Philosophische Anthropologie
Die philosophische Anthropologie (griech anthropos: Mensch) ist die (philosophische) Lehre vom Menschen. In einem gewissen Sinn wird der Mensch als unhistorisch, d.h. seinem Wesen nach ewig gleichbleibende Erscheinung aufgefasst. Die (philosophische) Anthropologie ist die Wissenschaft, die das Wesen des Menschen philosophisch erfasst, also ein philosophisches Menschenbild entwirft.Die philosophische Anthropologie reflektiert auf den Menschen schlechthin, auf das vorgegebene Ewige in ihm und an ihm. Sie sieht vom konkreten Menschen ab und zielt auf die Abstraktion. Die philosophische Anthropologie betrachtet den Menschen i.a. vom Boden metaphysischer Grundgewissheiten. Dabei werden jedoch naturwissenschaftliche, soziologische sowie alle weiteren relavanten einzelwissenschaftlichen Erkenntnisss beachtet und - wo sinnvoll - integriert.
Klassische Auffassung des Menschen
Die klassische Auffassung des Menschen sieht diesen aus Leib und Seele bzw. Geist konstituiert. Durch seine geiste Seele, die auch Geist-Seele genannt wird, unterscheidet er sich unüberbrückbar vom Tier, mit seiner lediglich sensitiven und erst recht von der Pflanze mit ihrer vegetativen Seele.
Erste Vorläufer der modernen und postmodernen phil. Anthropologie
Als unmittelbare Vorläufer der modernen und postmodernen phil. Anthropologie werden u.a. Kierkegaard und Friedrich Nietzsche angesehen. Die Vorstufe ihrer Entwicklung erreicht sie in der Lebensphilosophie vor dem Ersten Weltkrieg, aus deren Problemkreisen sie als selbständige philosophische Disziplin zwischen den beiden Weltkriegen hervorwächst, um dann nach dem zweiten Weltkrieg allgemeinen Eingang in die Philosphie zu gewinnen.
Der eigentliche Einsatz der neueren philosophischen Anthropologie wird auf Max Scheler zurückgeführt. Seine Schriften gelten als Programmatik:
Max Scheler: Begründer der neueren phil. Anthropologie
Und als quasi Leitsatz schreibt er 1915:
Zu den Einzelheiten der Programmatik bei Max Scheler
Scheler entwickelte bereits während des Ersten Weltkrieges programmatisch die Grundzüge der philosphischen Anthropologie, die ihre späteren Ausgestaltungen in der einen oder anderen Form hier ihren Ursprung besitzen. Sie beinhalten hauptsächlich folgende Thesen:
Mit anderen Worten: Der Mensch ein Wesen, "das Gott sucht", ein "Gottsuchender" und als solcher "das lebendige x". Insofern ist Gott, so dekrediert Scheler gegen die wissenschaftliche, auf Ludwig Feuerbach zurückgehende Religionskritik, keine anthromorphe Erfindung, sondern umgekehrt: der Mensch ist theomorph.
- Der Mensch ist als "das lebendige x, das Gott sucht", der Mensch als "Gottsucher" - in dieser armseligen Auslassung, das letztlich nur auf eine transzendente Bestimmung reduziert, besteht die Antwort Schelers auf die Frage nach dem Wesen des Menschen.
Zu nennen sind u.a.: Ludwig Binswanger, Otto Friedrich Bollnow, Bernhard Groethuysen, Romano Guardini, Hans-Eduard Hengstenberg, Micheal Landmann, Siegfried Landsahut, Gabriel Marcel, Helmuth Plessner, Erich Rothacker, auch Martin Heidegger und Jean Paul Sartre.
Da die philosophische Anthropologie als Problem- und Fragestellung der Mehrzahl der Richtungen der gegenwärtigen Philosphie immanent ist, würde eine Aufzählung aller ihrer Vertreter gleichsam mit einer Aufzählung der repräsentativen Vertreter dieser Philosophie identisch werden. Besonderns gepflegt wird diese Disziplin innerhalb des Existenzialismus und teilweise auch im Neuthomismus.
Der gesamten philosophischen Anthropologie ist als Grundzug die Abkehr von der humanistischen Menschenauffassung der klassischen Philosophie eigen. Eine ahumane und apologetische Tendenz durchzieht diese Disziplin von ihren Anfängen bis zu ihren gegenwärtigen Ausgestaltungen. Scheler schrieb dereinst:
- "Wer sehe nicht, daß hinter der scheinbar so harmlosen Gleichheitsforderung stets und immer, um welche Gleichheit es sich auch handle - nur der Wunsch auf die Erniedrigung der Höherstehenden, Mehrwertbesitzenden auf das Niveau der Niedrigstehenden verbirgt" (in: Umsturz 193).
Damit wird deutlich, wie sehr sich diese Auffassungen vom Menschen von der klassischen Periode der Philosophie entfernt haben. Aristoteles bestimmte den Menschen als "zoon politikon". Wie weit die altgriechische Philosophie überhaupt zu einer Bestimmung des Menschen vorgestoßen war, unterstreicht der Streit zwischen Anaxagoras und Aristoteles darüber, ob der Mensch Hände habe, weil er ein vernünftiges Wesen sei, oder ob er ein vernünftiges Wesen sei, weil er Hände habe.
Die Auffassung vom Menschen der altgriechischen Philosophie als eines vernünftigen Lebewesens wird zum humanistischen Gemeingut der klassischen Philosophie von der Renaissance über die Aufklärung bis zur klassischen deutschen Philosophie und ihrem Ausgang in Ludwig Feuerbach. Sie findet u.a. Ausdruck in den Fragen von Immanuel Kant: "Was kann ich wissen?, Was soll ich tun?, Was darf ich hoffen?", die nur dazu angetan sind beizutragen, "die Rechte der Menschheit herzustellen".
Sie ist die Voraussetzung der Warnung Hegels, das Individuum als ein Einzelnes ohne Beziehung auf das Ganze, d.i. die Gesellschaft, zu nehmen. Denn das Einzelne "bedarf ... noch anderer Wirklichkeiten, die gleichfalls als besonders für sich bestehende erscheinen; in ihnen zusammen und in ihrer Beziehung ist allein der Begriff realisiert."
Das Einzelne für sich entspricht seinem Begriffe nicht; diese Einschränkung seines Daseins macht seine Endlichkeit und seinen Untergang aus" (in: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, § 213). Sie findet nicht zuletzt ihren Niederschlag in der Anschauung des französischen Materialismus im 18. Jahrhundert, dass das soziale Milieu wesentlich das Dasein des Menschen bestimmt.
Literatur
Weblinks
Siehe auch: Anthropologie, Historische Anthropologie