Götz von Berlichingen
Gottfried "Götz" von Berlichingen, "mit der eisernen Hand", (* um 1480; † 23. Juli 1563) war ein schwäbischer Reichsritter. Er wurde vor allem bekannt durch seine Rolle im schwäbischen Bauernkrieg und als Vorbild der gleichnamigen Hauptfigur in Johann Wolfgang von Goethes Schauspiel "Götz von Berlichingen".Götz war der Sohn des Kilian von Berlichingen auf Jaxthausen und der Margaretha von Thüngen. Er wandte sich schon früh dem Waffenhandwerk zu, das er sein ganzes Leben lang ausüben und das ihm seinen zweifelhaften Ruhm einbringen sollte.
Nachdem er ein Jahr lang bei einem Verwandten, Kunz von Neuenstein, gelebt hatte und die Schule in Niedernhall am Kocher besucht hatte, trat er 1494 als "Bube" in den Dienst Konrads von Berlichingen, eines Vetters seines Vaters, eines erfahrenen Ritters, Hofmeister und Rat der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach. Götz begleitete seinen Onkel bei zahlreichen Unternehmungen, so z. B. zu den Reichstagen nach Worms, 1495, und Lindau, 1496.
Nachdem Konrad am 3. Februar 1497 gestorben war, wählte sich Gottfried den Markgrafen selbst, Friedrich IV, als neuen Herren und wurde in den folgenden Jahren mit mehreren anderen als "Knabe" an dessen Hof erzogen. Er folgte mit dem Markgrafen dem Kaiser nach Burgund, Lothringen, Brabant und 1499 in den Schweizerkrieg. Danach beteiligte er sich an der Fehde zwischen den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach und Nürnberg, 1502, und - auf bayrischer Seite - am Landshuter Erbfolgekrieg zwischen Rheinpfalz und Bayern, 1504. In diesem Krieg verlor er am 23. Juni 1504 bei der Belagerung Landshuts durch einen Schuss aus einer Feldschlange die rechte Hand. Sie wurde durch eine mit einem künstlichen Mechanismus versehene Eisenhand, einer Art Handschuh, der am Unterarmstumpf festgeschnallt wurde, ersetzt. Diese Handprothese, die ihm seinen Beinamen "mit der eisernen Hand" einbrachte, ist heute noch zu besichtigen. Die Stellung der Finger konnte mit Hilfe von Zahnrädern fixiert werden und es heißt, dass er damit den Schwertgriff kräftig umfassen und nach wie vor kämpfen konnte.
Gottfrieds Leben war in den folgenden Jahren bestimmt durch zahlreiche Fehden. Ihre Zahl war so groß, dass nur die wichtigsten genannt werden können. Er selbst rechnet etwa fünfzehn in eigener Sache, daneben leistete er vielen Herren "Freunden und guten Gesellen" tatkräftige Hilfe. In dieser Zeit flackerte das Rittertum ein letztes Mal auf. Noch nicht an den allgemeinen Landfrieden gewöhnt und eifersüchtig auf den Reichtum der Städte und Kaufleute, versuchten viele Ritter wirklich geglaubtes oder fingiertes Recht mit Waffengewalt durchzusetzen, um Lösegeld und Beute zu erlangen - seltener zum Schutz Unterdrückter.
Die mehrjährige, erst 1511 beendete Fehde mit den Kölnern, begonnen wegen deren Weigerung, eine Schützenschuld zu zahlen, verwickelte Götz in vier andere, darunter eine mit dem Bischof von Bamberg. Außerdem führte er eine bittere Fehde mit Nürnberg und überfiel mit 130 Reitern am 18. Mai 1512 zwischen Forchheim und Neuseß 95 Kaufleute aus Nürnberg, Augsburg, Ulm und anderen Städten, die unter Bamberger Geleit von der Leipziger Messe kamen. So verhing Kaiser Maximilian am 5. Juli 1512 die Reichsacht über Götz und seine Genossen, darunter Hans von Selbitz, und die Stände des Schwäbischen Bundes erklärten ihm 1513 die Fehde wegen Schädigung von Bundesmitgliedern. Nach mehreren Kämpfen und langen Verhandlungen wurde Götz mit seinen Genossen am 27. Mai 1514 gegen das Versprechen, 14.000 Gulden zahlen zu wollen, von der Acht gelöst. Nicht lange danach (1515/16) entspann sich eine neue Fehde zwischen Götz und dem Mainzer Stift und Erzbischof Albrecht, in der Graf Philipp von Waldeck (1486-1539) gefangen genommen und nur gegen Hinterlegung eines Lösegeldes von 8.900 Dukaten wieder freigelassen wurde, was die erneute Ächtung Gottfrieds zur Folge hatte, 11. Februar 1518.
Berlichingen scheint auch in die Pläne seines Freundes Franz von Sickingen vielfach verflochten gewesen zu sein. Er nahm 1515 an dessen Fehde gegen Worms teil, schickte ihm 1516 bei seinem Zug gegen den Herzog von Lothringen Knechte und Pferde zu Hilfe und war auch in dessen Fehde mit dem Landgrafen von Hessen bei der Einnahme von Umstadt 1518 dabei.
Aber im Jahr 1519, als der Krieg zwischen dem Schwäbischen Bund und Herzog Ulrich von Württemberg entbrannt war, und Götz diesem, wie schon 1514 im Aufruhr des "Armen Konrad" Hilfe leistete, wurde er am 11. Mai 1519 verräterischer Weise gegen die Zusage freien Abzugs, wie er selbst erzählt, wahrscheinlicher aber bei einem Ausfall aus dem ihm anvertrauten, belagerten Schloss Möckmühl verwundet und gefangen genommen. Der Schwäbische Bund gab ihn der Stadt Heilbronn in Haft. Nur dem Einspruch des Franz von Sickingen und Georgs von Frundsberg verdankte er, dass er das Gefängnis im Diebesturm mit "ritterlicher Haft" im Gasthaus "zur Krone" vertauschen durfte. Die Bemühungen befreundeter Ritter zu seiner Befreiung blieben erfolglos. Erst im Oktober 1522 entschloss sich Götz, die lange Zeit trotz Androhung körperlicher Gewalt verweigerte Urfehde zu leisten und für die Zahlung von 2.000 Gulden und Ersatz der Verpflegungskosten Bürgen zu stellen. Er zog sich auf sein 1517 erworbenes Schloss Hornberg zurück, wo er der Sickingenschen Katastrophe entging, bis ihn der 1525 ausgebrochene Bauernkrieg aus seiner Ruhe riss.
Als der sog. Odenwälder Haufen unter Führung des Georg Metzler nach Gundelsheim, in die Nähe seiner Burg, kam, sah sich Götz, wie viele seiner Standesgenossen auch, gezwungen, einen Vertrag mit den Bauern zu schließen und sich unter Vorbehalt in den Dienst gegen den Schwäbischen Bund verpflichten und in die "christliche Brüderschaft" der Bauern aufnehmen zu lassen, 24. April 1525. Da es keinen anderen kriegserfahrenen Anführer gab, zwangen die Bauern Götz, die Führung des Odenwalder Haufens zu übernehmen und ernannten ihn zu ihrem Hauptmann (Museumshof in Buchen). Er belagerte zwar den Frauenberg bei Würzburg, benutzte aber vier Wochen später seine Entsendung gegen das schwäbische Bundesheer, um sich im Mai wieder auf seine Burg zu begeben. Unter seinem, Hans Berlins von Heilbronn und Hiplers Einfluss wurde am 4. Mai im Kloster Amorbach eine "Declaration" der Zwölf Artikel erlassen, die diese wesentlich abmilderte. Die Verbreitung dieser Declaration wurde von einem Großteil der Bauern sehr übel aufgenommen und ihre Urheber bedroht, so dass man nicht weiß, ob Götz während dieser Wochen nicht eher der Gefangene der Bauern als ihr Hauptmann war. Hatte er die Erstürmung Amorbachs noch halbwegs gebilligt, geschahen die Zerstörung Wildenbergs und Miltenbergs und andere Gewalttaten auf dem Zug nach Würzburg doch gegen seinen Willen.
Nach Beendigung des Bauernkriegs wurde Götz angeklagt und rechtfertigte sich persönlich vor dem Truchsess von Waldburg und dem Reichstag in Speyer 1526 mit der Begründung, er habe die aufgezwungene Führung nur angenommen, um Schlimmeres zu verhindern. Zwar erklärte ihn das Reichskammergericht am 17. Oktober 1526 für schuldlos, doch wurde er auf Betreiben seiner Feinde im Schwäbischen Bund am 7. Mai 1528 auf einer Reise nach Stuttgart in Blaufelden im Gasthof des Georg von Eisesheim, einem Diener des Schwäbischen Bundes, überfallen und zu dem Gelübde gezwungen, sich dem Bund zu stellen. Trotz Warnung seiner Freunde folgte er der Aufforderung, am 27. November 1528 in Augsburg zu erscheinen. Dort wurde er festgenommen und bis zum März 1530 in Kerkerhaft gehalten. Nur gegen Leistung einer schmachvollen Urfehde wurde er am 4. März aus der Haft entlassen. Götz musste schwören, sich zeit seines Lebens nur noch im Bereich seiner Burg Hornberg aufzuhalten, nie wieder ein Pferd zu besteigen und keine Nacht außerhalb des Schlosses zu verbringen. Außerdem musste er den Bischöfen von Mainz und Würzburg eine Entschädigung zahlen und - mit Stellung von Bürgen - eine Geldstrafe (Pönal-Stipulation) von 25.000 Gulden geloben.
Götz hielt sich vereinbarungsgemäß in den nächsten Jahren innerhalb der Gemarkung seiner Burg auf und wurde durch Zerwürfnisse mit dem Hochstift Würzburg über streitige Lehen und einen Prozess um die Entschädigungszahlung an Mainz in Anspruch genommen, den er 1534, so weit wir wissen, gewann.
Um 1540 löste der Kaiser ihn aus seiner Haft und nahm ihn unter seinen Schutz und Schirm, weil er die Dienste des erfahrenen Kriegers im Kampf gegen die Türken benötigte. Götz kam der Aufforderung nach, binnen vierzehn Tagen hundert Ritter zusammenzubringen und gelangte mit diesen bis nach Wien, wo er ein bis zwei Monate lag, wegen des insgesamt wenig glücklichen Ausgangs dieses Kriegzuges im Winter aber wieder nach Hause entlassen wurde. Noch einmal zog er mit Karl V gegen die Franzosen, lag vor St. Dizier, wo ihn die Ruhr packte, und zog nach der Übergabe der Stadt ins Landesinnere. Nach dem Frieden von Crespy kehrte er nach Hornberg zurück, wo er die letzten Jahre in Ruhe verbrachte. Die große Zeit der Ritter und des Götz von Berlichingen war vorbei. Er starb am 23. Juli 1563 "uber etlich und achtzig Jahr alt" und wurde im Kreuzgang des Klosters Schönthal beigesetzt.
Aus seiner von ihm selbst verfassten Lebensbeschreibung, die trotz ihrer unbeholfenen Darstellung und mancher Unzuverlässigkeiten ein getreues Gemälde der Sitten jener Zeit, besonders des Adels, gibt, entnahm Goethe den Stoff zu seinem berühmten Schauspiel "Götz von Berlichingen", in dem allerdings die historische Treue keineswegs gewahrt ist.
Götz von Berlichingen war zweimal verheiratet: mit Dorothea von Sachsenheim und seit 17. November 1517 in zweiter Ehe mit Dorothea Gailing von Illesheim. Aus diesen Ehen gingen drei Töchter und sieben Söhne hervor. Seine Nachkommen bilden die sog. Hornberg-Rossacher Hauptlinie, die heute (d.i. um 1900!) den Namen Berlichingen-Rossach führt. Die Linie Berlichingen-Jagsthausen stammt von seinem Bruder Hans von Berlichingen ab. Friedrich Wolfgang von Berlichingen-Rossach (1826-1887), Major und Mitglied der Ersten badischen Kammer, 1859 in den württembergischen Grafenstand erhoben, schrieb die "Geschichte des Ritters Götz v. Berlichingen mit der eisernen Hand und seiner Familie" (Leipzig 1861, Verlag Brockhaus).