Marcus Terentius Varro
Marcus Terentius Varro, * 116 v. Chr zu Reate im Sabinischen, † 27 v. Chr, der größte römische Polyhistor,Varro wandte sich frühzeitig den Studien zu, ohne sich jedoch seinen bürgerlichen Pflichten zu entziehen. Er bekleidete das Tribunat, die kurulische Ädilität und die Praetur und war 67 Legat seines Freundes Pompeius im Seeräuberkrieg. In derselben Stellung kommandierte er 49 in Spanien, musste sich aber nach der Kapitulation von Ilerda an Gaius Julius Cäsar ergeben. Trotzdem er sich hierauf aufs neue an Pompeius anschloss, wurde er nach der Schlacht bei Pharsalos von Cäsar begnadigt und kehrte 46 nach Rom zurück; 43 von Marcus Antonius wie sein Freund Marcus Tullius Cicero geächtet, entging er nur mit knapper Not dem Tod. Von Oktavian begnadigt, lebte er, bis an sein Ende geistesfrisch und literarisch tätig,
Varros Gelehrsamkeit umfasste das ganze Gebiet des damaligen Wissens, und seiner Produktivität kam kein Römer und nur wenige unter den Griechen gleich. Die Gesamtzahl seiner teils prosaischen, teils poetischen Werke betrug über 70 in mehr als 600 Büchern. Vollständig erhalten haben sich davon nur die im 80. Lebensjahr verfassten drei Bücher über die Landwirtschaft (hrsg. von Schneider in den "Scriptores rei rusticae", Leipzig 1794, und von Keil, das. 1882 ff.; Textausg. von Keil, das. 1889) und von den 25 Büchern des Werkes "De lingua latina" Bd. 5-10 (beste Ausg. von Spengel, 2. Aufl., Berl. 1885, und O. Müller, Leipz. 1833).
Hauptsächlich galten seine Studien der heimischen Sprache, Literatur, namentlich der dramatischen (s. Plautus), Geschichte und Altertumskunde. Von seinen größern Werken erwähnen wir noch die von Spätern vielbenutzten "Antiquitates rerum humanarum et divinarum" in 41 Büchern, eine erschöpfende Darstellung des gesamten politischen und religiösen Lebens der Römer seit den ältesten Zeiten; die "Disciplinae" in 9 Büchern, eine Enzyklopädie der zur allgemeinen Bildung gehörigen Wissenschaften (Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie, Musik, Architektur, Medizin); die "Imagines" oder "Hebdomades" in 15 Büchern, welche 100 Hebdomaden oder 700 Porträtbildnisse berühmter Römer und Griechen mit epigrammatischen Unterschriften enthielten, und die 150 Bücher Menippeischer Satiren ("Saturae Menippeae") in einer zwischen Prosa und mannigfachen Versarten wechselnden Form (Sammlung der Bruchstücke der Satiren von Riese, Leipz. 1865, und Bücheler im Anhang zu Petronius, 3. Ausg., Berl. 1882).
Über sein Leben schrieben Roth (Bas. 1857) u. Boissier (Par. 1861); über seine Schriftstellerei vgl. insbesondere Friedrich Wilhelm Ritschls Arbeiten in "Opuscula", Bd. 3, S. 352 ff.
Textvorlage aus Meyers Konversationslexikon, 4. Aufl. 1888/89