Verwertungsgesellschaft
Verwertungsgesellschaften sind private Einrichtungen, denen zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in vielen Ländern eine gesetzliche Monopolstellung zugewiesen wurde. Ihr Charakter liegt zwischen der quasi-gewerkschaftlichen Funktion einer Solidargemeinschaft der Urheber gegenüber den wirtschaftlich stärkeren Verwertern und einer quasi-amtlichen Funktion, die Einhaltung der Meldepflicht von Vervielfältigungsstücken, öffentlichen Aufführungen und – mit dem neuen Medium Radio – auch der Sendung zu kontrollieren.
Table of contents |
2 Beispiel: GEMA 3 Wichtige Verwertungsgesellschaften 4 Geschichte und Entwicklung 5 Internationale Dachverbände 6 Literatur 7 Weblinks |
In Deutschland unterstehen die Verwertungsgesellschaften der Aufsicht des Deutschen Patentamtes sowie aufgrund ihres, zwar seit 1945 nicht mehr gesetzlichen, aber dennoch faktischen Monopols, dem Bundeskartellamt (§ 18 UrhWahrnehmungsgesetz). Mit der Zunahme der auch für Konsumenten zugänglichen Vervielfältigungstechnologien wie dem Tonband, stellte sich die Frage, ob auch für die Kopien von Werken für den privaten nicht gewerblichen Gebrauch ein gebührenpflichtiger Rechteerwerb erforderlich sei. Das US-amerikanische Rechtssystem bejahte dies, führte aber zugleich die Ausnahmeregelung des vergütungsfreien Fair-Use ein. Das kontinentaleuropäische Recht entschied sich, die Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke eines Werkes zum privaten Gebrauch zuzulassen (§ 53 Abs. 1 UrhG), führte aber zugleich eine Pauschalabgabe für Reproduktionsgeräte und Leermedien ein.
Die grundlegende Novellierung des deutschen »Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte« (UrhG) von 1965 etablierte einen Vergütungsanspruch des Urhebers gegenüber dem Hersteller und Importeur von Geräten und Bild- und Tonträgern, die erkennbar zur Vornahme von Vervielfältigungen bestimmt sind (§ 54 UrhG). Diese Rechte der Urheber nehmen kollektiv die GEMA und für den Sprachanteil von Hörfunk- und Fernsehsendungen die Verwertungsgesellschaft (VG Wort wahr. Ihnen gegenüber sind die Hersteller meldepflichtig. Die Erträge werden an die in ihnen organisierten Autorinnen verteilt. 1985 wurde auch für die Hersteller und Importeure von Fotokopiergeräten sowie für diejenigen, die solche Geräte für die Herstellung von Ablichtungen entgeltlich bereithalten, eine Vergütungspflicht in das Gesetz aufgenommenen (§ 54a UrhG). Wo das Gesetz nur von einer »angemessenen« Vergütung spricht, spezifiziert die Anlage zu Paragraph 54d, Abs. 1 UrhG die Höhe der einzelnen Vergütungen.
Ebenfalls 1965 wurde das »Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten« erlassen. Demnach bedürfen juristische oder natürliche Personen, die von Urhebern mit der Wahrnehmung ihrer Nutzungsrechte, Einwilligungsrechte oder Vergütungsansprüche beauftragt werden, einer Erlaubnis durch die Aufsichtsbehörde, das Patentamt (§§ 1 und 2 UrhWG). Die Einnahmen sind nach einem öffentlichen Verteilungsplan aufzuteilen, um ein willkürliches Vorgehen ausschließen. Der Verteilungsplan soll dem Grundsatz entsprechen, dass kulturell bedeutende Werke und Leistungen zu fördern sind (§ 7 UrhWG).
Durch ihren Monopolstatus in Bezug auf die von ihr vertretenen Werke hat eine Verwertungsgesellschaft einen Abschlusszwang gegenüber Werknutzern. Die Verwertungsgesellschaft ist verpflichtet, auf Grund der von ihr wahrgenommenen Rechte jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen oder Einwilligungen zu erteilen (§ 11 UrhWG). Die Verwertungsgesellschaft hat Tarife aufzustellen und dabei auf religiöse, kulturelle und soziale Belange der zur Zahlung der Vergütung Verpflichteten einschließlich der Belange der Jugendpflege angemessene Rücksicht nehmen (§ 13 UrhWG). Schließlich soll die Verwertungsgesellschaft Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen für die Inhaber der von ihr wahrgenommenen Rechte oder Ansprüche einrichten (§ 8 UrhWG). Dieser Anspruch auf sozialen Schutz von Künstlern und Publizisten in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung wurde durch das Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) von 1983 weiter geregelt.
Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) wird z.B. gern als »Musikfinanzamt« bezeichnet. Der quasi-gewerkschaftliche Aspekt der Verwertungsgesellschaften als Anwälte der Kreativen und Tarifpartner der Rechtenutzer spricht aus folgendem Satz: ''»Nur Verwertungsgesellschaften mit einem umfangreichen, möglichst allumfassenden Repertoire sind in der Lage, ein Gegengewicht zur Marktmacht der Werknutzer, die durch die Zusammenschlüsse auf dem globalen Medienmarkt ständig wächst – über 80 Prozent ihrer Schallplattenumsätze macht die GEMA mit nur noch fünf Schallplattenproduzenten –, zu bilden« (vgl. Kreile/Becker, 1997a, S. 638).
Die Idee, dass sich Autoren zusammentun, um Verlagsfunktionen in eigener Regie und auf eigene Rechnung zu übernehmen, führte schon Ende des 18. Jahrhunderts zur Gründung erster Selbstverlagsunternehmen (vgl. Czychowski, 1998). Das Modell hat sich mit dem Verlag der Autoren oder dem Filmverlag der Autoren bis heute erhalten. Einmal veröffentlicht, konnten Noten von jedem Kaffeehausorchester gespielt werden, und vor allem das Abspielen der Schallplatte konnte in kommerziellen Etablissements beliebig oft für Tanz und Stimmung sorgen.
Einen Tantiemenanspruch auf eine Teilhabe an jeder wirtschaftlichen Nutzung ihrer Werke begannen die Urheber Ende des 19. Jahrhunderts geltend zu machen. Da nun ein Musikautor nicht mit jedem Kaffeehausbesitzer einen Nutzungsvertrag aushandeln konnte, gründeten sich seit der Jahrhundertwende Gesellschaften zur kollektiven Wahrnehmung der Verwertungsrechte der Urheber. Die Musikautoren waren dabei führend, bald folgten entsprechende Gesellschaften auch für literarische Autoren und bildende Künstler.
Als Dachverband der Verwertungegesellschaften hat sich 1926 in Paris die Confédération Internationale des Sociétés d´Auteurs et Compositeurs (CISAC, [1]) gegründet. Heute umfasst sie 161 Mitgliedsorganisationen in 87 Ländern, die mehr als eine Million Urheber (creators) mit mehr als 100 Millionen Werken aus den Bereichen Musik, Literatur, Film und bildende Kunst vertreten. 1994 sammelten die CISAC-Mitgliedsgesellschaften Tantiemen und Gebühren in Höhe von etwa fünf Milliarden Dollar ein.
Zur Wahrnehmung der ausländischen Autorenrechte haben sich die Verwertungsgesellschaften zu europäischen und internationalen Vereinigungen zusammengeschlossen. Der Dachverband aller VGs ist die bereits genannte CISAC. Im Musikbereich vertritt das Bureau International des Sociétés gérant les Droits d´Enregistrement et de Reproduction Mécanique (BIEM) die Interessen der Urheber im mechanischen Recht. Das BIEM handelt mit dem internationalen Verband der Plattenindustrie IFPI ein Rahmenabkommen aus, demzufolge 9,009 Prozent des Händlerabgabepreises als Gebühren abzuführen sind.
Weitere Dachverbände sind die GESAC (Groupement Européen des Sociétés d´Auteurs et Compositeurs) und EVA (European Visual Artists).
Mit der Zunahme des internationalen Handels mit geistigem Eigentum wird der Ruf nach einer zentralen Rechte-Clearingstelle laut. Eine solche Clearingstelle würde in einer gewaltigen Datenbank Informationen über möglichst alle Werke und Leistungen bereithalten, über die daran
bestehenden Rechte, über die Rechteinhaber und die Bedingungen, unter denen sie zu einer Lizenzierung bereit sind. Die Clearingstelle könnte stellvertretend direkt einen Linzenzvertrag mit dem Produzenten abschließen oder die Anfrage an den individuellen Rechteinhaber weiterleiten. Ein erster Schritt dazu ist das 1995 in Kooperation der GEMA, der französischen Verwertungsgesellschaften im Urheber- und mechanischen Recht SDRM/SACEM ([1]) und der britischen MCPS ([1]) gegründete Bureau for European Licensing. Einen umfassenderen Ansatz stellt das im Aufbau befindliche Common Information System der CISAC ([1]) dar.
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