Staatsverschuldung
Die Staatsverschuldung bezeichnet die vom Staat akzeptierten Gesamtforderungen der kreditgebenden Gläubiger an einen Staat, in Deutschland also die dafür haftenden Bund, Länder, Kommunen und Sondervermögen.
Table of contents |
2 Grenzen der Staatsverschuldung 3 Historischer und internationaler Vergleich 4 Volkswirtschaftliche Bedeutung 5 Weblinks |
Daneben wird oft die Nettokreditaufnahme(=Nettoneuverschuldung) angegeben. 2001 lag sie im Bund bei 154 Mrd. €. Seit 1962 kam es in jedem Jahr zu einer Nettoneuverschuldung des Bundes; nur im Zeitraum von 1950 bis 1961 war in acht Jahren eine Nettotilgung der Bundesschuld möglich.=> Nettokreditaufnahme
Entsprechend sind die Zinslasten gewachsen. Die Zinslastquote (Zinsausgaben in % der Gesamtausgaben) lag für den Bund im Jahr 2001 bei 16,2%; in einigen Bundesländern noch deutlich darüber.
Zwischen 1965 und 2002 überstieg die Summe der Zinsausgaben die Summe der Neuverschuldung. Die Neuverschuldung deckte also nicht einmal die Zinsausgaben.
Dieses von der Bundesbank als "Teufelskreis einer Schuldendynamik" bezeichnete Problem hat bereits zu einem Schuldenberg geführt, der nicht abgetragen werden kann. Selbst bei einer (unter heutigen Bedingungen unrealistischen) jährlichen Rückzahlung von 13 Milliarden € wäre dies in 100 Jahren nicht möglich. Ein Ausweg könnte die Einführung eines Insolvenzrechtes auch für öffentliche Schuldner sein.
Die Entwicklung in Deutschland seit 1991 zeigt folgenden Verlauf:
Begriffe und Zahlenangaben für Deutschland
Laut Angaben des Bundes der Steuerzahler steigt die Gesamtverschuldung der Bundesrepublik um ca. 2300 € pro Sekunde. Die aktuelle Verschuldung (2003) beträgt 1351 Mrd. €, das entspricht 62.7% des Bruttoinlandsproduktes (zum Vergleich: 1960 waren es noch 18.5%) und ca. 16.300 € pro Kopf. Rechnet man zur nominalen Verschuldung noch versteckte Schulden, wie zukünftig anfallende Renten- und Pensionszahlungen die als dauerhafte Spareinlagen dem Wirtschaftkreislauf entzogen werden könnten, hinzu wird die Schuldenquote wesentlich höher, allerdings bilden Renten und Löhne, im Gegensatz zu Kapitaleinkommen nicht wirklich die Sparbuchrekorde: Hans-Werner Sinn, Präsident des münchener ifo-Instituts, gibt an, dass ein in Deutschland geborenes Kind eine Schuldenlast von 81.000 € trage (Die Zeit, 13.05.04, S. 26).
(in Billionen Euro nominal, Quelle: Destatis)
1991: 0,569 1992: 0,681 1993: 0,766 1994: 0,840 1995: 1,009 1996: 1,069 1997: 1,119 |
1998: 1,153 1999: 1,183 2000: 1,198 2001: 1,203 2002: 1,253 2003: 1,326 |
Die Steigerungsrate betrug in den Jahren 1991 bis 1998 ~10,6 % p.a.
Die Steigerungsrate betrug in den Jahren 1998 bis 2003 ~ 2,8 % p.a.
Die Abflachung im Jahr 2000 rührt von den UMTS-Erlösen.
Gründe für den in den 1990er Jahren erheblichen Anstieg der Staatsverschuldung waren die deutsche Wiedervereinigung und die wachsende Massenarbeitslosigkeit.
Grenzen der Staatsverschuldung
Der Staat darf nicht unbegrenzt Schulden machen. Nach Art. 115 GG besteht ein Parlamentsvorbehalt und eine inhaltliche Begrenzung (die Kredite dürfen nicht die Summe der Investitionen übersteigen). Außerdem legt die EU in den Konvergenzkriterien zur gemeinsamen Währung Euro (im Maastricht-Vertrag von 1992) folgende Grenzen fest:
- Das Haushaltsdefizit darf maximal 3,0 % des BIP betragen.
- Die Gesamtverschuldung darf 60,0 % des BIP nicht überschreiten.
Historischer und internationaler Vergleich
Staat | Staatsschulden im Verhältnis zum nominalen BIP 2003 (Schuldenstandsquote) |
---|---|
Japan | 155,7 % |
Italien | 120,1 % |
Belgien | 102,4 % |
Österreich | 66,8 % |
Deutschland | 64,9 % |
Spanien | 64,4 % |
USA | 63,8 % |
Schweden | 59,2 % |
Vereinigtes Königreich | 51,1 % |
Norwegen | 20,8 % |
Historisch waren Kriege, Wirtschaftskrisen und Verschwendungssucht die wesentlichen Antriebskräfte für steigende Verschuldung. Die Phase des Wirtschaftswachstums vom Ende des 2. Weltkriegs bis Anfang der 1970er Jahre ermöglichte in den meisten Industrieländern einen Schuldenabbau. Danach ist die Verschuldung in fast allen OECD-Ländern bis 1996 rasant angestiegen; seitdem sinken sie leicht. Der Durchschnitt lag 2001 bei 64,6% (bei starken Unterschieden: Australien 20,9%, Japan 132,6%, Deutschland 60,2% nach OECD-Kriterien).
Verschuldung ist nicht nur ein Problem der Industrienationen, sondern noch extremer der Entwicklungsländer und ganzer Wirtschaftsräume (siehe: Verschuldungskrise).
Staatsschulden sind auf die Zunkunft verschobene Steuererhöhungen. Kritiker einer Verschuldungspolitk argumentieren, dass durch die hohe Staatsverschuldung die jetzige Generation auf Kosten zukünftiger Generationen lebe (Generationenbilanz). In Deutschland ist dies nur zum Teil richtig: Ca. 60% der Staatsschulden sind Schulden des Staates bei seinen Bürgern. Werden in der Zukunft diese Schulden zurückgezahlt, erfolgt lediglich eine Umverteilung von Steuerzahlern zu den Gläubigern (Besitzer von Bundesschatzbriefen u.ä.). Lediglich 40% der deutschen Verschuldung sind Auslandsschulden. Ihre Rückzahlung wird in der Zukunft der Volkswirtschaft Geld entziehen.
Ein weiterer volkswirtschaftlich bedeutender Effekt hoher Staatsverschuldung ist der Verdrängungseffekt auf dem Kapitalmarkt: Durch die hohe Nachfrage des Staates nach Geld steigen die Finanzierungskosten der Unternehmen. Für sie werden Kredite teuerer, Investitionen unterbleiben. Dadurch sinkt ihre Wettbewerbsfähigkeit, das Wirtschaftswachstum leidet.
Die Kehrseite der öffentlichen Verschuldung ist neben den Folgen der Kürzungsanstrengungen der öffentlichen Haushalte das Vermögenswachstum der Gläubiger. Kritiker beschreiben daher die Staatsverschuldung auch als gigantische Umverteilung von unten nach oben. In Deutschland verfügen die oberen zehn Prozent der privaten Haushalte über mehr als 50% des Geldvermögens von 3.730,5 Milliarden €.
Ökonomen wie Heiner Flassbeck weisen darauf hin, dass die Gesamtgeldmenge in einer Volkswirtschaft stets Null ist. Minhin wenn sich die Privatleute nicht verschulden, dies der Staat tun müsse um deflationären Tendenzen vorzubeugen. Keynesiansich inspirierte Konzepte zur Staatsverschuldung sehen nach einer "Anschubfinanzierung" eines Konjunkturaufschwungs eine Refinanzierung durch die höhere Besteuerung der Vermögensbesitzer vor.
Ob eine hohe Staatsverschuldung zu mehr Wachstum führt, scheint mit Blick auf die Rekordverschuldungen des letzten Jahrzehnts und die gleichzeitig sehr niedrigen Wachstumsraten jedoch fraglich, zumal die Zinsforderungen der Gläubiger bereits höher sind als die jährliche Neuverschuldung. Unter diesem Gesichtpunkt ist die Neuverschuldung nichts anderes mehr als verschenkte Steuergelder der Allgemeinheit an die Kreise der Gläubiger als Zinsen verpackt. Durch die von den Gläubigerforderungen verursachte Liqiditätskrise des Staates, muss der Staat wiederum mehr Schulden bei ihnen aufnehmen. Mit immer schneller aufeinander folgenden Privatisierungen, Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen an Sozialem werden die wachsende Zinsforderungen der Gläubiger dann bedient. Politisch zweifelhaft zumal sich ausser dem Zweck, den Kreditgebern höhere Einnahmen zu sichern, die nachweißlich aber nie mehr zurückzuzahlen sind, keiner erschließen lässt.
Unter der Voraussetzung, das die Banken die sinkenden Zinsen der Zentralbank (EZB) als prozentuale Vergünstigung auf gewährte Kredite überträgt und nicht etwa als Bonus auf umlaufschädigende Kapitalguthaben, gilt auch die Senkung von Leitzinsen die Last der Staatsverschuldung dämpfend. Dies ist in der Regel jedoch nicht der Fall, es werden dann zumeist nur höhere Kredite gewährt aber bei weiter gleichbleibenden, quantitativ mitwachsenden Zinsforderungen.
Volkswirtschaftliche Bedeutung
Die Bewertung der Staatsverschuldung ist in den Wirtschaftwissenschaften kontrovers: "Eine der schrecklichsten Geißeln, die jemals zur Plage einer Nation erfunden wurden" vs. keynesianische Rechtfertigung verstärkter Verschuldung zur "Ankurbelung" des Wirtschaftswachstums.
Beispiel: 2001 betrugen die Steuereinnahmen des Staates 448,1 Mrd Euro.
Die Schulden betrugen 1.232 Mrd Euro.
Die Zinforderungen der Gläubiger daraus betrugen 66,6 Mrd Euro.
Diese wurden beglichen durch eine Neuverschuldung von 58,9 Mrd Euro.
Die 7,7 Mrd Euro Restforderungen bekamen dann die Bürger in Form von Einsparungen direkt zu spüren, der Kaufkraftverlust daraus, der zumeist in Insolvenzen des Mittelstandes endet war jedoch kaum noch zu kompensieren und hatte sinkende Steuereinnahmen in fast genau der selben Höhe 2002 zur Folge. Was netto übrig blieb war somit nur der alljährliche Anstieg der gesamten Staatsverschuldung.Weblinks