Individualisierung
Der Begriff der Individualisierung stammt aus der Soziologie und bezeichnet einen, mit der Industrialisierung und Modernisierung der westlichen Gesellschaften einhergehenden Prozess eines Übergangs der Individuums von der Fremd- zur Selbstbestimmung. Philosophische Grundlage der Individualisierung ist der Individualismus.Der Prozess der Individualisierung kann in zwei Phasen unterteilt werden: Der historisch gewachsene Individualisierungsprozess, der mit der Herausbildung einer modernen bürgerlichen Gesellschaft zur Zeiten der Industrialisierung beginnt, seine philosophisch-kulturgeschichtliche Grundlage jedoch schon in der Aufklärung hat. Dieser Prozess bei dem eine erweiterte Arbeitsteilung gleichzeitig mit einer Schwächung sozialer Bande einhergeht, wird unter Anderem von Georg Simmel und Emile Durkheim beschrieben. Dies zeigte sich in der Zunahme von ökonomisch und utilitaristisch geprägten Beziehungen einerseits und dem damit einhergehenden Rückzug der Großfamilie und dem Zerfall der dörflichen Gemeinschaften. Dem Zerfall traditioneller Bindungen steht eine zunehmende Selbstbestimmung des Individuums gegenüber: Autobiographien werden vermehrt geschrieben, das Konzept der romantischen Liebe entwickelt sich, die Beziehung zu Gott wird im Protestantismus personalisiert.
Viele Soziologen beschreiben einen zweiten, den ersten überlagernden und modifizierenden Individualisierungsprozess seit Ende der 1950er Jahre. Nach Anthony Giddens und Ulrich Beck entwickelt sich in der gegenwärtigen postmodernen Gesellschaft eine qualitativ neue Radikalisierung und Universalisierung dieses Prozesses. Alte gesellschaftliche Zuordnungen wie Stand und Klasse würden obsolet, zunehmender Zwang zur reflexiven Lebensführung geht mit einer Steigerung der Bildung einher, die Pluralisierung von Lebensstilen nimmt weiter zu, Identitäts- und Sinnfindung wird zur individuellen Leistung. Dies wird durch eine Veränderung des staatlichen und ökonomischen Rahmens weiter gefördert.
Literatur