Primat
siehe auch PrimatenAllgemein bezeichnet Primat (lat: Vorrang, Vorzug) eine vorrangige Stellung. In der römisch-katholischen Kirche meint Primat die Vorrangstellung des Papstes. Nach der Lehre dieser Glaubensgemeinschaft hat der Papst die höchste Rechtsgewalt in der Kirche (Jurisdiktionsprimat). Verbunden damit ist auch die höchste Lehrgewalt (suprema quoque magisterii potestas), die ex cathedra unfehlbar ist. Diese Vorrangstellung des Papstes wurde im 1. Vatikanischen Konzil zum Dogma erklärt.
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2 Biblischer Hintergrund 3 Historische Entwicklung 4 Sicht anderer Kirchen 5 Weblinks |
Definition der katholischen Kirche
Definition des Jurisdiktionsprimats im 1. Vatikanischen Konzil:
- Wer also sagt, der römische Bischof habe nur das Amt einer Aufsicht oder Leitung und nicht die volle und oberste Gewalt der Rechtsbefugnis über die ganze Kirche - und zwar nicht nur in Sachen des Glaubens und der Sitten, sondern auch in dem, was zur Ordnung und Regierung der über den ganzen Erdkreis verbreiteten Kirche gehört -; oder wer sagt, er habe nur einen größeren Anteil, nicht aber die ganze Fülle dieser höchsten Gewalt, oder diese seine Gewalt sei nicht ordentlich und unmittelbar, ebenso über die gesamten und die einzelnen Kirchen wie über die gesamten und einzelnen Hirten und Gläubigen, der sei ausgeschlossen.
- Der Bischof der Kirche von Rom, in dem das vom Herrn einzig dem Petrus, dem Ersten der Apostel, übertragene und seinen Nachfolgern zu vermittelnde Amt fortdauert, ist Haupt des Bischofskollegiums, Stellvertreter Christi und Hirte der Gesamtkirche hier auf Erden, deshalb verfügt er kraft seines Amtes in der Kirche über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann.
Biblischer Hintergrund
Matthäus 16, 18f (Vers 18f im 16. Kapitel des Matthäus-Evangeliums) ist die Bibelstelle, auf die sich der Primatsanspruch der Päpste vor allem gründet: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein."Bibeltext im Zusammenhang:
- 13 Als Jesus in das Gebiet von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger: Für wen halten die Leute den Menschensohn?
- 14 Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten.
- 15 Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich?
- 16 Simon Petrus antwortete: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!
- 17 Jesus sagte zu ihm: Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.
- 18 Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.
- 19 Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was immer du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was immer du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.
Johannes 21, 15ff::"Weide meine Lämmer ... weide meine Schafe"
Historische Entwicklung
Frühe Kirche
In der Frühzeit der Kirche bildeten sich, der römischen Verwaltungsstruktur entsprechend, fünf Patriarchate heraus. Das römische Patriarchat deckte dabei das gesamte Gebiet des Weströmischen Reiches ab.
Die frühe Kirche hat dem Patriarchat von Rom gegenüber den anderen Patriarchaten ein Ehrenprimat oder Primat der Liebe zugestanden - eine Ehrenstellung im Sinne eines Primus inter Pares, die aber weder einen qualitativ höheren Rang beiinhaltete noch das Recht, ungefragt in die inneren Angelegenheiten anderer Patriarchate einzugreifen.
Die römische Kirche war in den ersten Jahrhunderten die Kirche der Hauptstadt, war allgemein geachtet, da sie die Gräber der "Apostelfürsten" Petrus und Paulus beherbergte und hatte eine hohe moralische Autorität. Ihr wird von den übrigen Kirchen ein Ehrenprimat gegeben. Die Petrusverheißung gemäß Matthäus 16,18 wird jedoch in der ganzen christlichen Literatur der ersten Jahrhunderte nur einmal zitiert: bei Tertullian, der die Stelle aber nur auf Petrus, nicht auf Rom bezieht.
Von Papst Klemens I ist ein Brief an die Korinther überliefert, mit dem er Streitigkeiten der dortigen Gemeinde zu schlichten versucht. Der Brief aus dem ersten jahrhundert zeigt, dass sich Papst Klemens auch für andere Gemeinden verantwortlich fühlte, auch wenn er darin keine explizite Jurisdiktion einfordert.
Der römische Bischof Viktor I (189-199) exkommunizierte ganz Kleinasien wegen des Ostertermins, traf dabei aber auf den Widerstand der übrigen Bischöfe, insbesondere auch des hochangesehenen Irenäus von Lyon und erlitt insofern eine Niederlage. Daneben exkommunizierte der energische Papst einen gewissen Theodotus von Byzanz aus theologischen Gründen und enthob den gnostischen Priester Florinus seines Amtes; daneben verurteilte er den sogenannten Adoptianismus. Viktor nahm so die Jurisdiktionsgewalt auch für andere Gemeinden mehrmals in Anspruch und wurde zum ersten Papst, dessen Primatsanspruch zum einen klar gefaßt war, zum anderen geschichtlich dokumentiert ist.
Der erste römische Bischof, der sich auf die Petrusverheissung berief, war Stephan I (254-257) in der Auseinandersetzung mit Cyprian von Karthago, doch er konnte sich damit nicht gegen Cyprian und die Bischöfe von Alexandria und Caesarea durchsetzen.
Ein westliches Konzil in Sardika 343 erlaubt abgesetzten Bischöfen die Appellation nach Rom. Der Entscheid wird von Julius I (337-352) als Beschluss von Nicäa ausgegeben, ist dort aber nirgends erwähnt.
Damasus I (366-384) interpretiert als erster die Petrusverheißung juristisch um für die römische Kirche eine Monopolstellung zu begründen. De facto hat jedoch sein Zeitgenosse Ambrosius, der Bischof von Mailand, wesentlich mehr Einfluss in der Kirche. Der Nachfolger von Damasus, Siricius, (384-399) nennt seine Statuta "apostolisch" und übernimmt im Verkehr mit den übrigen Kirchen den Amtsstil der kaiserlichen Kanzlei.
Das erste Konzil von Konstantinopel 381 weist dem Bischof von Neu-Rom (Konstantinopel) den zweiten Rang nach dem des alten Rom zu.
Bonifatius I (418-422) verbietet weitere Appellationen nach einem Entscheid von Rom und bezeichnet Rom als apostolicum culmen, die apostolische Spitze. Sein Zeitgenosse Augustinus von Hippo weiß jedoch nichts von Jurisdiktionsprimat Roms, für ihn ist, wie für die übrige damalige Kirche, die höchste Instanz das ökumenische Konzil.
Im dritten ökumenischen Konzil von Ephesus 431 wird Papst Coelestin I von einer dreiköpfigen römischen Delegation als Nachfolger von Petrus dem Haupt der Apostel bezeichnet, das findet jedoch in den Konzilsentscheiden keinen Widerhall.
Leo I (440-461) arbeitet die römische Primatidee voll aus, begründet durch Matthäus 16,18 und das römische Erbrecht. Im Konzil von Chalcedon 451 wird jedoch dem Patriarchat von Konstantinopel der gleiche Primat zuerkannt wie der alten Reichshauptstadt - Leo anerkennt das Konzil erst zwei Jahre später.
Gregor I (590-604) wird im ersten Vatikanischen Konzil als höchster und universaler Hirte zitiert. Im Zusammenhang schreibt er jedoch an den Patriarchen Eulogios von Alexandria: "Ich habe nicht befohlen, sondern auf das, was mir nützlich erschien, hinzuweisen versucht... Ich halte nicht das für eine Ehre, von dem ich weiß, dass es meinen Brüdern die Ehre raubt. Meine Ehre ist die Ehre der ganzen Kirche. Meine Ehre ist die feste Kraft meiner Brüder. Dann werde ich wahrhaft geehrt, wenn einem jeden von ihnen die schuldige Ehre nicht verwehrt wird." Im ersten vatikanischen Konzil wird nur der kursive Teil aufgeführt.
Mittelalter
Als Gegendienst für die Krönung zum fränkischen König schenkt Pippin dem Papst das von den Langobarden zurückeroberte Exarchat Ravenna und weitere Ländereien, was von Rom mit der gefälschten Konstantinischen Schenkung begründet wird (womit ein ebenfalls existierender Rechtsanspruch des byzantinischen Kaisers abgewiesen wurde). Die Krönung eines westlichen Kaisers im Jahr 800 gab dem Papst einen weiteren Prestigegewinn und Einfluss auf die fränkische Staatskirche.
Das nur von der katholischen Kirche anerkannte, während des Photius-Schismas von Papst Nikolaus I einberufene vierte Konzil von Konstantinopel stellt im Jahr 869 fest: Und da der Ausspruch unseres Herrn Jesus Christus nicht unerfüllt bleiben kann: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen", so bewahrheitet sich dieses Wort durch dessen Auswirkungen: denn beim Apostolischen Stuhl wurde die katholische Religion stets unversehrt bewahrt und die heilige Lehre verkündet. Von seinem Glauben und seiner Lehre wollen wir niemals getrennt sein werden, und wir hoffen, dass wir würdig sind, in der einen Gemeinschaft zu leben, die der Heilige Stuhl verkündet.
Zehn Jahre später, wird am gesamtkirchlichen, auch vom Papst Johannes VIII anerkannten Konzil von 879 in Konstantinopel die Jurisdiktion des Papstes für den Westen voll anerkannt, für die übrigen Patriarchate aber klar abgelehnt.
Leo IX und Morgenländisches Schisma...
Nikolaus II (1058-1073) lässt sich als erster Papst mit der Tiara krönen.
Gregor VII (Hildebrand) verfasste den Dictatus Papae, 27 Lehrsätze über das Primat des Papstes, die er auch, z.B. im Investiturstreit in die Praxis umsetzt. Auszüge:
- I. Die römische Kirche wurde allein durch den Herrn gegründet.
- II. Nur der römische Bischof wird zu Recht universal genannt.
- III. Sein Bevollmächtigter steht in einem Konzil über allen Bischöfen, selbst wenn er ihnen durch seine Weihe unterlegen ist, und er kann gegen sie eine Absetzungsformel aussprechen.
- IX. Der Papst ist der einzige Mensch, dem alle Fürsten die Füße küssen.
- X. Er ist der einzige, dessen Name in allen Kirchen ausgesprochen wird.
- XII. Er kann Kaiser absetzen.
- XVII. Keine allgemeine Synode kann ohne seine Zustimmung ausgesprochen werden.
- XVIII. Sein Urteil darf von niemandem verändert werden, und nur er kann die Urteile aller abändern.
- XIX. Er darf von niemandem gerichtet werden.
- XXI. Alle causae majores jeder Kirche müssen ihm vorgetragen werden.
Das 2. Konzil von Lyon unter Gregor X erklärt im Jahr 1274:
- Die Heilige Römische Kirche besitzt den höchsten und vollen Primat und die Herrschaft über die gesamte katholische Kirche. Sie ist in Wahrheit und Demut bewußt, dass sie diesen Primat vom Herrn selbst - im heiligen Petrus, dem Fürst und Haupt der Apostel, dessen Nachfolger der Römische Papst ist - mit der Fülle der Gewalt erhalten hat. Und wie sie vor allen anderen zur Verteidiugung der Glaubenswahrheiten verpflichtet ist, so müssen auch alle auftauchenden Fragen über den Glauben durch ihr Urteil entschieden werden.
Bonifatius VIII erlässt im Zusammenhang mit seinem Konflikt mit Philipp IV. dem Schönen 1302 die Bulle"Unam sanctam", was den König nicht hindert, den Papst noch im gleichen Jahr arretieren zu lassen um die Unabhängigkeit der weltlichen Gewalt zu demonstrieren.
- ...Aber diese Autorität, obwohl sie einem Menschen gegeben und von einem Menschen ausgeübt wird, ist nicht menschlich sondern göttlich und wurde durch das Göttliche Wort an Petrus selbst und in ihm an seine Nachfolger gegeben, Petrus, den der Herr als festen Felsen bestätigte, als er ihm sagte ?Was immer du auf Erden binden wirst (Mt. 16,19). Deshalb, wer immer sich dieser von Gott eingesetzten Macht widersetzt, widersetzt sich Gott (siehe Römer 13,2). ? Im weiteren erklären, definieren und proklamieren wir jedem menschlichen Geschöpf, dass sie ganz dem römischen Pontifex untertan sind, was für ihre Rettung notwendig ist. (Porro subesse Romano Pontifici omni humanae creaturae declaramus, dicimus, definimus, et pronuntiamus omnino esse de necessitate salutis.)
Auf dem fünften Laterankonzil 1516 erklärt Leo X "Der zur Zeit existierende römische Pontifex, der die Autorität über alle Konzilien besitzt.." Die Allgemeingültigkeit dieses Papstkonzils wurde jedoch schon damals bestritten, da es praktisch nur von Italienern und Kurienkardinälen besucht war.
Sicht anderer Kirchen
Außerhalb der römisch-katholischen Kirche wird Mt. 16,18 nur auf den Apostel Petrus oder, im Zusammenhang mit der Parallelstelle Matthäus 18,18, auf alle Apostel, alle Geistlichen oder alle Christen bezogen. Die These, dass der Bischof von Rom einziger Rechtsnachfolger von Petrus ist und von daher diese Leitungsfunktion über die ganze Kirche "erbt", ist nur in der römisch-katholischen Kirche anerkannt.
Ein "Petrusamt" im Dienst der Einheit der Kirchen halten auch manche nichtkatholischen Theologen für wünschenswert, Jurisdiktionsprimat und absolute Lehrvollmacht (Unfehlbarkeit), wie sie der Papst in der katholischen Kirche ausübt, werden aber entschieden abgelehnt und als Hindernis zur Einheit der Kirchen angesehen.
Weblinks