Willi Stoph
Der kommunistische Arbeitersohn Willi Stoph (* 9. Juli 1914 in Berlin-Schöneberg; † 13. April 1999 in Berlin) war als SED-Politiker von der Gründung bis zum Zerfall der DDR in deren innerstem Machtzirkel.
Biografie
Kindheit, Ausbildung, Krieg
Willi Stoph wird am 9. Juli 1914 in Berlin-Schöneberg als Sohn einer Arbeiterfamilie geboren. Nach Besuch der Volksschule schließt er eine Maurerlehre in Berlin ab. Als Mitglied im Kommunistischen Jugendverband Deutschland (KJVD) arbeitet Stoph in verschiedenen Funktionen. 1931 wird er Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Willi Stoph verdient seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten als Maurer. Er arbeitet beim KPD-Nachrichtendienst und beteiligt sich am kommunistischen Widerstand gegen die Nationalsozialisten. Von 1935 bis 1937 leistet er seinen Wehrdienst im Artillerieregiment in Brandenburg an der Havel ab und bringt es bis zum Oberkanonier. In den Jahren 1939/1940 arbeitet er als Bautechniker in einem Architekturbüro in Berlin. 1940 wird Willi Stoph Soldat im Zweiten Weltkrieg. 1942 wird er verwundet. Im April 1945 gerät er in sowjetische Kriegsgefangenschaft.
Politische Karriere in der DDR
Im Juli 1945 wird er aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft entlassen und Leiter der Abteilung Baustoffindustrie und Bauwirtschaft des KPD-Vorstandes. 1948 wird er Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik beim SED-Parteivorstand. Von 1950 bis 1952 ist er Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses der Volkskammer, Leiter des Büros für Wirtschaftsfragen beim Ministerrat der DDR und an der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und dem Ausbau der Kasernierten Volkspolizei (KVP) beteiligt. 1950 wird Willi Stoph Mitglied des Zentralkomitees (ZK) der SED und Abgeordneter der Volkskammer. Beides bleibt er bis zum Ende der DDR im Jahre 1989. Von 1952 bis 1955 ist Stoph Minister des Inneren. In dieser Funktion hat er offiziell die Verfügung über alle bewaffneten Kräfte der DDR. Nach der Niederschlagung des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 wird Stoph Mitglied des Politbüros der SED. Von 1954 bis 1962 ist er stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates. Ab 1955 ist Willi Stoph verantwortlich für die Kasernierte Volkspolizei (KVP), das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), das Amt für Technik, das Amt für Kernforschung und Kerntechnik sowie für den Wissenschaftlichen Rat für die friedliche Anwendung der Atomenergie. Von 1956 bis 1960 ist Willi Stoph Minister für Nationale Verteidigung und in dieser Funktion einer der Stellvertreter des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte der Warschauer Pakt-Staaten. 1960 wird Stoph mit der Koordinierung und Kontrolle der Durchführung der Beschlüsse des ZK der SED und des Ministerrates im Staatsapparat beauftragt. Von 1962 bis 1964 ist er 1. Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates. 1963/1964 ist er Mitglied des Staatsrates. Von 1964 bis 1973 ist Willi Stoph als Nachfolger des verstorbenen Otto Grotewohl Vorsitzender des Ministerrates und stellvertretender Vorsitzender des Staatsrats. Stoph versucht 1967 mit einem brief an Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger deutsch-deutsche Gespräche in Gang zu bringen. 1970 trifft er sich mit Bundeskanzler Willy Brandt erst in Erfurt, dann in Kassel. Nach dem Tod Walter Ulbrichts 1973 ist Stoph Vorsitzender des Staatsrates und somit Staatsoberhaupt der DDR. Nach den Volkskammerwahlen 1976 wird die Staats- und Parteispitze umgestaltet. Erich Honecker wird - wie vor ihm Ulbricht - nach sowjetischem Vorbild in Personalunion Vorsitzender des Staatsrats und SED-Parteichef. Stoph wird wieder Vorsitzender des Ministerrates und stellvertretender Vorsitzender des Staatsrats.
Wende in der DDR
Schon 1986 schickt Willi Stoph zusammen mit MfS-Chef Erich Mielke dem sowjetischen Staatsoberhaupt Michail Gorbatschow vertraulich eine ehrliche Analyse über den Zustand der DDR, in der er die Ablösung Honeckers vorschlägt. Er erhält darauf jedoch keine Antwort.
Willi Stophs Worte "Erich, es geht nicht mehr. Du musst gehen." leiten am 18. Oktober 1989 den Rücktritt Erich Honeckers ein. Unter andauerndem Druck durch Massenflucht und Demonstrationen tritt Stoph am 7. November gemeinsam mit seiner Regierung zurück. Bis zur Neubildung der Regierung unter Hans Modrow bleibt Stoph geschäftsführend im Amt. Er bekennt vor der Volkskammer, dass der Ministerrat seine politische Verantwortung gemäß der Verfassung nicht wahrgenommen habe. Honecker und Günter Mittag bezeichnet er als die Hauptverantwortlichen für das Scheitern der DDR. Am 8. November tritt das gesamte Politbüro des ZK der SED (damit auch Stoph) zurück. Am 17. November wird Willi Stoph als Mitglied des Staatsrates abberufen und scheidet aus der Volkskammer aus. Am 3. Dezember wird er durch das ZK der SED aus der Partei ausgeschlossen. Am 8. Dezember wird durch den Generalstaatsanwalt ein Ermittlungsverfahrens unter dem Verdacht des Amtsmissbrauches und der Korruption zum Schaden der Volkswirtschaft und zur persönlichen Bereicherung gegen Willi Stoph eingeleitet und er wird verhaftet. Im November war ein Jagdhaus Stophs inmitten eines Naturschutzgebietes an der Müritz entdeckt worden. Im Februar 1990 wird er jedoch aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen.
Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit durch bundesdeutsche Gerichte
Im Mai 1991 wird Willi Stoph in Zusammenhang mit den Todesopfern an der Berliner Mauer verhaftet. Aus gesundheitlichen Gründen erfährt er im August 1992 Haftverschonung. Im November wird das Verfahren gegen Stoph und weitere fünf ehemalige DDR-Spitzenpolitiker vor dem Berliner Landgericht eröffnet. Im Juni 1993 wird das Verfahren gegen Stoph wegen Verhandlungsunfähigkeit endgültig eingestellt. Am 10. Oktober 1994 entscheidet das Berliner Verwaltungsgericht, dass Stoph sein 1990 beschlagnahmtes Sparguthaben in Höhe von 200.000 DM nicht zurückerhält.
Willi Stoph stirbt am 13. April 1999 in Berlin.
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