Ehrenfried Walther von Tschirnhaus
Ehrenfried Walther von Tschirnhaus (* 10. April 1651 in Kieslingswalde (heute Sławnikowice) bei Görlitz; † 11. Oktober 1708 in Dresden) war Mathematiker, Kursächsischer Rat, der als erster Deutscher zum Auswärtigen Mitglied der Pariser Akademie des Sciences ernannt wurde. Er ist der europäische Erfinder des Porzellans, ein Verdienst, das lange Johann Friedrich Böttger zu Unrecht zugeschrieben wurde. Der Naturforscher, Mathematiker und Physiker war Schöpfer der ersten großen Brennspiegel und Brennlinsen, Initiator der ersten sächsischen Glashütte in Dresden und Begründer der deutschen Porzellanindustrie. Zudem war er ein bahnbrechender Philosoph der deutschen Frühaufklärung.
Von Tschirnhaus wurde am 10. April 1651 in Kieslingswalde bei Görlitz geboren. Er erhielt im Elternhaus, auf dem Gymnasium in Görlitz und an der Universität Leiden die bestmögliche Ausbildung. Eine anschließende Kavalierstour nach England, Frankreich und Italien (1674-1679) machte ihn mit führenden Gelehrten seiner Zeit bekannt: in den Niederlanden mit Baruch de Spinoza und Christiaan Huygens, in England mit Isaac Newton und Henry Oldenburg. In Paris schloss er enge Freundschaft mit dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz, aus der ein umfangreicher Briefwechsel hervorging.
Als erster Deutscher wurde von Tschirnhaus 1682 auswärtiges Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften. Er baute große Brennspiegel, stellte die größten Brenngläser seiner Zeit her und erzielte Ergebnisse, von denen zeitgenössische Berichte geradezu Märchenhaftes zu erzählen wissen. Für diese Leistungen erhielt von Tschirnhaus 1692 in Sachsen den Titel eines kurfürstlichen Rates. Einige seiner Brennspiegel und Brennlinsen sind noch heute in verschiedenen Museen, z.B. im Mathematisch-Physikalischen Salon in Dresden, im Deutschen Museum in München und in Kassel zu sehen.
Im Februar 1694 berichtete von Tschirnhaus in Briefen an Leibniz über seine Experimente und erwähnte dabei, dass ihm dabei der Gedanke gekommen sei, Porzellan herzustellen. Die Chinesen hatten die dazu nötige Technik schon im 7. Jahrhundert entschlüsselt.
Von 1697-1699 machte von Tschirnhaus weitere systematische Versuche zum chemischen Verhalten von Erden und Silicaten bei hohen Temperaturen. Schon 1704 wies er dem Sekretär Leibnizens Stücke seiner Porzellanerzeugnisse vor, wobei dieser erläuternd sagte: "die Chinesen könnten ohnmöglich den Porcelan anders als auf seine Manier machen".
Von Tschirnhaus hatte daraufhin dem Landesherren, König August II dem Starken, einen Entwurf zur Errichtung einer Porzellanfabrik vorgelegt, der aber in eine politisch ungünstige Zeit fiel (Großer Nordischer Krieg, 1700-1721) und deshalb ohne Folgen blieb. 1706 verzichtete August der Starke auf die polnische Krone und kehrte nach Sachsen zurück. 1701 kam nun der aus Berlin geflüchtete, damals 19-jährige Apothekergehilfe und Alchemist Johann Friedrich Böttger (1682-1719) nach Dresden, der in Berlin insgeheim alchemistische Versuche betrieben und seinem Chef eine angeblich völlig "geglückte Probe" seiner Goldmacherkunst vorgelegt hatte. Als auch August der Starke davon hörte, verlangte er die Einziehung des "Kerls". Böttger floh, wurde aber auf der Flucht in Gewahrsam genommen und nach Dresden zurückgebracht, wo er jahrelang unter strenger Aufsicht Gold herstellen sollte, was ihm natürlich nicht gelingen konnte.
1704 wurde der damals 53 Jahre alte von Tschirnhaus zur Beaufsichtigung des Goldmachers herangezogen. Wahrscheinlich hatte es Böttger dem Gelehrten zu verdanken, dass er nicht das harte Schicksal früherer alchemistischer Glücksritter teilen musste, da von Tschirnhaus ihn zu seinen Experimenten heranzog. Böttger wollte davon aber nichts wissen und sträubte sich noch bis September 1707 gegen eine Mitarbeit. Er wolle sich nicht "in die Porcellain-Arbeit melieren, die Tschirnhausens Angelegenheit sei". Erst auf höheren Befehl bequemte sich Böttger zur Mitarbeit.
Im Dezember 1707 kam der König in das neue, für von Tschirnhaus eingerichtete Forschungslaboratorium in den Kasematten der Venusbastei (heute Brühlsche Terrasse) und ließ sich die Tschirnhaussche Erfindung vorführen.
Unter von Tschirnhaus Oberleitung wurden die planmäßigen Versuche mit verschiedenen Erden fortgesetzt, wobei mehrere Freiberger Berg- und Hüttenleute mitwirkten. Das Jahr 1708 brachte einen wesentlichen Fortschritt der Arbeit, da sich zwei Mineraliensendungen als besonders geeignet erwiesen: Eine gelieferte Probe Kaolin bei Schneeberg und ein Alabaster als Flussmittel. August der Starke ernannte von Tschirnhaus zum Geheimen Rat und Direktor der zu gründenden Manufaktur und verfügte, "daß wir dem Herrn von Tschirnhausen 2561 Thaler haben auszahlen lassen...". Von Tschirnhaus allerdings bat, diesen Titel erst nach Anlaufen der Fertigung führen zu dürfen.
Das Schicksal wollte es jedoch, dass der Leiter des Ganzen plötzlich starb. Am 11. Oktober 1708 wurde Ehrenfried Walther von Tschirnhaus von der roten Ruhr dahingerafft. Im Forschungslaboratorium herrschte große Betrübnis, denn keiner wusste, wie es mit den Porzellanarbeiten weitergehen sollte.
Drei Tage nach von Tschirnhaus Tod berichtete Böttger in einer Meldung an den Statthalter Egon Fürst von Fürstenberg von einem Einbruch in dessen Haus, bei welcher Gelegenheit ein von Tschirnhaus gefertigter kleiner Porzellanbecher abhanden gekommen sei. Dieser Bericht ist ein besonders wichtiges Zeugnis, denn hier bestätigt Böttger selbst, dass es sich um ein echtes Porzellanerzeugnis von Tschirnhaus handelt.
Bis zum 20. März 1709 ruhten die Porzellanarbeiten, dann traf Melchior Steinbrück in Dresden ein. Steinbrück war der Hauslehrer der Familie von Tschirnhaus und hatte nun die Aufgabe, den Nachlass zu sichten. Hier fielen ihm u. a. auch die Porzellanrezepte in die Hände. Am 20. März 1709 unterzeichnete Steinbrück vor einem Notar die Aufstellung des Nachlasses von Tschirnhaus und traf in diesen Tagen mit Böttger zusammen, der dann plötzlich am 28. März 1709, also nur acht Tage später, dem König die Erfindung des Porzellans meldete. Böttger wurde Leiter der ersten Porzellan-Manufaktur Europas. Er ernannte Steinbrück zum Inspektor, dieser heiratete dann Böttgers Schwester.
1719 floh der Arkanist Samuel Stölzel aus Meißen nach Wien und verriet dort das Porzellan-Geheimnis. Er bekundete, dass nicht Böttger, sondern von Tschirnhaus das Porzellan erfunden habe.
Ebenfalls 1719 berichtete der Generalsekretär der Meißner Manufaktur, Caspar Bussius, in seinem Bericht, "daß die Porcellainerfindung nicht von Böttger, sondern von dem seeligen Herrn von Tschirnhausen herkommt und dessen schriftliche Wissenschaft ihm durch den Inspector Steinbrück zugebracht worden sey ".
In einem noch späteren Bericht aus dem Jahre 1731 schrieb Peter Mohrenthal: "Ganß Sachsen wird so leicht den Herrn von Tschirnhausen nicht vergessen, und sein Ruhm wird ewig bestehen, so lange nehmlich, als die Porcellain-Fabriqve in Meißen welche nächst der Chinesischen, ihresgleichen in der Welt nicht hat,... Denn eben der Herr von Tschirnhausen ist derjenige, so die Massam zum Porcellain am ersten glücklich gefunden, und hat sie nach ihm der bekannte Baron Bötticher völlig ausgearbeitet... Der Tod nehmlich unterbrach alle schöne Bemühungen des Herrn von Tschirnhausen, welche die Welt nicht mit Golde bezahlen kann."
Trotzdem gibt es verschiedene Stellen, die diesem Gelehrten die ihm gebührende Ehre nicht gewähren wollen. In Dresden und Meißen erinnert auch heute noch viel an Böttger und wenig an von Tschirnhaus. In beiden Städten stehen Gedenksteine allein für den Porzellanerfinder Böttger, der "Gold machen sollte und dabei zufällig das Porzellan erfand", wie heute noch zu lesen steht. Die urkundlichen Quellen besagen etwas anderes, wie gezeigt wurde - entgegen der teilweise noch vorherrschenden Meinung. Böttgers Ruhm soll nicht geschmälert werden - seine Leistung ist vor allem darin zu sehen, die fabrikmäßige Herstellung des Meissener Porzellans hervorragend gemeistert zu haben.
Als Erfinder des europäischen Porzellans muss jedoch Ehrenfried Walther von Tschirnhaus gelten. Mittlerweile sind bereits zwei sächsische Schulbücher korrigiert, mehrere Lexika (Brockhaus, Encarta...) und eine Reihe von Reiseführern (Stand Feb. 2004). Weitere Wissenschaftler sind um Aufklärung bemüht, und hoffen, die letzten Beweise bis 2008 gefunden zu haben, dem 300. Todestag von Tschirnhaus.
Literatur
Weblinks