Raszien
Siehe auch SandschakRaszien (serbisch: Raška) ist ein Bergland in Südserbien und Ostmontenegro zwischen den Flüssen Tara (im Südwesten) und Ibar (im Osten). Die Hauptstadt ist Novi Pazar.
Ihren Namen hat die Gegend vom Fluss Raschka, einem Nebenfluss des Ibar, sowie von der gleichnamigen Stadt (früherer Name Ras) nahe Novi Pazar. Heute ist allerdings meist der türkische Name Sandschak (serbisch: Sandžak) gebräuchlicher. Er bezeichnet ein seit den Osmanen zum großen Teil islamisch geprägtes Gebiet zwischen Zentralserbien und Montenegro und bildet eine Brücke zwischen den Moslems von Bosnien und dem Kosovo.
Die Geschichte des Sandschak
Als Heimat der Serben
hat Raszien historische Bedeutung: die slawischenen Völker, die im 6. Jahrhundert ins heutige Serbien und weiter bis in die Alpen bei Slowenien kamen, siedelten sich zuerst hier an. Daher nannte man die Serben lange Zeit auch Raszier. Der Name selbst geht auf eine römische Siedlung zurück namens Arsa, vielleicht identisch mit Taurisium, dem Geburtsort Kaiser Justinians. Unweit von Arsa gründete Kaiser Justinian I. den befestigten Bischofssitz Iustiniana Prima, das bald das byzantinische Zentrum im nördlichen Balkan wurde. Das begünstigte möglicherweise, dass Arsa, serbisch Ras genannt, sich zu einem der Zentren frühester serbischer Staatlichkeit und Hauptsitz serbischer Fürsten, der Župane, entwickelte, obwohl das alte Serbien bis in das 14. Jahrhundert keine ständige Hauptstadt kannte, ähnlich wie das damalige Deutschland oder Ungarn. Der Name übertrug sich dann auf ein größeres Gebiet, und ab dem 12. Jahrhundert wurde es allgemein als Bezeichnung für das zentrale Serbien verstanden. So trugen auch die Nemanjiden, die bedeutendste serbische Dynastie des Mittelalters, offiziell den Titel der Könige Rasziens, der Küstenländer und aller Serben.
Nach der Römerzeit stand die Region unter byzantinischer Hoheit, erlebte jedoch wechselnde Reichsbildungen. Zunächst siedelten die dem altaischen Sprachkreis zugehörenden Awaren im Karpatenbogen und beiderseits der Donau seit dem Jahr 567. Das Awarenreich tangierte Byzanz wenig und bestand über 200 Jahre - bis zur Niederlage [803]] gegen das Frankenreich. Es blieb großteils außerhalb einer intensiven Berührung mit antiker Kultur, erlebte aber erste Christianisierungen seitens Rom und Byzanz.
Ab dem 5. Jahrhundert begannen Slawen auf die Balkanhalbinsel einzusickern. Anfangs begnügten sie sich mit Plünderungen und kehrten in ihre Gebiete nördlich der byzantinischen Donau-Grenze zurück, wo einige slawische Stämme mit den Awaren im Bunde waren. Andere wiederum zogen es vor, sich südlich der Donau niederzulassen. Um dem Herr zu werden und einer etwaigen awarischen Südexpansion vorzubeugen, begünstigte Byzanz slawische Stämme und deren Ansiedlung in die Provinzen des Balkan. Diese Slawen sollten die byzantinische Oberhoheit anerkennen und als Föderaten (siehe Franken) die Grenzen schützen. Jahrhunderte später schrieb der byzantinische Kaiser und Historiker Konstantin VII. Porphyrogennetos, dass auch die Serben und Kroaten als solche Föderaten ins Reich kamen. Dies wird jedoch von der modernen Geschichtsforschung stark angezweifelt. Jedenfalls, die damit seit 580 n. Chr. entstehende südslawische Wanderungsbewegung reichte vom heutigen Slowenien bis Bulgarien und den Peloponnes. Teile der Zuwanderer nahmen die griechischee Kultur an, andere blieben slawisch nach Sprache und Volkstraditionen. Aus ihnen bildeten sich kleinere Reiche unter Oberhoheit von Ostrom, vor allem das seit Mitte des 9. Jahrhunderts selbständige serbische Fürstentum. Es wurde am Ende des 12. Jhts. formell ein Königreich.
Großserbien, die Osmanen und Österreich
Im 14. Jahrhundert umfasste dieser zeitweilig großserbisches Reich genannte Staat unter Stefan Dušan 1331 - 1355 die ganze westliche Balkanhalbinsel: Serbien, Herzegowina, Montenegro, Albanien, Mazedonien und Nordgriechenland sowie Teile der heutigen Staaten Kroatien und Bulgarien.
In dieser Machtfülle bestand es zwar nur einige Jahrzehnte, motivierte jedoch viele Serben ab dem 19. Jahrhundert nochmals ein panslawistisch-großserbisches Reich anzustreben und den Anschluss Bosniens sowie des Sandschaks an Serbien zu fordern.
Die Reiche Serbien und Bosnien wurden durch die osmanisch-türkischen Eroberungen ab dem 14. Jahrhundert Teil des osmanischen Reiches. Die Serben unterlagen 1389 in der Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo Polje) und verloren in den nächsten Jahrzehnten ihre Eigenstaatlichkeit für mehrere Jahrhunderte. Das Kerngebiet Rasziens mitsamt der Stadt Ras, heute Raška, wurde zum Sandschak von Novi Pazar und dem bosnischen Wilayet angeschlossen. In dieser Zeit nahmen Teile der Bevölkerung den Islam an, doch blieb das serbische Nationalgefühl - nicht zuletzt durch die serbisch-orthodoxen Klöster - erhalten.
1991 war die Hälfte der Bevölkerung des Sandschak muslimisch. Durch den Zerfall Jugoslawiens und insbesondere durch den Bosnienkrieg 1992-1995 beeinflusst, bekamen die Muslime des Sandschaks 1993 den Status einer nationalen Minderheit als Bosniaken staatlich anerkannt. Einige Bosniaken des Sandschaks streben sogar eine autonome Provinz Sandžak nach Vorbild des Kosovos oder der Vojvodina innerhalb Serbiens, obwohl die Bosniaken in den alten historischen Grenzen des Sandschaks von Novi Pazar - eine administrative Einheit oder Provinz Sandschak gibt es in Serbien nicht - selbst eine Minderheit gegenüber den dortigen Serben darstellen (Volkszählung 2002).
Siehe auch: Bosnien, Geschichte Jugoslawiens, Geschichte Montenegros, Geschichte Serbiens, Osmanisches Reich, Sandschak
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