspruch). Die mit SDS unterzeichneten frechen Flugblätter der K1 ("Wasserwerfer sind Papiertiger") waren ihm bald ein Dorn im Auge. Im Mai 1967 schloss daher der SDS die "revolutionären Krawallmacher" (BZ) aus.
Langhans, Teufel und die anderen trugen lange Haare, Perlenketten, Armeemäntel oder Mao-Anzüge. Das hatten ihnen die Kommune-Frauen beigebracht. Bald ließen sie sich ihre Interviews und Fotos bezahlen. Im Flur ihrer Wohnung hing deutlich ein Schild: Erst blechen, dann sprechen. Aus den dadaistischen Marxisten waren muntere Spaßvögel geworden, die nur das machten, was sie selbst gut fanden. Das zog auch Andreas Baader und Gudrun Ensslin an. Die allerdings verstanden "brennende Kaufhäuser" wörtlich, ließen die Bombe los und hatten dann in Frankfurt ihren Prozess. Die K1 dagegen zündete weiter Köpfe an. Sie erfand Flyer, Flugblatt, Happenings und so etwas wie die Urform der Loveparade. Am 6. Juni 1967 begann für Langhans und Teufel der "Brandstifter-Prozess" - wegen eines Flugblattes der K1, in dem sie die Bevölkerung zur Brandstiftung in Kaufhäusern aufriefen: "Holt euch das knisternde Vietnam-Gefühl, das wir auch hier nicht missen wollen". Sie wurden frei gesprochen. Ihren Prozess schrieben sie in dem späteren Kultbuch "Klau mich" nach.
Die Kommune hatte sich nun zu einer Art Anlaufstelle für Probleme aller Art entwickelt. Täglich kamen Hilfegesuche ein. Das Haus wurde von Freunden und Groupies regelrecht belagert. Langhans war der Beau, Teufel der Clown. Liebesbriefe trafen ein: "Lieber Cürly, schöner Cürly!" (gemeint war Langhans). Besonders Fritz Teufel freute sich über die vielen Verehrerinnen. Weniger die Kommunarden, die die vielen Mädchen-Tränen zu trocknen hatten. Teufel flog raus.
Es wurde langsam düster in Berlin, die Gewalt auf der Straße nahm zu. Auch die Kommune musste sich verändern. Langhans plädierte für einen nochmaligen Rückzug. Man müsse sich nochmal genauer selbst anschauen. Kunzelmann dagegen träumte immer häufiger von Gewalt-Aktionen. Aber Langhans setzte sich durch und die Kommune 1 zog im Spätsommer 1968 in eine verlassene Fabrik in der Stephanstraße. Am 21. September 1968 fuhr die Kommune zu den Essener Songtagen, dem ersten Underground-Festival der BRD. Dort lernte Langhans Uschi Obermaier kennen, ein Fotomodell aus München. Sie lebte dort mit der Musikkommune Amon Düül. Auch Uschi hatte sich verliebt und zog bald in der Fabrik ein, wo Kommunarden gemeinsam in einem Schlafsaal wohnten und entsetzlich heiß und heftig diskutiert wurde. Uschi und Langhans waren bald in der Presse "das schönste Paar der APO". Die Politisierung des Privaten, dass Langhans und Obermaier offen über ihre Beziehung, über Eifersucht und 'Lustautomat' in den Medien Auskunft gaben, war der nächste große Tabu-Bruch und läutete die "Sexuelle Revolution" ein. Später folgten ihnen darin zum Beispiel John Lennon und Yoko Ono. Jetzt in der zweiten Kommune-Phase waren Sex, Musik, Drogen angesagt. Und die Besucher kamen aus aller Welt. Uschi verliebte sich in Jimi Hendrix, der eines Morgens plötzlich zwischen den Matratzen stand. Natürlich machte sie ihn mit ihren Freunden in der K1 bekannt. Uschis Gagen als Fotomodell stiegen, sie spielte eine Hauptrolle in dem Kulfilm "Rote Sonne" von Rudolf Thome, sie war auf Covers und Postern. Man munkelte, der Stern habe die Summe von 20.000 DM für eine Reportage und die Nacktfotos der ersten selbstbewussten Frau der Bewegung gezahlt. Teufel lebte längst in einer Münchner Kommune und gehörte zur "Bewegung 2. Juni", Kunzelmann geriet immer mehr in die Abhängigkeit von Heroin. Der zweite Kommunarde wurde vor die Tür gesetzt (alle anderen, so heißt es, gingen von allein). Ab und zu tauchte die Münchner Frauen-Kommune auf. Im November 1969 überfielen Rocker die Verbliebenen und verwüsteten die Räume: ein sicheres Zeichen, dass die Zeiten der Kommune 1 vorbei waren, dass man Berlin verlassen musste. Uschi Obermaier und Langhans gingen nach München. Es begann die Zeit in der Highfish-Kommune, man besuchte die Stones...vielleicht ein Pop-Konzern?