Geschichte Montenegros
Montenegro war anfangs ein Vasallenstaat von Byzanz, später von Raszien. Das heutige Montenegro war im Mittelalter aufgeteilt zwischen Raszien (Raška, Altserbien) und Dioklitien oder Duklja. Raszien gehörte gut die Hälfte Montenegros, Duklja umfasste den Süden um die Städte Bar, Ulcinj, Ribnica nahe dem heutigen Podgorica, und Shkodra (serb. Skadar) in Albanien.
Als der erste slawische Fürst der Duklja wird ein Archont Petar im 10. Jahrhundert genannt. Duklja anerkannte zeitweilig auch die Oberhoheit des serbischen Groß-Župan Časlav. Ende des 10. jahrhunderts herrschte in Duklja Jovan Vladimir (992-1016), der in byzantinischen Quellen als serbischer Princeps unter der Oberhoheit von Byzanz bezeichnet wird. Der byzantinische Chronist Ioannis Scilitza (Synopsis historiarum, Georgius Cedrenus Ioannis Scilitzae) nannte Jovan Vladimir als den Herrscher Tribaliens und der umliegenden Landstriche Serbiens. 998 geriet Vladimir in die Gefangenschaft des bulgarischen Zaren Samuil. Er heiratete Samuils Tochter und durfte in seine Heimat zurückkehren. Beide aber wurden von Vladislav, dem Neffen Samuils, 1016 in Prespa (Makedonien) umgebracht.
Jovan Vladimir folgte als Archont der Duklja Stefan Vojislav (um 1040-1052), der Sohn Dragomirs. Er gilt als Stammvater der Vojislavić. Ioannis Scilitza nannte Stefan Vojislav als den Archont der Serben, die Duklja als Serbien (Servia). Auch ein anderer byzantinischer Chronist, Kekaumenos, der über die kriegerischen Auseinandersetzungen der Duklja mit Byzanz berichtete, bezeichnete in seinem Werk Strategikon Stefan Vojislav als Travunischen Serben (Travunien, alte Bezeichnung für den Osten der Herzegowina). Stefan Vojislav erkämpfte die Unabhängigkeit der Duklja von Byzanz, und brachte zugleich Travunien und Hum in der heutigen Herzegowina unter seine Hoheit. Sein Sohn Mihailo (1052-1081) dehnte seinen Herrschaftseinfluss für kurze Zeit auf Bosnien und Raszien aus, und bekam 1077 vom Papst Gregor VII. die Königskrone. 1089 wurde in Bar ein katholisches Erzbistum für alle serbischen Länder zwischen (den Flüssen) Cetina (südlich von Split), Save (zwischen Altserbien und der Vojvodina), Drin (Nordalbanien) und Bojana (zwischen Albanien und Montenegro) eingerichtet. Konstantin Bodin (ca. 1081-1101), der Sohn Mihailos, vereinigte noch einmal Bosnien und Raszien unter die Hoheit der Duklja. Nach seinem Tode brach das Königreich der Duklja auseinander, und der Schwerpunkt der serbischen Länder verlagerte sich nach Raszien, unter dessen Herrschaft in späterer Folge auch die Duklja kam.
Die Duklja war fester Bestandteil des serbischen Staates der Nemanjiden (1168-1371). Mit dem Auseinanderbrechen des serbischen Zarenreiches unter Uroš V konstituierte sich im Jahre 1360 ein unabhängiges Fürstentum namens Zeta unter der Dynastie der Balšić (ab 1360-1421). Nach dem Aussterben der Balšić kam die Zeta 1421 neuerlich unter die Herrschaft der raszischen Fürsten Stefan Lazarević und Djuradj Branković. Nachdem die Osmanen um 1459 Serbien eroberten, herrschten die Crnojević (1465-1528) als osmanische Vasallen in der Zeta. Dem Osmanischen Reich, das seit dem 15. Jahrhundert den größten Teil des Balkan beherrschte, gelang es nie, Kontrolle über das Kerngebiet von Zeta zu erlangen.
Nach 1528 standen die orthodoxen Bischöfe von Cetinje an der Staatsspitze. Damit beginnt eigentlich die Geschichte Montenegros. Unter dem Titel Vladika (Wladika) vereinigten sie geistliche und weltliche Macht und hatten die Oberhoheit über die freien montenegrinischen Bergstämme. Seit 1697 besaß die Familie Petrović das Amt des Vladika erblich. Es wurde immer vom Onkel an den Neffen weitergegeben, da orthodoxe Bischöfe unverheiratet sein mussten und demnach auch keine legitimen Nachkommen haben konnten.
Unterdessen stand ein Teil des heutigen montenegrinischen Küstengebiets um die Bucht von Kotor herum unter venezianischer Herrschaft und war damals als Venezianisches Albanien bekannt (obwohl seine Bevölkerung auch damals slawischpsrachig war). 1797 wurde diese Gebiet ebenso wie das venezianische Dalmatien Teil des österreichischen Kaiserstaats. Die Montenegriner machten sich zwischen 1803 und 1814 mehrfach Hoffnungen, die Hafenstadt Kotor ihrem Staat anschließen zu können, weil die Österreicher durch Napoleon geschwächt waren, aber es gelang ihnen nicht. Das Gebiet um die Bucht von Kotor blieb bis 1918 Teil des zur österreichisch-ungarischen Monarchie gehörenden Provinz Dalmatien.
Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die theokratische Herrschaft in Montenegro aufgegeben und das Land in eine weltliches Fürstentum umgewandelt; die Bildung eines modernen Staates begann. Unter der Herrschaft des Fürsten Nikola I (1860 - 1918) konnten die Montenegriner dem geschwächten Osmanischen Reich verschiedene Gebiete entreißen und ihr Staatsgebiet verdoppelte sich. 1878 wurde die Unabhängigkeit Montenegros von den europäischen Großmächten anerkannt und das Land bekam auf dem Berliner Kongress den Hafen Bar zugesprochen und hatte nun erstmals eigenen Zugang zum Meer.
1905 erhielt Montenegro seine erste Verfassung und 1910 erklärte sich der Fürst zum König. Außenpolitisch lehnte sich das kleine Königreich an Russland und Italien an, die Beziehungen zum benachbarten Österreich-Ungarn (gemeinsame Grenze mit dem Süden Dalmatiens) waren nicht besonders gut. In den Balkankriegen (1912/13) verschärfte sich der Gegensatz zur Donaumonarchie, als man deren Pläne durchkreuzte und sich der albanischen Stadt Shkodra bemächtigte, welche die Wiener Diplomatie aber dem neu entstandenen Staat Albanien zugedacht hatte. Auf Druck der Großmächte mussten die Montenegriner Shkodra räumen. Die mehrheitlich von Albanern bewohnte Stadt Ulcinj (alb. Ulqin) blieb jedoch bei Montenegro.
Nach dem Eintritt Montenegros in den Ersten Weltkrieg auf der Seite Serbiens (August 1914), seiner Besetzung durch deutsche und österreichisch-ungarische Truppen (Januar 1916) kam es zum unfreiwilligen Ende der Unabhängigkeit: Unter der Behauptung, dass Nikolas einen Sonderfrieden mit dem Feind gesucht habe, wurde das Land an Serbien angeschlossen (29. November 1918) und wurde Teil des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen (Erstes Jugoslawien). Innerhalb dieses Königreiches wurden die alten Landesgrenzen bei der Verwaltungsgliederung nicht berücksichtigt, Montenegro existierte in dieser Zeit politisch nicht. Allerdings ist seit dem 19. Jahrhundert eine starke Identifizierung des montenegrinischen Volks mit dem Serbentum zu bemerken, so dass es problematisch ist, diese Entwicklung als Besetzung zu bezeichnen.
Im Zweiten Weltkrieg stand Montenegro ab 1941 unter italienischer Besatzungsherrschaft. Von italienischer Seite wurde versucht, ein mit Italien verbündetes pro forma selbständiges montenegrinisches Staatswesen zu errichten, was aber am Widerstand der (teilweise kommunistischen und antifaschistischen, teilweise pro-serbischen monarchistischen) Aufständischen scheiterte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Montenegro (jetzt unter Einschluß des Gebietes um die Bucht von Kotor, aber ohne das ab 1913 kurzzeitig zu Montenegro gehörenden Gebiet um die Stadt Peć im Kosovo) als eine der sechs Teilrepubliken Jugoslawiens wiederhergestellt (Zweites Jugoslawien).
1992, nach Austritt von Bosnien-Herzegowina, entschied sich Montenegro, im Verband mit Serbien zu bleiben und wurde Teil der Bundesrepublik Jugoslawien(Drittes Jugoslawien).
Nach dem (Bürger-)Krieg in den 1990er Jahren wuchsen die Differenzen zwischen Montenegro und Serbien, weil die Bevölkerung des kleineren Landes Montenegro die Isolation und die Last des großserbischen Krieges nicht mehr mittragen wollte. Die Regierung des seit Anfang der 90er Jahre regierenden Premiers Đukanović strebte eine Ablösung von Serbien an. Immer mehr Bereiche, so etwa mit offizieller Einführung der schon vorher den Schwarzmarkt dominierenden D-Mark auch die Währungspolitik, wurden in einer legalen Grauzone aus der Zuständigkeit der Bundesrepublik Jugoslawiens in die der Republik übertragen. Trotz dieser Politik litt Montenegro vor allem wirtschaftlich unter den Sanktionen und der einst blühende Fremdenverkehr blieb fast ausschließlich auf Gäste aus Serbien beschränkt.
Montenegro hielt sich im Kosovokonflikt in den späten Neunzigern bewusst heraus. So kam es im Zuge der NATO-Angriffe im Kosovokrieg zu einer Ausklammerung Montenegros vom NATO-Angriff. Allerdings wollte die internationale Gemeinschaft eine endgültige Ablösung Montenegros verhindern.
2002 einigten sich Serbien und Montenegro unter Druck von Seiten der EU auf die Auflösung Rest-Jugoslawiens und die vorläufige Gründung eines losen Verbundes zweier eigenständiger Staaten namens Serbien und Montenegro. 2005 soll die Bevölkerung über den Fortbestand dieses Staatenbundes abstimmen.
Im Frühjahr 2003 erschütterte ein Schmuggel- und Frauenhandelsskandal Montenegro. Es sollen auch mehrere Minister und sogar der Premier Đukanović darin verstrickt gewesen sein. Bei der folgenden Untersuchung konnte diesem aber nichts nachgewiesen werden. Allerdings bestehen Zweifel an der Unabhängigkeit des Verfahrens.
Heer, Caspar: Territorialentwicklung und Grenzfragen von Montenegro in der Zeit seiner Staatswerdung. 1830-1887. Bern u. Frankfurt 1981.
Tischler, Ulrike: Die habsburgische Politik gegenüber den Serben und Montenegrinern 1791-1822. Förderung oder Vereinnahmung? München 2000. ISBN 3-486-56525-7
Weblinks
Derzeit als eine der besten Webseiten über die Geschichte Montenegros empfohlen (in Englisch):
Weitere Artikel zum Thema Südosteuropa siehe Portal SüdosteuropaMittelalter
16. bis 19. Jahrhundert
20. Jahrhundert
90er Jahre
Staatenbund Serbien und Montenegro
Literatur