Frauenbildung
Frauenbildung ist in einem engeren Sinn der Begriff für Weiterbildungsangebote für Frauen. In einem weiteren Sinne werden darunter Besonderheiten der Weiterbildung von Frauen betrachtet.
Im frühen Mittelalter war die Möglichkeit für Frauen, sich Bildung anzueignen, fast ausschließlich auf Klöster beschränkt. Dort wurden Mädchen reicher und adliger Familien überwiegend im Lesen ausgebildet (vgl. Brokmann-Nooren, 1994). Ab dem 16. Jhd. gründeten sich Frauenorden wie die Ursulinen, die Katharinerinnen und die Englischen Fräulein nach dem Vorbild der Jesuiten u.a. mit dem Ziel, Erziehungsanstalten für Mädchen aufzubauen und ihnen Lesen, Schreiben, Handarbeiten und Fertigkeiten für den Haushalt beizubringen. Bis in die Mitte des 20. Jahrhundert stand im Vordergrund der Mädchen- und Frauenbildung "gefällige Gattinnen" und "geschickte und züchtige Hausfrauen" auszubilden. In der Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts wurde Frauenbildung zum ersten Mals als Instrument des Kampfes um die politische Gleichstellung begriffen. In der Frauenbewegung ab der Mittes des 20. Jahrhunderts wird sie zunehmend als Möglichkeit der Emanzipation von Frauen und der Ausbildung beruflicher Qualifikation betrachtet, um u.a. die Chancen der Frauen auf Unabhängigkeit und Entfaltung der Persönlichkeit zu erhöhen und die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben.
Ab Ende der 60er Jahre wurde Frauenbildung in selbst organisierten Frauengruppen mit dem Ziel umgesetzt, Frauen in die Lage zu versetzen, sich gegen Benachteiligungen in allen gesellschaftlichen Bereichen zu wehren. Aus diesen Gesprächskreisen entwickelten sich in einigen Fällen autonome Frauenbildungswerke, die ab den 80er Jahren teilweise in anerkannte Träger der Erwachsenenbildung umgewandelt wurden. Heute gibt es nur eine geringe Anzahl von Bildungswerken, deren Adressaten ausschließlich Frauen sind. Einige davon, aber nicht alle, sind der feministischen-lesbischen Szene zuzuordnen.
Gleichzeitig fand ab den 70er Jahren Frauenbildungsarbeit Eingang in die offizielle Erwachsenenbildung und entwickelte sich dort mit eigenen Angeboten für Frauen und ansatzweise einer eigenen Methodik und Didaktik. Durch Förderprogramme der Länder (z.B. Niedersachsen, Frauenmodellkurse) oder der EU (Maßnahmen der beruflichen Integration nach dem ESF) wurde die Frauenbildungsarbeit vor allem ab Anfang der 90er in der Erwachsenenbildung weiterentwickelt. Die Zahl der Angebote von und für Frauen wuchs zeitweise und konzeptionelle Überlegungen zur Berücksichtigung der Bedürfnisse von Frauen in gemischtgeschlechtlichen Kursen fanden Eingang in die Förderanträge von Maßnahmen.
Dennoch sind Angebote, die als Zielgruppe explizit Frauen ansprechen, heute noch immer in der Minderzahl, obwohl Frauen z.B. in den Kursen der Volkshochschulen zahlenmäßig überrepräsentiert sind. Angebote speziell für Frauen sind beispielsweise Fortbildungen für Berufsrückkehrerinnen, Führungsfrauen, Mütter oder Tagesmütter. Trotz der Ähnlichkeiten in den Lebenslagen der Frauen betonen die Anbieter der Frauenkurse der Erwachsenen- und Weiterbildung ihre Differenzen. Befragungen zeigen, dass Frauen, v.a. höher qualifzierte, den Frauenkurse ambivalent gegenüber stehen.
Diese Einstellung könnte die Geringbewertung traditioneller Frauenbildung als Bildung frauentypischer Eigenschaften wie Häuslichkeit, Anpassungsfähigkeit usw. widerspiegeln und auf eine prinzipielle Gleichberechtigung im Zugang zu allen Bildungsangeboten verweisen. In diesem Sinne sind im gender mainstreaming frauenspezifische Gesichtspunkte in allen Hauptprogrammen und Regelangeboten zu berücksichtigen. Frauen als die Hälfte der Bevölkerung sollten nicht als Sondergruppe definiert werden.
Andererseits belegen die Gender-Forschung, dass es geschlechtsbezogene/stereotype Unterschiede des Lernens gibt. Forscher beobachten beispielsweise, dass Frauen in Kursen häufiger Fragen stellen (sich das trauen). Insgesamt bevorzugen Frauen - in gleichgeschlechtlichen Gruppen - eher ganzheitliche Lernansätze, die sowohl emotionale wie rationale Aspekte zusammenführen. Sie pflegen eine mehr kooperative Arbeitsweise und unterstützende Argumentationskultur und agieren im Bewusstsein von Interdependenz, Einfühlungsvermögen, Unterstützung von Schwächeren und sind in der Lage, auch Defizite und eigene Mängel zuzugeben.
In Bezug auf die Themenwahl zeigen die Erfahrungen aus der Bildungsarbeit mit Frauen, dass die persönliche Situation der Frauen zwischen Haushalt, Familie, Kindern, Partner, Beruf und Selbstverwirklichung ein manchmal alles beherrschendes Problemfeld darstellt, dass in gemischtgeschlechtlichen Gruppen kaum angesprochen wird. Sind Frauen dagegen unter sich, zeigt sich, dass die Entzerrung der Problematik und das Finden von Lösungen für unzumutbare Doppelt- und Mehrfachbelastungen unbedingte Voraussetzung auch für berufliche Tätigkeiten, Weiterbildung und das Verwirklichen von Karrierechancen darstellen. Biografische Entwürfe von Identität in einer Schnittstelle zwischen institutionalisierten Anforderungen und inmitten gesellschaftlicher Wandlungsprozesse sind daher zu einem Schwerpunkt frauenspezifischen Bildungsangebote geworden. Frauen unter sich thematisieren ihre "wahren" Probleme sehr schnell und offen, während sie in gemischten Gruppen ebenso schnell in die gewohnten Verhaltensweisen der Zurückhaltung, verbalen Unterstützung anderer, Zulieferpositionen, Weisungsbezogenenheit und Zurücknahme der eigenen Positionen verfallen.
Die Heterogenität der Ansätze und Angebote in der Bildungsarbeit mit Frauen sowie ihre Rückläufigkeit in den letzten Jahren spiegelt die verschiedenen historischen Strömungen und gegenläufigen Tendenzen in der Frauenbewegung wieder. Eine einheitliche Aussage über eine effektive Frauenförderung und Frauenbildung ist kaum festzulegen. Selbst die zeitweilig hochgelobten Schlüsselqualifikationen, die Frauen in der Familienphase erwerben und die in der modernen Arbeitswelt erforderlich sein sollen, stehen schon wieder im Verdacht "weicher" Qualitäten, die bestenfalls zur Verbesserung des Arbeitsklimas in männlich dominierten Berufen, aber nicht zur Verbesserung der Chancen von Frauen führen, in Führungspositionen aufzusteigen. Verbesserte Ausbildung und Weiterbildung hat bisher noch nicht zu einer wesentlichen Veränderung der Verteilung der Einkommen, von Aufstiegschancen und Führungspositionen geführt. Selbst verordnete Quotenregelungen bringen nur zäh Veränderungen im status quo der Arbeitswelt. Die Tendenz vieler vor allem junger Frauen, sich den Zwängen zu unterwerfen und "ebenso gut" sein zu wollen wie männliche Kollegen, um sich einen Platz in der Arbeitswelt und der Öffentlichkeit zu behaupten, kann vor diesem Hintergrund nicht unhinterfragt durch die Frauenbildungsarbeit aufgenommen und unterstützt werden.
Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung
Zielgruppe: Frau
Lernen von Frauen
Die gegenwärtige Lage der Frauenbildungsarbeit
Literatur