Masoretischer Text
Der Masoretische Text (auch massoretisch, von masorah, dt. Tradition) ist ein hebräischer Text des Tanach (Altes Testament der Bibel). Dieser Text wurde aus heute nicht mehr bekannten Quellen gegen Ende des 1. nachchristlichen Jahrhunderts zusammengestellt. Die ältesten erhaltenen Handschriften stammen aus dem 9. Jahrhundert. Jedoch deuten ältere Bruchstücke darauf hin, dass der Text seit dem 1. Jahrhundert sehr genau überliefert wurde.
Table of contents |
2 Kanonisierung und erste Textedition 3 Die Masoreten 4 Beziehung zu anderen Texten |
Heutiger Gebrauch
Der Masoretische Text bildet heute den im Judentum benutzten Tanachtext.
Im Christentum stellt er eine der wichtigsten Quellen für Bibelübersetzungen dar. Vor allem protestantische Theologen greifen bevorzugt auf den masoretischen Text zurück.
Die Textkritik des Alten Testamentes geht infolge der Entstehungsgeschichte des Masoretischen Textes heute davon aus, dass der Masoretische Text dem zur Zeit des Urchristentums verwendeten Text des Alten Testamentes am nähesten kommt. Nur wo begründete Zweifel an diesem Text bestehen, sollte die betreffende Textstelle zugunsten einer anderen Quelle aufgegeben werden.
Kanonisierung und erste Textedition
Nach dem jüdischen Aufstand, der um das Jahr 70 n. Chr. endete, wurde ein Treffen unter dem pharisäischen Rabbi Yochanan ben Zakkai im Jahre 95 in Jamnia einberufen, um das geistliche Gremium des Judentums, den Sanhedrin, wiederherzustellen. Auf diesem auch als Synode von Jamnia bezeichneten Treffen wurde unter anderem der Kanon der heiligen Schriften diskutiert.
Unter den umstrittenen Texten waren die heute deuterokanonische Schriften bzw. Apokryphen genannten Bücher, die in der römisch-katholischen Kirche und den Ostkirchen als inspiriert gelten, sowie die die Sprüche Salomos, das Buch des Hohen Liedes und der Prediger Salomo. Die letzten drei Bücher wurden wahrscheinlich nur in den Kanon aufgenommen, da sie Salomo zugesprochen wurden, eine heute als unwahrscheinlich geltende These.
Die Kanonisierung des Tanach war etwa um 100 nach Christus, besonders durch das Wirken Rabbi Akibas abgeschlossen. Ein verbindlicher jüdischer Text war unter anderem notwendig geworden, da es mit Vertretern des sich ausbreitenden Christentum immer wieder zu Differenzen in der Lesart und Auslegung der Heiligen Schriften kam. Dazu hatte insbesondere die Verwendung der griechischen Septuaginta durch die Christen und Juden der hellenistischen Welt beigetragen.
Es ist im einzelnen wenig darüber bekannt, nach welchen Kriterien aus den verschiedenen zu jener Zeit existierenden Textversionen ausgewählt wurde. Relativ sicher erscheint, dass Vulgärtexte, also Texte, die eine populäre und vereinfachende Sprache zeigten, zugunsten differenzierter und älterer Textversionen aufgegeben wurden. Aramäische Worte und Passagen wurden durch ursprünglichere hebräische Textversionen ersetzt. Der jüdische Brauch, Schriften, die nicht mehr im Gottesdienst verwendt werden konnten, wie einen Toten zu "bestatten", führte dazu, dass heute so gut wie keine Handschriften aus dieser Zeit erhalten sind.
Seit der Kanonbildung kann man von einem sehr stabilen Konsonantentext ausgehen. Im Umlauf befindliche abweichende Schriften wurden diesem Text in der Folge entweder durch Korrektur angeglichen oder als unbrauchbar verworfen. Dieser Prozess dauerte bis ins 8. Jahrhundert. Mittelalterliche jüdische Handschriften zeigen weitgehend einheitliche Textfassungen.
Höhepunkt dieser Tätigkeiten war die Zeit von etwa 780 - 930, in die Bewegung der Karäer ihren Einfluss auf das jüdische Geistesleben entfaltete. Am deren Ende standen die Handschriften der Masoretenfamilien Ben Ascher in Tiberias (Palestina) und Ben Naftali. Obwohl die Notationsart der Ben Naftali weiter fortgeschritten erscheint, setzte sich ab dem 12. Jahrhundert die Fassung Ben Aschers durch, die auch von Maimonides favorisiert wurde.
Folgende Aufgaben wurden von den Masoreten in Angriff genommen:
Verschiedene Punktationssysteme, die teilweise voneinander abhängen, kamen zum Einsatz:
Die Schriftrollen vom Toten Meer stimmen teilweise mit dem Masoretischen Text, teilweise mit der Septuaginta und teilweise mit keinem der beiden Texte überein.
Der Codex Leningradensis gilt als älteste Handschrift, welche die vollständige Hebräische Bibel (Tanach) enthält. Er stellt eines der besten Beispiele masoretischer Texte dar.
Ein Vergleich mit der Septuaginta, der zweiten Textquelle des Tanach, ergibt zahlreiche kleine und einige auch theologisch signifikante Unterschiede.Die Masoreten
Der einmal gesicherte Konsonantentext sollte durch die Tätigkeit seiner Überliefererer (Masoreten) möglichst nicht mehr verändert werden. Vielmehr wurde eine noch genauere Textfassung angestrebt.
Zur Umsetzung dienten ihnen eine Reihe von Zusätzen, die dem Konsonantentext beigegeben wurden.Vokalisierung
Der hebräische Konsonantentext enthielt nur wenige Vokalzeichen. Diese wurden zudem unregelmäßig gebraucht. Daher wurden durch das Hinzusetzten bestimmter Zeichen die Konsonaten mit Vokalen versehen. Dies wurde durch verschiedene Punkte unter (infralinear), über (supralinear) teils in den Buchstaben der Quadratschrift erreicht.
Diese Tätigkeit wird als punktieren bezeichnet.
Letztlich setzte sich das tiberische System durch. Problematisch und teilweise bis heute strittig war die Wahl der Vokale, da die hebräische Sprache zum Zeitpunkt der Vokalisierung bereits hunderte von Jahren von der Sprache des Konsonantentextes entfernt war.Phrasierung des Textes
Ähnlich wie bei der Vokalisierung wurden Textabschnitte durch Punktation und Akzentuation kenntlich gemacht. In einigen heutigen Bibelausgaben wird dies vor allem am Satz des Psalters deutlich, in dem das hebräische Versmaß abgebildet werden soll.Sicherung des Textes
Die Sicherung des Textes wurde durch die Beigabe der Masora (im engeren Sinne) erreicht. Man unterscheidet, je nach Position zum Text:
Die Masora enthält Hinweise zur Gestalt des Textes und stellt keine Auslegung des Textes dar. So wird beispielsweise hingewiesen auf:
Die Masora gleicht vielerorts einem ausgefeilten Zahlenspiel. Tatsächlich hatten die so genannten Sopherim zuallererst begonnen, jedes einzelne Wort des Textes zu zählen. Dieses bildete jedoch für die Masoreten eine unverzichtbare Möglichkeit, die Korrektheit ihrer Abschriften zu prüfen. Sie kann damit als früher Vorläufer der in der Informatik verwendeten Prüfsummen angesehen werden.Beziehung zu anderen Texten