Buchbinder
Der Buchbinder tätigt den abschließenden Arbeitsgang bei der Buchherstellung nach Beendigung der Druckarbeiten. Der Buchblock, also der Teil des Buches, der aus den gefalzten, mit Klebebindung oder Fadenheftung zusammengehaltenen, beschnittenen Papierbogen besteht, wird in den Bucheinband (auch Buchdecke) gehängt und mit diesem verbunden. Vor der heute üblichen Serienanfertigung gab es eine lange Tradition des künstlerischen Verzieren und Ausgestaltens der Buchdecke. Es gibt heute weiterhin den Beruf des Buchbinders, doch die kostbare Ausarbeitung eines Buchdeckels ist nur noch selten. Meist arbeitet der Buchbinder in der Massenproduktion am Automaten.
Der Brauch, Bücher mit festen Deckeln zu versehen und die Außenseite der letzteren künstlerisch zu schmücken, lässt sich auf die römischen, koptischen und griechischen Diptychen und Triptychen, also Holz- oder Metalltafeln mit eingelegten Papyrus oder Pergamentrollen, zurückführen.
Als in christlicher Zeit an die Stelle der mit Wachs überzogenen Holztafeln die Pergamentblätter getreten waren, ahmte man Deckel mit Elfenbeinschnitzereien nicht allein nach, sondern benutzte auch vorhandene und verwandelte nicht selten die darauf dargestellten heidnischen in kirchliche Personen.
Die erste Periode der eigentlichen Buchbindung kann als die Byzantinische bezeichnet werden. Der Kostbarkeit der mit Miniaturen geschmückten Handschriften entsprachen der materielle und der künstlerische Wert der Deckel, welche mit Elfenbeinschnitzwerk, getriebener oder gravierter Goldarbeit, Filigran, Schmelz und Edelsteinen geschmückt wurden.
In Europa folgte man dieser Sitte, überzog jedoch auch frühzeitig schon die Holzplatten des Einbandes mit Leder, und mit ausdrücklichem Hinweis auf diesen Zweck verlieh Karl der Große Klöstern das Jagdrecht. In der Bücherornamentation, die nun ausschließlich in den Händen des Buchbinders
lag, bildete sich ein eigener Stil, die Verzierungen wurden eingeschnitten, getrieben, gepunzt oder mit Stempeln eingepresst. Von dem einstigen Metallüberzug blieben nur die Beschläge zum Schutz der Ecken, die Knöpfe, um den Deckel beim Aufschlagen zu schützen, und Verschluss.
Diese zweite, mittelalterliche Periode erhielt ihren Abschluss durch die Erfindung der Buchdruckerkunst. Es entstand nunmehr die gewerbsmäßige Buchbinderei. Die Buchbinder bearbeiteten die vom Buchdrucker hergestellten Bücher und waren seit dem 16. Jahrhundert in eigenen Zünften organisiert. Die Ornamente für das Äußere wurden dem Innern des Buches entlehnte. Leisten, Vignetten, Fleurons, Embleme erscheinen in Pressung mit schwarzer Farbe, Gold oder ohne Färbung (blind) auf dem Deckel wieder, oder es werden für diesen ähnliche Kompositionen gemacht. Zwei Haupttypen der äußeren Buchornamentation gehen nebeneinander her: die architektonische Anordnung und die Flächendekoration im eigentlichen Sinn. Im ersteren Fall werden Deckel wie Titelblätter häufig mit Frontispizen geschmückt, in deren mehr oder weniger phantastische Architektur man Figuren oder Medaillonköpfe mit Namen aus der römischen Mythologie und Geschichte einordnete.
Im letzteren Fall breiten sich Arabesken über die ganze Fläche aus, durch eine Bordüre begrenzt und vielleicht in der Mitte einen Raum für Schrift, Wappen oder Embleme des Eigentümers freilassend, oder die Arabesken sammeln sich zu Mittel- und Eckstücken. Variationen wurden durch die Erfindung der Filets, eiserner Stempel von sichelförmiger Gestalt, in welche ornamentale Details geschnitten sind, im 16. Jahrhundert sehr erleichtert. Größeren Reichtum brachte man in dieselben durch ein Ledermosaik, oder das Einlegen grüner, weißer, roter etc. Lederstreifen in den gewöhnlich braunen Ledergrund.
Besonders in Schwung gebracht wurde eine aus Bandstreifen und Linienarabesken zusammengesetzte Ornamentation durch den Italiener Thomas Majoli und den Franzosen Jean Grolier und letzterer wirkte nicht nur in Frankreich richtungsweisend, sondern auch in anderen Ländern. Grolier soll auch als erster den Titel des Buches auf dessen Rücken gedruckt haben, während man früher wohl den Titel auf den obern Schnitt des Buches schrieb, der in neuerer Zeit, um das Eindringen des Staubes zwischen die Blätter zu verhindern, vergoldet oder gefärbt, mitunter auch mit förmlichen Malereien versehen wurde. Auch der Buchdrucker Geoffroy Tory hatte großes Interesse an der künstlerischen Vervollkommnung der Buchbindung. Die Ornamentation machte sich in der Folge allmählich von der Buchdruckerkunst unabhängig.
Unter Heinrich III, dessen Bücher an den Totenköpfen und ähnlichen Symbolen kenntlich sind, wurden die Arabesken weniger schwungvoll, mehr geometrisch, und in den späteren Zeiten machte die Ornamentation alle Wandlungen des Geschmacks im kleinen mit. Gegen die Mitte des 17. Jahrhundert reüssierte als Buchbinder Le Gascon, unter Ludwig XIV brillierte der Abbé du Seuil, welcher diese Kunst nur der Liebhaberei wegen betrieb.
Wichtige Buchbinder der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren Thouventin sowie Ende des 19. Jahrhunderts Lortic und Marius Michel in Paris.
In Deutschland begünstigten die bayrischen Herzöge, die Kurfürsten von der Pfalz und Sachsen sowie die Patrizier in den reichen Handelsstädten die Buchbinderei: Hans Holbein der Jüngere, Virgil Solis, Peter Flötner, Hans Mielich und Lucas Cranach der Ältere lieferten Entwürfe. Weitere Namen von ausgezeichneten Buchbindern, namentlich aus Süddeutschland:
Geschichte der Buchbinder
In Deutschland und den Niederlanden führte man Malereien mit Lackfarben (fälschlich Email genannt) auf Lederbänden aus, Bildnisse, Arabesken etc., welche vorgeprägt sind. Im 17. Jahrhundert erneuerte sich die Vorliebe
für Metallbeschläge, welche, durchbrochen, die kostbare Unterlage, z. B. roten Samt, durchblicken lassen. Im 18. Jahrhundert wurde die Buchornamentation nüchtern und einförmig, Schnörkel der Rokokozeit und klassische Motive wurden ohne Wahl angewendet, bis das Handwerk auch technisch sank. Deutsche Buchbinder, welche etwas Besseres leisten wollten, wanderten nach England aus.
Weblinks
Dieser Artikel basiert auf dem entsprechenden Eintrag in Meyers Konversationslexikon, 4. Auflage von 1888-90