Kindesmisshandlung
Kindesmisshandlung ist Gewalt gegen Kinder oder Jugendliche. Das Thema erregt die Öffentlichkeit immer wieder in besonderem Maß.
Table of contents |
2 Abgrenzung 3 Formen 4 Rechtliche Fragen 5 Ausmaß 6 Ursachen 7 Hilfe 8 Weblinks 9 Literatur |
Kindesmisshandlung kann verstanden werden als eine nicht zufällige, bewußte oder unbewußte, gewaltsame, psychische oder physische Schädigung, die in Familien oder Institutionen (z.B. Kindergärten, Schulen, Heimen) geschieht, die zu Verletzungen, Entwicklungshemmungen oder sogar zum Tod führt und die das Wohl und die Rechte eines Kindes beeinträchtigt oder bedroht. (Bast, 1975, nach: Senatsverwaltung Berlin, 2002, S. 6).
In dieser Definition sind Formen der alltäglichen und systematische Kinderfeindlichkeit, wie sie z.B. in schlechten Wohnbedingungen oder lebensbedrohlichem Verkehr ausdrücken, nicht berücksichtigt. Diese ebenfalls zur Misshandlung zu zählen würde den Begriff zu ungenau machen.
In den meisten Staaten der Welt sind Körperstrafen als Erziehungsmittel gesetzlich nicht pauschal verboten. Es wird daher zwischen "nicht-missbräuchlicher" (nonabusive) und "missbräuchlicher" (abusive) Züchtigung unterschieden. Es gibt dabei in jedem Land eigene Gesetze, die den Tatbestand der Misshandlung von der legalen Züchtigung abgrenzen. In Deutschland wird seit der Gesetzesänderung von 2000 grundsätzlich jede Körperstrafe, unabhängig von ihrer Härte, gesetzlich als Misshandlung angesehen. Siehe auch Züchtigungsrecht.
Neben der direkten körperlichen Gewalt umfaßt diese Definition noch eine Vielzahl von Handlungen, die in folgenden Misshandlungsformen zusammengefasst werden können:
Nach §1631 Abs. 2 BGB haben in Deutschland "Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig." Zudem stehen bestimmte Formen der Misshandlung nach Strafgesetzbuch unter Strafe, so z.B. nach § 225 Misshandlung von Schutzbefohlenen (bzw. den §§ 221 - 229 (Tötung und Körperverletzung)) und nach && 177 - 178 (Vergewaltigung, sexuelle Nötigung). Eine Strafverfolgung von Missbrauchstourismus ist möglich, dadurch können Männer die Kinder im Ausland vergewaltigen dafür auch in Deutschland bestraft werden. Die meisten dieser Paragraphen bezeichnen Offizialdelikte, d.h. die Polizei muss bei Hinweisen ermitteln, selbst wenn eine Anzeige zurückgezogen werden sollte.
In einigen Bundesländern gibt es spezialisierte Kommissariate in der Kriminalpolizei. Um Gewaltopfern oftmals quälende Mehrfachaussagen zu ersparen, ist es bei einer Entscheidung für eine Anzeige sinnvoll, diese nur in diesen Abteilungen zu stellen (trotzdem müssen die Aussagen mindestens noch einmal vor Gericht wiederholt werden). Der Einsatz von Videotechnologie bei Opferaussagen zur Vermeidung von Mehrfachaussagen oder Konfrontation mit dem Täter wird in Deutschland nur sehr selten wahrgenommen; häufig wird er mit formal-juristischen oder finanziellen Argumenten abgelehnt.
Eine Meldepflicht bei Bekanntwerden von Misshandlung besteht in Deutschland nicht. Ärztinnen/Ärzte sowie PsychologInnen sind an die Schweigepflicht gebunden, wenn es um die Abwehr einer gravierenden Gefahr für Gesundheit oder Leben von Kindern/Jugendlichen geht, können sie aber einen "rechtfertigenden Notstand" geltend machen, der die Verlezung Schweigepflicht rechtfertigt. Andere Berufsgruppen, z.B. Pädagogen haben keine Schweigepflicht, aber u.U. genießen ihre Klienten einen besonderen "Vertrauensschutz", der die Weitergabe von Informationen sanktioniert.
Aufschluss über das Ausmaß von Kindesmisshandlung gibt die Polizeiliche Kriminalstatistik. Zu beachten ist, dass in der Polizeilichen Kriminalstatistik lediglich die angezeigten Fälle aufgeführt werden (Hellfeld) so dass Fälle ohne erfolgte Anzeige unberücksichtigt bleiben und dass die Anzahl der nachgewiesenen Fälle (Verurteilungen) deutlich niedriger liegt. Ferner besteht eine Konzentration auf der "schwere" Fälle auf Grund der der Überwindung der Schwelle der Anzeigebereitschaft. Für das Jahr 2002 weist die Polizeiliche Kriminalstatistik folgende Fälle angezeigter Straftaten aus, die in direktem Zusammenhang mit Kindesmisshandlung stehen (nur angezeigte kindliche Opfer):
Definition
Abgrenzung
Formen
Oft bedingen sich diese Misshandlungsformen gegenseitig, so kann z. B. die Einschüchterung des Kindes nach der Misshandlung als emotionaler Missbrauch verstanden werden. Aus Vernachlässigung eines Kleinkindes kann körperliche Misshandlung entstehen.Rechtliche Fragen
Ausmaß
Straftat | Angezeigte Fälle |
Mord | 38 |
Totschlag und Tötung auf Verlangen | 67 |
Fahrlässige Tötung | 108 |
Vergewaltigung und Sexuelle Nötigung | 643 |
Körperverletzung mit Todesfolge | 21 |
Gefährliche/Schwere Körperverletzung | 9.028 |
Misshandlung von Schutzbefohlenen | 3.058 |
Vorsätzliche leichte Körperverletzung | 26.119 |
Fahrlässige Körperverletzung | 3.658 |
Straftaten gegen die persönliche Freiheit | 9.982 |
Eine Sonderstellung der Kindesmisshandlung ist der sexuelle Missbrauch von Kindern und der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen. Zum Einen gibt es Misshandlungen von Kindern sexueller Art, zum Anderen zielt die Sexualstrafgesetzgebung bei diesen Delikten nicht auf Gewaltanwendung ab. In der Fachliteratur wird weitgehend zwischen sexuellem Missbrauch von Kindern und Misshandlungen unterschieden.
Auszug aus Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2001:
Hilfen zur Erziehung nach persönlichen Merkmalen, Aufenthalt vor sowie Anlass der Maßnahme
Anlass der Maßnahme (Zweifachnennung möglich) | |
Insgesamt (ohne Mehrfachnennung) | 31.438 |
Vernachlässigung | 2.793 |
Anzeichen für Misshandlung | 2.437 |
Anzeichen für sexuellen Missbrauch | 836 |
... | ... |
Repräsentative Studien über den Ausmaß von Kindesmisshandlung sind in Deutschland selten, die meisten Untersuchungen unterscheiden sich erheblich in Foschungsansatz, zugrundeliegender Definition und entsprechend auch den Ergebnissen.
Körperliche Gewalt in der Erziehung ist bei vielen Kindern anzutreffen: nach Studien haben 75 - 80 % schon mindestens einmal einen "Klaps" oder eine "Ohrfeige" bekommen, 20 - 30 % haben eine schwerere Form von Misshandlung wie z.B. "Prügel" erlitten.
Die vermutlich häufigste Form der Misshandlung ist die Vernachlässigung, also das Vorenthalten von materieller oder emotionaler Zuwendung, die für die Entwicklung oder das Leben des Kindes notwendig sind. Dabei wird bezeichnenderweise Vernachlässigung sowohl von der Gesellschaft als auch von der Wissenschaft meistens vernachlässigt. Ähnlich ist auch die emotionale Misshandlung, die z. B. durch herabwürdigendes oder ablehnendes Verhalten geschieht, kaum empirisch untersucht.
Die Ursachen und Hintergründe von Kindesmisshandlung sind sehr vielfältig. In den meisten Fällen von Gewalt in der Erziehung ist eine Hauptursache Überforderung in Erziehungssituationen.
In der Literatur werden einige Risikofaktoren genannt, wonach bestimmte Momente in der Entwicklung, der Persönlichkeit oder Lebenssituation die Entwicklung von Misshandlung fördern. Das besagt aber nicht, das Auftreten von entsprechenden Risikofaktoren bedeute, dass die betreffende Person Kinder misshandelt, u.U. benötigt sie aber Unterstützung. Einige mögliche Risikofaktoren sind nach Senatsverwaltung Berlin (2002, S. 15, Die Ursprungsfassung ist tabellarisch):
Dabei sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Risikofaktoren keineswegs unbedingt zu Misshandlung führen müssen. So gibt es viele arbeitslose, alleinerziehende, minderjährige oder psychisch kranke Eltern, die sich angemessen um ihre Kinder kümmern und nicht alle Schreibabys werden misshandelt.
Nur in seltenen (aber in der Öffentlichkeit besonders beachteten) Fällen ist ein besonderer Sadismus Hintergrund von Kindesmisshandlung. Weiter verbreitet ist aber immer noch die Auffassung, dass Gewalt in Form eines "Klapses" oder des "Hinternversohlens" noch niemanden geschadet habe. Diese Einstellung steht in deutlichem Widerspruch zu den vorgestellten gesetzlichen Zielen einer gewaltfreien Erziehung.
Präventive Arbeit teilt sich in drei Bereiche:
Weiterhin gibt es bei diesen Stellen auch Angebote für Eltern die misshandeln oder befürchten zu misshandeln (z.B. Erziehungsberatung, Selbsthilfegruppen von Eltern, Krisentelefone).
Für Opfer von Misshandlung gibt es spezielle Angebote wie z.B. Mädchenhäuser, Therapeutische Angebote etc.
Krisentelefone (von verschiedenen Anbietern mit unterschiedlichen Angeboten, bundesweit die Nummer 0800-111 0 444)
Im Internet lässt sich eine Vielzahl von entsprechenden Anlaufstellen finden:
Rechtshinweis
Ursachen
Hilfe
Angesichts der meist familiären Bedingtheit von Misshandlung sind wichtige Hilfeangebote auch auf die Familie ausgelegt. Dazu gehören Hilfen zur Erziehung des Jugendamtes wie (Familienhilfe, Erziehungsbeistandschaft), Familientherapie und Beratungsstellen wie z.B. die Kinderschutzzentren.Weblinks
Literatur
Siehe auch: Münchhausen-by-proxy-Syndrom, Vernachlässigung, Kinderschutz