Lebenslauf
Dessau wurde in Hamburg in eine musikalische Familie geboren. Sein Großvater, Moses Berend Dessau, war Kantor, sein Onkel Bernhard Dessau Geiger an der Königlichen Oper Unter den Linden, und sein Cousin Max Winterfeld wurde unter dem Namen Jean Gilbert als Operettenkomponist bekannt.
Ab 1909 studierte er am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium in Berlin mit dem Hauptfach Violine. 1912 wurde er Korrepetitor im Stadttheater Hamburg, wo er die Arbeit der Dirigenten Felix von Weingartner und Artur Nikisch kennenlernte und bei Max Julius Loewengard Kompositionsunterricht nahm. 1914 war er Zweiter Kapellmeister am Bremer Tivoli-Theater, bevor er 1915 zum Kriegsdienst eingezogen wurde.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er Dirigent an den Hamburger Kammerspielen und war 1919 bis 1923 Korrepetitor und später Kapellmeister an der Oper in Köln unter Otto Klemperer. 1923 wurde er Kapellmeister in Mainz, ab 1925 Erster Kapellmeister an der Städtischen Oper Berlin unter Bruno Walter.
1933 emigrierte Dessau nach Frankreich, 1939 weiter in die USA, wo er zuächst in New York, später in Hollywood lebte. 1948 kehrte Dessau mit seiner zweiten Frau, der Schriftstellerin Elisabeth Hauptmann, nach Deutschland zurück und ließ sich in Ostberlin nieder. Ab 1952 lehrte er an der Staatlichen Schauspielschule in Berlin-Oberschöneweide und wurde 1959 zum Professor ernannt. 1952 wurde er Mitglied der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin, deren Vizepräsident er 1957 bis 1962 war. Er betreut zahlreiche Meisterschüler, u.a. Friedrich Goldmann und Reiner Bredemeyer. Ab 1954 war er mit der Choreografin und Regisseurin Ruth Berghaus verheiratet. Der Sohn Maxim Dessau (* 1954) studierte an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg und ist Filmregisseur.
Werke
Dessau komponierte Opern, szenische Spiele, Bühnen- und Ballettmusiken, Sinfonien und andere Orchesterwerke, Stücke für verschiedene Soloinstrumente sowie Vokalmusik. Seit den 1920er Jahren begleitete ihn das Interesse für Filmmusik, u.a. verfasste er Kompositionen für frühe Filme von Walt Disney, Begleitmusik für Stummfilme und für den frühen deutschen Tonfilm. Im Pariser Exil komponiert er u. a. das Oratorium Hagadah shel Pessach nach einem Libretto von Max Brod. In den 1950er Jahren konzentrierte sich sein Schaffen in Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht auf das Musiktheater, in dieser Zeit entstanden seine Opern. Außerdem schrieb er Gebrauchsmusik für die Propaganda der DDR. Er setzte sich zugleich entschieden für die Kompositionen der musikalischen Avantgarde (z.B. Witold Lutoslawski, Alfred Schnittke, Boris Blacher, Hans Werner Henze und Luigi Nono) ein.
Opern
- "Die Reisen des Glücksgotts" (Fragment), 1945 (nach Bertolt Brecht)
- "Die Verurteilung des Lukullus" [Das Verhör des Lukullus], 1949-1951 (nach Bertolt Brecht), Uraufführung am 17. März 1951 an der Staatsoper
- "Puntila", 1956-1959 (Peter Palitzsch und Manfred Wekwerth nach Brechts Stück), Uraufführung am 15. November 1966 an der Staatsoper
- "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" [Fragment], 1961 (nach Bertolt Brecht)
- "Einstein", 1969-1972, (Text: Karl Mickel), Uraufführung am 16. Februar 1974 an der Staatsoper
- "Leonce und Lena", 1976-1979 (Thomas Körner nach Georg Büchner), Uraufführung am 24. November 1979
Schauspielmusik
- "99%- eine deutsche Heerschau" (Furcht und Elend des Dritten Reiches) 1938
- "Mutter Courage und ihre Kinder: Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg" 1946-1949
- "Der gute Mensch von Sezuan" 1947-1948)
- "Die Ausnahme und die Regel" 1948
- "Herr Puntila und sein Knecht Matti", Volksstück 1949
- "Wie dem deutschen Michel geholfen wird." Clownspiel 1949
- "Der Hofmeister" 1950
- "Herrnburger Bericht" für Jugendchor, Soli und Orchester 1951
- "Mann ist Mann" 1951-1956
- "Urfaust" 1952-1953
- "Don Juan" 1953
- "Der kaukasische Kreidekreis" 1953-1954
- "Coriolan" 1964
Filmmusiken
- "Alice und ihre Feuerwehr" (21.8.1928), "Alice und die Flöhe" (25.9. 1928), "Alice und die Wildwest-Banditen" (18.10.1928) und "Alice und der Selbstmörder" (31.1.1929) von Walt Disney
- "Der verzauberte Wald" (7.9.1928) und "Die Wunderuhr" (12.11.1928) von Ladislas Starewitch
- "Doktor Doolittle und seine Tiere" (15.12.1928) von Lotte Reiniger mit Arrangements von Musiken von Kurt Weill, Paul Hindemith und einer eigenen Komposition
- Musikalische Leitung in Musik- und Operettenfilmen mit Richard Tauber (u.a."Das Land des Lächelns", "Melodie der Liebe"). mit Melodien von Franz Lehár und Bronislaw Kaper
- "Stürme über dem Montblanc", "Der weiße Rausch" und "S.O.S. Eisberg" von Arnold Fanck
- "Cargaison Blanche" (von Robert Siodmak), "Yoshiwara"" (von Max Ophüls), "Werther" (von Max Ophüls)
Chorwerke
- "Deutsches Miserere" für gemischten Chor, Kinderchor, Sopran-, Alt-, Tenor- und Baßsolo, großes Orchester, Orgel und Trautonium 1943-1944
- "Internationale Kriegsfibel" für Einzelstimmen, gemischten Chor und Instrumente 1944-45
- "Die Erziehung der Hirse", Musikeps für einem Sprecher, eine Singstimme, gemischten Chor, Jugendchor und grosses Orchester 1952-1954
- "Vier Grabschriften."
- "Grabschrift für Gorki" für eine oder mehrere Männerstimmen und Blechbläser (1947)
- "Grabschrift für Rosa Luxemburg" für gemischten Chor und Orchester
- "Grabschrift für Liebknecht"
- "Grabschrift für Lenin"
- 5 Lieder für dreistimmigen Frauenchor a cappella:
- "Die Thälmannkolonne"
- "Mein Bruder war ein Flieger"
- "Vom Kind, das sich nicht waschen wollte"
- "Sieben Rosen hat der Strauch"
- "Lied von der Bleibe"
- "Appell der Arbeiterklasse" für Alt- und Tenor-Solo, Sprecher, Kinder- und gemischten Chor und großes Orchester, 1960-1961
Lieder
- "Kampflied der schwarzen Strohhüte" 1936
- "Die Thälmann-Kolonne" 1936
- "Lied einer deutchen Mutter" 1943
- "Das deutche Miserere" 1943
- "Horst-Dussel-Lied" 1943
- "Wiegenlied für Gesang und Gitarre" 1947
- "Aufbaulied der FDJ" 1948
- "Zukunftslied" 1949
- "Friedenslied" für eine Singstimme mit einer Begleitstimme (Text Bertolt Brecht nach Pablo Neruda) 1951
- "Der Augsburger Kreidekreis." Eine dramatische Ballade für Musik 1952
- "Jakobs Söhne ziehen aus, im Ägyptenland Lebensmittel zu holen" für Kinderchor, Soli und Instrumente 1953
- "Der anachronistische Zug." Ballade für Gesang, Klavier und Schlagzeug 1956
- "Kleines Lied" für Gesang und Klavier 1965
- "Historie vom verliebten Schwein Malchus" für Gesang solo 1973
- "Spruch für Gesang und Klavier" 1973
- "Bei den Hochgestellten" 1975
weitere Kompositionen
- "In memoriam Bertolt Brecht" für großes Orchester 1956-1957
- "Bach-Variationen" für großes Orchester 1963
- ''"Lenin." Orchestermusik Nr. 3 mit dem Schlusschor "Grabschrift für Lenin." 1969
- "Für Helli." Kleines Klavierstück 1971
- zwei Sinfonien
- sieben Streichquartette u.a.
Auszeichnungen
- Preis des Musikverlags Schott 1925
- Nationalpreis III. Klasse 1953
- Nationalpreis II. Klasse 1956
- Nationalpreis I. Klasse 1965
- Vaterländischer Verdienstorden in Gold 1965
- Karl-Marx-Orden 1969
- Nationalpreis I. Klasse 1974
Literatur
- Fritz Henneberg "Dessau - Brecht. Musikalische Arbeiten." Berlin, Henschel 1963
- Fritz Hennenberg "Paul Dessau. Eine Biographie." Leipzig VEB Deutscher Verlag für Musik 1965
- Paul Dessau "Notizen zu Noten" Hg. v. Fritz Henneberg, Leipzig, Reclam 1974
- Paul Dessau " Aus Gesprächen". Leipzig, VEB Deutscher Verlag für Musik 1974
- Joachim Lucchesi (Hg.) "Das Verhör in der Oper. Die Debatte um die Aufführung »Das Verhör des Lukullus« von Bertolt Brecht und Paul Dessau." Berlin BasisDruck 1993