Anatolien-Hypothese
Die Anatolien-Hypothese ist eine der Theorien, die die Ausbreitung der indoeuropäische Sprachen erklären soll.Nach dieser Hypothese des britischen Archäologen Colin Renfrew hätte die Entwicklung des Indoeuropäischen bereits vor 8.000 Jahren in Anatolien ihren Anfang genommen. Das Proto-Indoeuropäische hätte sich demnach friedlich mit der Entwicklung des Ackerbaus ausgebreitet. Renfrew kritisiert die Kurganhypothese vor allem in drei Punkten:
- archäologisch: die Kurgane seien Monumente einer sesshaften Kultur
- erschlossene Wurzelwörter für Pflanzen und Tiere können ihre Bedeutung geändert haben und taugten nicht für Rückschlüsse auf ein bestimmtes geographisches Gebiet
- das Gesamtbild sei nicht überzeugend; es sei unklar, was riesige Horden berittener Krieger hätte veranlassen sollen, zu Ende des Neolithikums nach Westen zu ziehen und den Vorbewohnern ihre Sprache aufzudrücken.
Von drei Regionen im Nahen Osten mit Landwirtschaft hätten sich drei große Sprachfamilien verbreitet:
- der anatolische Bereich um Çatal Hüyük, als Wiege der indoeuropäischen Sprachen,
- der Bereich der Levante um Jericho, als Ursprungsgebiet der afroasiatischen Sprachen und
- das Gebiet um Ali Kosh im Zagros-Gebirge, als Quelle der elamo-drawidischen Sprachen.
Der Populationsgenetiker Luigi Cavalli-Sforza sieht in beiden Hypothesen keinen Widerspruch. Seiner Ansicht nach hätten Bauern ein altertümliches Indoeuropäisch aus Anatolien mitgebracht und in Europa verbreitet; in einer zweiten Welle hätten sich die restlichen indoeuropäischen Sprachen aus dem Kurgan-Gebiet verbreitet. Cavalli-Sforza spricht von drei Hauptkomponenten des "genetischen Tableaus von Europa":
- der ersten, die mit der Ausbreitung des Ackerbaus aus dem Nahen Osten zusammenhängt
- einer zweiten, die eine Variation von Norden nach Süden zeigt (also in Korrelation zum Klima steht) und möglicherweile mit der Ausbreitung der uralischen Sprachfamilie zu verbinden ist
- einer dritten, die eine Expansion zeigt, die von der Kurgan-Region ausgeht
Literatur
Weblinks