Organisierter Kapitalismus
Der Begriff organisierter Kapitalismus wurde von dem sozialdemokratischen Politiker Rudolf Hilferding im Jahr 1915 geprägt. Bis 1933 bestimmte die Theorie des organisierten Kapitalismus die Entwicklung der deutschen Sozialdemokratie. Die Theorie bedeutete die endgültige Abkehr von der marxistischen Tradition und die Hinwendung zum Reformismus und demokratischen Sozialismus.
Hintergrund bei Hilfering
Vor 1910
Noch in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts, als Mitglied des sozialistischen Studentenbundes und später als Redakteur des Vorwärts, stritt Hilferding für den Marxismus, verteidigte zum Beispiel gegen innerparteiliche Kritik vehement die Wertlehre von Karl Marx und
unterstützte den umstrittenen Karl Kautsky. Allerdings entwickelte sich in diesen Jahren seine Gegnerschaft zu Rosa Luxemburg.
Das Finanzkapital, 1910
Hilferdings theoretisches Hauptwerk, Das Finanzkapital aus dem Jahre 1910, kann als Versuch betrachtet werden, Das Kapital von Marx in die neue Zeit fortzuschreiben. Gemäß Hilferdings Analyse würde sich die gesamte
finanzielle und industrielle Macht der Gesellschaft in der Herausbildung
eines Generalkartells bündeln, das er als bewußt geregelte Gesellschaft in antagonistischer Form beschrieb. Das Generalkartell würde die gesamte kapitalistische Produktion bewusst regeln und könne damit die Anarchie der kapitalitischen Produktionsweise praktisch aus sich heraus überwinden. Allerdings schrieb Hilferding hier noch der
Arbeiterklasse, die er begrifflich nicht mehr allzu eng verstand und zum Beispiel mit der Herausbildung einer neuen Angestelltenschicht verbunden sah, die Aufgabe zu, die Macht im Staat nötigenfalls gewaltsam zu übernehmen. USPD und Spott von Tucholsky, 1918
Nach der Spaltung der SPD schloss sich Hilferding der linken Minderheit in der USPD an und wurde Chefredakteur der im November 1918 gegründeten Parteizeitung Freiheit. Kurt Tucholsky spottete:
Der organisierte Kapitalismus, 1915/1924
Reformismus und demokratischer Sozialismus
Mit der Theorie des organisierten Kapitalismus, die er in verschiedenen Parteitagsreden (insbesondere 1915 und 1924) sowie Aufsätzen und Artikeln ausformte, vollzog Hilferding und mit ihm die deutsche Sozialdemokratie endgültig die Abkehr von der revolutionären Haltung hin zum Reformismus. In der letzten Ausformung dieser Theorie versuchte er, den organisierten Kapitalismus als friedliches, gewaltfreies Durchgangsstadium zum demokratischen Sozialismus (begrifflich gleichfalls in dieser Zeit geprägt) zu erklären. Im Gegensatz zur marxistischen Theorie wurde eine revolutionäre Lösung der gesellschaftlichen Widersprüche damit endgültig als überflüssig erachtet.
- Gemeinsam mit Hilferding vereinigte sich auf dem Nürnberger Parteitag
- im Jahre 1922 die Minderheit der nunmehr gespaltenen USPD mit den Mehrheitssozialisten; im Jahre 1923 wurde Hilferding Reichsfinanzminister.
Einige Thesen der Theorie des organisierten Kapitalismus
- Der Sozialismus kann auf dem Weg der parlamentarischen Demokratie erreicht werden,
- Die Staatsmacht bleibt im Klassenkampf neutral,
- Der organisierte Kapitalismus führt eine Zeit des pazifistischen Realismus herbei, eine Zeit ohne imperialistische Kriege,
- konstruktiver Sozialimus durch evolutionären Prozess.
Kieler Parteitag der SPD von 1927
Im Parteitags-Referat Die Aufgaben der Sozialdemokratie in der Republik definierte er den organisierten Kapitalismus als- den prinzipiellen Ersatz des kapitalistischen Prinzips der freien Konkurrenz durch das sozialistische Prinzip planmäßiger Produktion.