Pictorial turn
Als Pictorial turn oder Visual turn bezeichnet man analog zum Begriff der "linguistischen Wende" aktuelle Versuche der Bildwissenschaft zur Anerkennung des strukturierenden Charakters des Bildes. Der Begriff wurde 1992 von W. T. J. Mitchell geprägt: "Auch er ging von Rortys linguistic turn aus, aber nicht, um seinen pictorial turn auf den ästhetischen Innenraum des Bildes als Kunstwerk zu beziehen, sondern um den Begriff für die neue Rolle des Bildes in der gesellschaftlichen Kommunikation zu setzen (Sauerländer, Iconic turn? Eine Bitte um Ikonoklasmus, 2004). In der Lesart von Sauerländer ist der Pictorial turn also vom Iconic turn klar abgegrenzt.Ausgangspunkt sind die Feststellungen, dass
- sich bisher keine mit der allgemeinen Sprachwissenschaft vergleichbare Wissenschaft vom Bild entwickelt habe;
- eine "Verlagerung von der sprachlichen auf die visuelle Information, vom Wort auf das Bild und – am beunruhigendsten – vom Argument auf das Video" (Sauerländer, Iconic turn? Eine Bitte um Ikonoklasmus, 2004) stattfinde und damit
- eine "Wiederkehr der Bilder" zu konstatieren sei.
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2 Siehe auch 3 Literatur 4 Weblinks |
Konzeptionell findet die "ikonische Wendung" ihre Ursprünge in den Arbeiten Konrad Fiedlers aus dem 19. Jahrhundert, der erstmals das Sehen als aktive und selbstbestimmte Tätigkeit beschrieben habe ("Sichtbarkeitsgebilde").
In den 80er Jahren löste Vilém Flusser mit seiner Kommunikologie eine kritische Auseinandersetzung mit den emergieren technischen Bildern in der telematischen Gesellschaft aus. Flusser verwendet noch nicht den Begriff der "ikonischen Wendung", bereitet jedoch vor allem mit seinen Arbeiten zur Philosophie der Fotografie (1983) und dem Universum der technischen Bilder (1985) jedoch den Boden für eine Neubewertung des Bildes in der Nachmoderne.
W. T. J. Mitchell prägte 1992 den Begriff des Pictorial turn in einem an Erwin Panofskys Ikonologie angelehnten Versuch, das Denken in Bildern und über Bilder zu rehabilitieren.
Eine scharfe Polemik gegen die französische Philosophie des 20. Jahrhunderts legte Martin Jay 1993 vor, der er eine tief sitzende Ikonophobie vorwarf; sie habe das Bild allein mit dem Ziel fokussiert, das Sehen zu diskreditieren und die Blindheit zur höchsten Instanz des Denkens zu machen.
Gottfried Boehm prägte dann 1994 in Wiederkehr der Bilder den Begriff des Iconic turn. Boehm deckte hier gleichermaßen den Ikonoklasmus der Simulationstheorie wie auch der Medienindustrie auf; erstere habe die Unterscheidung von Bild und Nichtbild negiert, von Darstellung und Wirklichkeit negiert und die Agonie des Realen gefeiert, letztere habe Bilder auf die abbildende Reproduktion der Realität reduziert. Daran anschließend fordert er eine "methodische Schärfung der bildlichen Analysemittel auf jedwedem Feld und jeglichem Medium, in denen sich Bilder statisch oder bewegt ausweisen" (Horst Bredekamp, Drehmomente, 2004).
In dem Jahrzehnt nach der Begriffsprägung von Pictorial und Iconic turn haben nicht nur die historischen Bildwissenschaften Archäologie und Kunstgeschichte diese Anregung aufgenommen:
Geschichte und Entwicklung
Siehe auch
Literatur
Weblinks