Tatbestand
Unter Tatbestand (Fakt) versteht man in der Rechtswissenschaft einen abstrakten oder konkreten Lebenssachverhalt. Der Begriff erklärt sich selbst als "Bestandsaufnahme" einer Tat im weitesten Sinne, also aller Umstände menschlichen Tuns.In der Rechtstheorie ist der Tatbestand Bestandteil einer Norm. Im Verfahrensrecht bezeichnet man damit hingegen einen Bestandteil des Urteils.
Tatbestand ist die Gesamtheit aller tatsächlichen Voraussetzungen des Gesetzes für eine Rechtsfolge; er benennt somit die abstrakten Merkmale, die einer Tat im rechtlichen Sinne zugrunde liegen. Er wird untergliedert in einzelne Tatbestandsmerkmale. Der gesetzliche Tatbestand ergibt sich aus dem geschrieben Recht oder aus Gewohnheitsrecht. Er bildet zusammen mit der Rechtsfolge die Rechtsnorm.
Vom Tatbestand loslöst sind die rechtlichen Konsequenzen zu betrachten (Rechtsfolge). Der allgemeine Rechtsgrundsatz hierzu lautet: Da mihi factum, dabo tibi ius. ("Gib mir die Fakten, dann werde ich dir das Recht geben.", gemeint: Anhand der Fakten ist das Recht zu deduzieren; siehe auch Subsumtion.)
Der Begriff des Straftatbestandes ist mehrdeutig. Er wird einerseits dazu gebraucht, lediglich die objektiven und subjektiven Merkmale zu nennen (Tatbestand im engeren Sinne), andererseits wird der Straftatbestand bereits als das so genannte Unrecht (also eigentlich der Unrechtstatbestand) verstanden, der den Tatbestand im engeren Sinne und die Rechtswidrigkeit umfasst. Die weite Auffassung sieht den Begriff synonym zum Begriff der Straftat. Damit würde der Begriff neben dem Tatbestand im engeren Sinne auch die Rechtswidrigkeit und die Schuld umfassen.
Bei einem Urteil im Sinne der vom Gericht erstellten Urkunde bezeichnet der Tatbestand den im Verfahren ermittelten konkreten Lebenssachverhalt und des Geschehens in der Verhandlung selbst. Der Tatbestand gibt somit die Grundlage wieder, auf der das Urteil beruht. Der Tatbestand eines Urteils hat die Qualität einer öffentlichen Urkunde nach § 415 ZPO.
Im Zivilurteil enthält der Tatbestand den Tatsachenvortrag der Parteien, die Anträge und die Prozessgeschichte (z.B. die vom Gericht erhobenen Beweise und den Prozessverlauf)vgl § 313 ZPO. Der Tatbestand liefert den Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Dieser Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden, § 314 ZPO. Enthält der Tatbestand Fehler, so kann ein Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 ZPO gestellt werden. Offensichtliche Rechen- oder Schreibfehler und ähnliche Unrichtigkeiten kann das Gericht auch von Amts wegen berichtigen, § 319 ZPO.
Im Strafurteil und im öffentlichen Recht gibt es keinen Tatsachenvortrag, da die Ermittlung des Lebenssachverhalts von Amts wegen erfolgt.
Siehe auch: Strafprozess, Zivilprozess, Zivilrecht, Urkundenprozess, Zivilprozessordnung, Urteilstatbestand.
Rechtshinweis
siehe auch FiktionRechtstheorie
Verfahrensrecht