Konrad von Marburg
Konrad von Marburg (* Datum unbekannt ca. 1180-90; † am 30. Juli 1233 in Beltershausen bei Marburg) war Franziskanermönch, erfolgreicher Kreuzzugsprediger, später Großinquisitor, Machtpolitiker, Beichtvater Elisabeths und ein Gründervater der Stadt Marburg und indirekt Preußens.
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Es war Hochmittelalter, in der Zeit der deutschen Stauferkönige, als der Franziskanermönch Konrad 1214 erstmals mit Aufsehen erregenden Predigten in der Öffentlichkeit Beachtung fand. Da er in den historischen Quellen häufig Magister (entspricht damals etwa dem heutigen Doktortitel) genannt wird, scheint er studiert zu haben, vermutlich an der Universität zu Paris. Dazu passt das Indiz, dass er zunächst im Elsaß auftauchte, später durch das Rheinland bis nach Thüringen zog und in Städten unter freiem Himmel seine massenwirksamen Kreuzzugspredigten hielt.
Damals war Jerusalem gerade erneut von Sultan Saladin eingenommen worden. Die vorangegangenen drei Kreuzzüge in den Nahen Osten waren offenbar gescheitert und hatten das deutsche Reich finanziell und personell ausgelaugt hinterlassen. Der erneute Aufruf des Papstes traf daher auf taube Ohren. Ausgerechnet in dieser Lage gelang es Konrad, durch außergewöhnliche Rednerbegabung und das schöne Versprechen, durch Kreuzzugteilnahme einige Monate Fegefeuer im Jenseits zu sparen, Volkes Meinung umzustimmen. Seiner Glaubwürdigkeit kam es zugute, dass er offenbar sowohl das Mönchsgelübde der Keuschheit als auch das der Armut einhielt, also sein Talent nicht zu Geld machte. Viel Volk folgte ihm von Ort zu Ort.
Der Lebenswandel in den Klöstern und bei den dem Adel entstammenden höheren Geistlichen war damals häufig verlottert. Die Reaktion darauf waren christliche Basisbewegungen wie die Katharer und die Waldenser, die die biblischen Werte und Gebote wieder ernst nehmen wollten. Die römische Kirche setzte auf gewaltsame Niederschlagung dieser Ketzer. Das Laterankonzil 1215 beschloss einen Delikte- und Strafenkatalog gegen alle Abweichler. Konrad kam in dieser Lage wie gerufen. Die Kurie war von seinen mitreißenden Predigten gegen Ketzer hellauf begeistert.
Dem Papst direkt unterstellt durfte er nun als offizieller Ketzer-Richter an den Bischöfen vorbei verurteilen und vollstrecken. Wenig später wurde er 1215 von Innozenz III auch noch zum obersten Strafbevollmächtigten und Sittenwächter aller Kirchenämter in Deutschland ernannt. Im Zuge seiner umherziehenden Tätigkeit ergab sich eine Freundschaft zur Thüringer Langrafenfamilie. Er wurde zum Beichtvater der jugendlichen Elisabeth bestellt. Als strenger Erzieher verordnete er "Gebetsübungen ohne Ende". Ein weiterer Machtzuwachs für Konrad bestand in dem Privileg, in Stellvertretung des Landgrafen die geistlichen Ämter in Thüringen vergeben zu dürfen. Sein größter Erfolg indes war es, [Ludwig IV.] zu überreden, doch in einen vierten Kreuzzug aufzubrechen.
Landgraf Ludwig starb bereits auf dem Weg nach Palästina und ließ eine sehr junge Witwe zurück. Konrad erkämpfte für sie eine auskömmliche Witwenrente. Die beiden zogen um, von der Wartburg auf die Marburger Festung. Papst Gregor IX selbst hatte Konrad per Sendschreiben zu Elisabeths "Defensor", also Wahrer ihrer Rechte gegenüber ihren Verwandten nach dem Tod ihres Mannes und ihr Vormund, bevollmächtigt. Konrad nutzte das in grausamer Weise: er nahm ihr die Kinder weg ebenso wie ihre Freundinnen, er ließ sie häufig auspeitschen und bespitzeln. Die Gesundheit der jungen Frau war dem nicht lange gewachsen. Elisabeth starb 1231 mit nur 24 Jahren.
Um den Leichnam der Wohltäterin der Kranken und Armen rankten sich alsbald Geschichten von göttlichen Wundern. Konrad stellte folgerichtig in Rom Antrag auf Heiligsprechung. Es wurde dem nicht sofort entsprochen "wegen formaler Mängel". Die Zeit wurde genutzt, seine Stellung auszubauen und nebenbei Marburg.
Die "heilige Inquisition" in Deutschland nahm an Umfang und Schärfe zu. Da Konrad in Rom unbegrenztes Vertrauen genoss, durfte er auf Dekret von Papst Gregor die Verfahren abkürzen und Angeklagte ohne zeitraubende Verfahrensregeln auf den Scheiterhaufen bringen.
Da Konrad mittlerweile auch vor Grafen, Bischöfen und Fürsten nicht zurückscheute, erregte er zunehmend Angst, Hass und Widerstand in Adelskreisen. Als er den Grafen Sayn als Ketzerfreund anklagte, kam es zu einer Reichsverhandlung in Frankfurt am Main, da Graf Sayn gute Beziehungen zum deutschen König Heinrich (VII.) besaß. Konfrontiert mit dem König, trauten sich die Belastungszeugen nicht, ihre unter Druck zustande gekommenen Aussagen zu wiederholen. Der geforderte Freispruch indes wurde vom zaudernden König vertagt. Die Bischöfe von Köln, Mainz und Trier versuchten Konrad zu überreden, die Anklage von sich aus fallen zu lassen. Der franziskanische Großinquisitor aber stellte sich stur. Er wandte sich mit feurigen Reden direkt an die neugierigen, beeinflußbaren Volksmassen. Aber diesmal verfing das bis dato Bewährte nicht.
Konrad sah sich mit einem Mal einer unerwarteten Niederlage gegenüber, die in ihm Mutlosigkeit und Rückzug auslöste. Das führte zu seinem selbst erklärten offiziellen Rücktritt als Großinquisitor und zur alsbaldigen Abreise. Die vom König angebotene Schutztruppe wurde von ihm trotzig zurückgewiesen. In Begleitung zweier mönchischer Vertrauter ging es auf Eseln zurück ins oberhessische Marburg. In dem Dorf Beltershausen südlich der Stadt lauertem ihm sechs Berittene auf, die nicht gewillt waren, ihm Gnade zu gewähren. Er und seine Diener wurden am 30. Juli 1233 von Gefolgsleuten des Grafen von Sayn erschlagen.
Erst nach seinem gewaltsamen Tod wurde Elisabeth 1235 von Rom nun doch heilig gesprochen. Der Marktflecken um die Marburger Burg wurde zur [Pilgerstadt]], vergleichbar mit Santiago de Compostela oder Lourdes. Konrad hatte als kluger Machtpolitiker durchgesetzt, dass der Deutsche Orden die Wallfahrtsstätte rund um das von Elisabeth gegründete Hospital zur Verwaltung erhielt. Von Marburg aus ging daher später deren Eroberung des Lands des heidnischen Stammes der Prussen. Das dortige Deutsch-Herren-Orden-Land wurde zur Keimzelle des späteren, so viel größeren Preußens. Durch die Heiligenverehrung Elisabeths und Konrads darauf aufbauende kluge Machtpolitik wurde aus einer kleinen Siedlung rund um eine Festung die Stadt Marburg, zwischenzeitlich hessische Residenz- und Hauptstadt.
Konrad von Marburg war ein glaubensfester, energischer Franziskanermönch, dessen große Rednerbegabung ihm ermöglichte, in unruhigen Zeiten zum mächtigen Großinquisitor des Papstes aufzusteigen. Die Vertrauensstellung als Freund des thüringischen Landgrafens nutzte er, um als Beichtvater auch Vormundschaft über die fromme, wehrlose junge Witwe Elisabeth auszuüben. Sein gewaltätiges Verhalten gegen seine Schutzbefohlene ist im Grunde unentschuldbar, wiewohl in dieser Zeitepoche, die den Frauen keine Gleichwertigkeit zubilligte, nicht gar so ungewöhnlich. Heute, würden derartige Taten bekannt, sprächen psychologische Gutachter von Sadismus und Gefühlsrohheit sowie Machtbesessenheit und Missbrauch. Konrad tat es seinerzeit höchstwahrscheinlich in dem gutem Gewissen, eine Seele vor dem Höllenfeuer zu bewahren. Nebenbei hatte er den Nutzen daraus, auch ohne eigene dynastische Herkunft wie ein Fürst nahezu unbeschränkt über Stadt und Land zu herrschen. Und als Machtpolitiker war er klug und vorausschauend, so dass die Stadt Marburg ausgerechnet ihm viel zu verdanken hat. Von Konrad von Marburg ist viel geblieben, daher trägt er seinen Beinamen zu recht.
Elisabeth von Thüringen, Marburg (Lahn), Inquisition, KetzerBiografie
Kritische Würdigung
Weiterführende Literatur
Siehe auch