Nationalgefühl
Mit dem Begriff Nationalgefühl beschreiben manche das von einer Person oder einer Gruppe empfundene Gefühl für die eigene Nation. Andere beschreiben es als eine Art Bekenntnis und sehen keine ummittelbar einsichtige Kategorie darin.Max Weber: 'Nation' ist ein Begriff, der, wenn überhaupt eindeutig, dann jedenfalls nicht nach empirischen gemeinsamen Qualitäten der ihr Zugerechneten definiert werden kann. Er besagt, im Sinne derer, die ihn jeweilig brauchen, zunächst unzweifelhaft: dass gewissen Menschengruppen ein spezifisches Soldaritätsempfinden anderen gegenüber zuzumuten sei, gehört also der Wertsphäre an."
Zur Entwicklung des Nationalgefühls
Nationalgefühl war in seinen Ursprüngen ein emanzipatorisches Gefühl.
Die Französische Revolution vom 14. Juli 1789 kann als Ausgangspunkt für die Entstehung des modernen Nationalgefühls angesehen werden. Die Losung Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit einte das französische Volk. Zugleich wuchs die Bedrohung von außen. Das französisches Nationalgefühl fand einen Höhepunkt in der allgemeinen Wehrpflicht ("Levée en masse"). Französische Revolutionsheere eroberten weite Teile Europas und bildeten damit den Herd für die Entstehung von Widerstandswillen, Einigungsbestrebungen und einem Nationalgefühl in den besetzten Ländern.
In Deutschland bildete die Romantik den Nährboden für die Entwicklung des Nationalgefühls. Im idealisierten Blick auf das Mittelalter erschien die mittelalterliche Frömmigkeit und die Einheit des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation als erstrebenswert. Volksmärchen und Volkslieder wurden von Johann Gottfried von Herder gesammelt. Die Brüder Grimm veröffentlichten 1812 die "Kinder- und Hausmärchen".
Romantiker wie die Brüder August Wilhelm und Friedrich Schlegel, Ludwig Tieck und Novalis hofften, die Ideale der Französischen Revolution würden auch in Deutschland Einzug halten. Die französische Besetzung förderte ein begeistertes freiheitsorientiertes Nationalgefühl, welches die siegreichen Befreiungskriege 1813 bis 1815 ermöglichte, sowie den Wunsch nach einem vereinten deutschen Staat entstehen ließ. Ein spezifisch deutscher, spirituell aufgeladener Nationenbegriff metaphysischer Dimension war mittlerweile entwickelt worden, z.B. in J.G. Fichtes "Reden an die deutsche Nation" von 1808.
Die weitere Entwicklung des Nationalgefühls in verschiedene ideologisch aufgeladene mittlerweile weltweit verbreitete Nationalismen erfordert einen differenzierten Umgang mit diesem Phänomen.
Wenn der Einzelne oder eine Gruppe im nationalen Kollektiv aufzugehen sucht, spricht man von einem pathetischen Nationalgefühl.
Wenn ein Einzelner oder eine Gruppe für Würde und Recht (in) seiner Nation eintritt, sprechen manche von einem kritischen Nationalgefühl.
Nationalgefühl speist sich primär aus nationalen, also ethnischen Bezügen. Da ethnische Begriffe wie Volk und Rasse in der Geschichte auch schillernd erschienen, erscheint das Nationalgefühl zuweilen unklar und ist nicht immer deutlich zu beschreiben oder zu definieren. Es sind hier unterschiedliche Traditionen zu differenzieren; so hat in Deutschland immer die Vorstellung einer gewissen Blutsverwandschaft zwischen den Volksangehörigen dominiert, während sich beispielsweise die französische Nation grundsätzlich als Sprachgemeinschaft versteht.
Insofern unterscheidet sich Nationalgefühl auch vom Patriotismus, der deutlicher als ein politisch gerichtetes Gefühl einer Person oder Gruppe für das Vaterland verstanden wird.
Nationalgefühl ist eine emotionale Angelegenheit. Es ist von seiner extremen Variante, dem ideologisch aufgeladenen Nationalismus zu unterscheiden. Nationalistische Impulse wiederum vermögen das Nationalgefühl zu steuern und schlimmstenfalls sich seiner zu bemächtigen.
Das deutsche Volk hatte in seiner Geschichte, besonders im 20. Jahrhundert, vielfach in extremer Weise das Nationalgefühl zu wechseln. Die gegenwärtigen Auseinandersetzungen besonders um die Vergangenheit des Nationalsozialismus belegen, dass die Diskussion um das deutsche Nationalgefühl anhält.
Mit Nationalgefühl beginnt's und mit Cholera und Ruhr und Diktatur endet es. Zitat: Leo Perutz
siehe auch: Vielvölkerstaat, Soziologie, Nationalbewusstsein, Nationalstolz, Nationalismus, Chauvinismus, Zionismus, Panislamismus,