Neuroleptikum
Als Neuroleptikum (etwa „Nervendämpfungsmittel“) wird ein Medikament bezeichnet, das als psychotrope Substanz eine antipsychotische, sedierende und psychomotorische Wirkung besitzt und vor allem zur Behandlung von Psychosen eingesetzt wird.Der Einsatz von neuroleptischen Medikamenten ist heute üblicher Standard bei der Behandlung von akuten Psychosen. Eine dauerhafte Medikation, nach Möglichkeit in geringerer Dosierung als in der Akutphase, kann erneuten Phasen akuter psychotischer Störungen vorbeugen.
Neuroleptika ersetzen nicht die zusätzlich als notwendige anzusehende ergänzende soziotherapeutische oder psychotherapeutische Behandlung.
Als gesichert gilt heute, dass der Wirkungsmechanismus von Neuroleptika auf einem Eingreifen in die synaptische Erregungsübertragung des Gehirns beruht, wobei alle derzeitigen Neuroleptika die Übertragung des Botenstoffs Dopamin hemmen.
Neuroleptika wirken lediglich symptomatisch, das heißt, sie können psychische Krankheiten nicht im eigentlichen Sinne heilen, aber Symptome wie Halluzinationen oder Wahn können damit in der Regel beseitigt werden. Teilweise haben Neuroleptika neben der antipsychotischen auch eine sedierende (beruhigende) Wirkung. Zumindest für die herkömmlichen Neuroleptika gilt dabei: je geringer die neuroleptische Potenz (Wirksamkeit gegen akute psychotische Symptome), desto stärker ist die Sedation.
Üblicherweise sind akute psychotische Symptome (Halluzinationen) durch Neuroleptika besser zu behandeln, als die bei Psychosen häufig außerhalb der akuten Phasen auftretenden so genannten Negativsymptome (z. B. Antriebs- und Kommunikationsarmut). Isolierte wahnhafte Störungen ohne die sonstigen Symptome einer Psychose sind einer neuroleptischen Behandlung oft ebenfalls schwer zugänglich.
Für die langfristige Behandlung werden oft so genannte Depot-Neuroleptika eingesetzt, die z. B. wöchentlich, 14-tägig oder 4-wöchig intramuskulär gespritzt werden können und damit den Behandelten die ständige Beachtung der regelmäßigen Einnahme ersparen.
Als ein Problem in der Behandung von Psychosen wird häufig die Tendenz der Betroffenen gesehen, die Medikamente abzusetzen (Gründe: z. B. mehr oder weniger bewusste Leugnung der psychotischen Störung, mehr oder weniger bewusste Ablehnung der Behandlung u. a. auch wegen der Nebenwirkungen oder einfach momentane Symptomfreiheit, weswegen kein Grund mehr für die Einnahme gesehen wird). Absetzen der Medikamente wird meist in Zusammenhang mit dem Wiederauftreten akuter psychotischer Phasen gesehen. Auch zur Vermeidung dieses Problems werden Depot-Neuroleptika eingesetzt.
Eine schwere psychische Störung führt zu einem grossen, phasenweise auftretenden Verlust an mentalen Fähigkeiten. Durch den moderaten Einsatz von Neuroleptika können diese Einschränkungen gelindert werden. Bei auf Medikamente empfindlichen, z.B. alten Menschen, können durch Neuroleptika aber auch sehr starke Einschränkungen an mentalen Fähigkeiten resultieren. In der Regel sind diese Einschränkungen reversibel und verschwinden mit dem Absetzten wieder.
Wie bei fast alle Psychopharmaka, können auch durch Neuroleptika paradoxe, eigentlich psychotische Zustände, ausgelöst werden. In den letzten Jahren sind viele Neuroleptika in den Markt gelangt, ohne dass sie vorgängig an gesunden Testpersonen in vergleichbarer Menge und über längere Dauer getestet wurden. Viele als nebenwirkungsarm eingeführte Neuroleptika wurden zurückgezogen, bei anderen wurden zu viele zuerst übersehene Nebenwirkungen nachgereicht, z.b. konstante durchschnittliche Gewichtszunahme pro Monat 0.4kg. Das Wissen über Neuroleptika ist deshalb stark fragmentiert und unvollständig.
Bei rund 16% der heutigen Patienten träten tardive Dyskinesien auf, würden sie die Medikamente absetzten. Nach dem geschädigten Hirnareal auch EPS oder nach den Symptomen Parkinsonismus genannt. Obwohl diese Schädigung in der Natur nicht vorkommt, ist es fast 20 Jahre gegangen, bis die Fachwelt diese Nebenwirkungen akzeptiert und wahrgenommen hat.
Auch die heute gängigen, nebenwirkungsarmen Neuroleptika führen zu einem Abschalteffekt im Bereich der Phantasie. Bei mittleren Dosierungen kommt es zusätzlich zu einem Vermindern des Fühlens (Antrieb, Selbstwertgefühl, Gerechtigkeitsempfinden). Bei hohen Dosierungen sind Dämpfungseffekte üblich: u.a. kann ein Verlust der Organisations- und Selbstmotivationsfähigkeiten eintreten. Nur wenige Kategorien von Nebenwirkungen sind bisher erforscht.
Erforschte Nebenwirkungen sind solche vergetativer Art (hormonelle und sexuelle Störungen, Muskel- und Bewegungsstörungen, Schwangerschaftsschäden, Körpertemperaturstörungen, etc.) und solche psychischer Art (sedierende Wirkungen, Depressionen, Antriebslosigkeit, emotionale Verarmung, Verwirrtheit, Wirkungen auf das Zentrale Nervensystem, etc.) unterscheiden. Betroffene selbst beschreiben oft ein Gefühl „eingemauert“ zu sein.
Eine entscheidende Folge der hemmenden Wirkung der Neuroleptika auf den Überträgerstoff Dopamin ist die Störung der Steuerung von körperlichen Bewegungsabläufen, da Dopamin auch daran beteiligt ist. Dabei wird unterschieden zwischen:
Psychische Nebenwirkungen
Neuroleptika führen zu keiner Gewöhnung und Abhängigkeit. Biperiden allerdings, zur Bekämpfung der extrapyramidalen Nebenwirkung gegeben, besitzt ein Suchtpotenzial.
Bei einer Umstellung auf ein anderes Neuroleptika kann sich der Gesundheitszustand zum Zeitpunkt des Absetzten des alten Präparates derart verschlechtern, dass selbst bei einer Rückkehr auf das ursprüngliche Präparat die Störung nicht mehr oder nur mit einer anhaltend erhöhten Dosis kontrollierbar ist. Weshalb das so ist, ist unerforscht.
Werden Neuroleptika bei Menschen mit AD(H)S (Ritalin) verabreicht, verschlimmern sich AD(H)S Symptome massiv und proportional zur Dosis. Es gibt noch keine Studien zu diesem Problem. Möglicherweise ist dieser Effekt irreversibel.
Hirnchemisch wird durch ein Neuroleptikum eine künstliche Depression ausgelöst. Alle mentalen Beeinträchtigungen, die bei Depressiven in Folge der psychischen Erkrankheit auftreten, können deshalb auch durch Neuroleptika erzeugt werden. Diese Nebenwirkungen treten dann nicht in den für psychische Krankheiten typischen Phasen (mehrere Wochen/Monate), sondern proportional zur eingenommen Dosis auf.
Nebenwirkungen auf kognitiv-mentale Funktionen lassen sich daran erkennen, dass sie nicht den Schwankungen der Grunderkrankung folgen. Nebenwirkungen auf mentale Funktionen sind proportional zur Dosis.
Es ist für viele Patienten deshalb nicht mehr möglich, ausdauernd intellektuell oder kreativ zu arbeiten. Viele Patienten, die auf einer hohen Dosis Neuroleptika einnehmen, sind körperlich tätig oder in einer Behinderteneingliederungswerkstätte beschäftigt.
Als Stoffklassen werden Neuroleptika in Gruppen und Untergruppen aufgrund ihrer chemischen Strukturgemeinsamkeiten unterteilt:
Neuroleptika haben - zusammen mit Antidepressiva - von 1985 bis 1994 auf dem Markt für Psychopharmaka erheblich an Bedeutung gewonnen. Im Jahr 1994 wurden in Deutschland 336 Millionen definierte Tagesdosen verordnet und ziehen mittlerweile fast mit den Tranquillantien (367 Mio.) gleich. (Quelle: Arzeneiverordnungs-Report 1995 - aktellere Zahlen werde ich noch besorgen)
Umsatzstärkster Wirkstoff war 1994 Haloperidol, umsatzstärkstes Handelsprodukt war Haldol.
Neuroleptika werden vor allem bei der Diagnose Schizophrenie und manischer Depressivität, aber auch außerhalb des Indikationsbereichs verabreicht. 40 % der Verordnungen werden mit Psychosen begründet, 20 % mit Neurosen 16 % mit mangelhaft behandelten Krankheiten 8 % mit Symptomen, 4 % mit Hirngefäßerkrankungen. (Krause-Girth 1989). Frauen wird häufiger verschrieben als Männern (78%: 22% nach Krause-Girth) und alten Menschen deutlich öfter als jungen. In einer Studie von 1989 erhielten in den 55 untersuchten Altenheimen von Massachusetts, USA, 39% der Insassen Neuropleptika. (Avron, Jerry et al. 1989). Auch Kindern und selbst Säuglingen werden derartige Präparate verordnet (1984 wurde Atosil mit dem Wirkstoff Promatheazin 170.000 mal an Kinder unter 12 Jahren verordnet, darunter 100.000 mal an 1-5 Jährige und 30.000 mal an Säuglinge. (Homes, Alexander M.. Psychopharmaka für Kinder in: Psychologie heute 11 (1984))
Ist beim Patienten eine feinmotorische Störung, eine starke, für die Psyche zur Kompensation wichtige, Legasthenie oder eine mentale Behinderung vorhanden, sollte vom Einsatz von Neuroleptika wenn irgendwie möglich abgeraten werden. Diese Patientengruppen büssen substanziell mehr kognitive Fähigkeiten ein als normale Menschen.
Auf gar keinen Fall sollten Neuroleptika leichtfertig oder bei Menschen mit AD(H)S Symptomen in der Kindheit abgegeben werden.
Wirkung
Nebenwirkungen
Eine Psychose/Schizophrenie kann als eine Störung einer krankhaften Phantasie betrachtet werden. Neuroleptika dämpfen die Erregungsleitung von Nervenimpulsen bei der Ausbreitung durch das Gehirn. Durch das Hemmen des Dopaminstoffwechsels werden die Leistungen der Hirnareale, die die Vernunft beinhalten, bevorzugt - zulasten der für Kreativität und Integration der Sinne zuständigen Bereiche. Auf die Sinnesorgane wirken Neuroleptika reizflutvermindernd. Diese Effekte treten unabhängig von einer psychischen Krankheit auf und sind, mangels besserer Behandlungskonzepte, teils sogar gewünscht.Erforschte Nebenwirkungen
Die Dyskinesien treten bei unterschiedlichen Neuroleptika unterschiedlich häufig auf. Aus der Sicht des Patienten lohnt sich immer, die neueren Neuroleptika einzusetzen. Aus der Sicht des Arztes, sind diese zu teuer. http://www.antipsychiatrie.berlinet.de/artikel/trialog/flecken.htm" class="external">Häufigkeit tardiver Dyskinsien
Vegetative Nebenwirkungen
Keine dieser Nebenwirkungen findet sich bei allen Neuroleptika - sie treten also nur bei bestimmten auf. Im Gegensatz dazu führen allerdings laut Elsaesser, Axel (1974) Neuroleptika z. B. zu Beeinträchtigungen der Sexualfunktionen über alle Betroffenengruppen und alle Neuroleptika hinweg.Keine Abhängigkeit
Individuelle kognitiv-mentale Beeinträchtigungen
Präparate:
Herkömmliche Neuroleptika (von oben nach unten mit abnehmender neuroleptischer Potenz und zunehmender Sedierung):
Atypische Neuroleptika:
Wirkstoffgruppen und Handelsnamen
Verordnungen von Neuroleptika
Literatur
Weblinks
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