Verismus
Der Verismus, italienisch Verismo (von italienisch "vero" wahr), war ursprünglich die italienische Bezeichnung für den Naturalismus in der Literatur und bildenden Kunst seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts. Bekannt wurde der Begriff jedoch durch die Opern, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts auf naturalistischen Dramen basierten. Auch einfache Menschen sollten nun wirklichkeitsgetreu auf der Bühne dargestellt werden. Kennzeichen dieser Opern sind ein gesteigerter Realismus, durch Leidenschaft bestimmtes Handeln der Personen, weitgespannte Melodik und raffinierte Orchestration, malerische Schilderung der Schauplätze sowie inhaltlich oft ungeschminkte Darstellung von Grausamkeit.Der Begriff der veristischen Oper wird auch für Werke mit historischen Themen oder exotischem Ambiente verwendet. Beliebte Schauplätze sind die Zeit der französischen Revolution und der Herrschaft Napoleons, das Italien der Renaissance und der ferne Osten.
Vorläufer der veristischen Oper waren La Traviata (1853) von Giuseppe Verdi und Carmen (1875) von Georges Bizet, doch als erste echte veristische Oper gilt Cavalleria rusticana (1890) von Pietro Mascagni (1863-1945). 1892 erschien dann I Pagliacci (Der Bajazzo) von Ruggero Leoncavallo (1857-1919), der mit der Cavalleria häufig zusammen aufgeführt wird. Veristische Elemente finden sich auch bei Giacomo Puccini (1858-1924), besonders in der Tosca (1900), aber auch in Madame Butterfly (1904), La fanciulla del West (Das Mädchen aus dem goldenen Westen) (1910) und Il tabarro (Der Mantel) (1918). Weitere italienische Komponisten des Verismus sind Umberto Giordano (1867-1948) (Andrea Chénier, 1896; Fedora, 1898), Francesco Cilea (1866-1950) (Adriana Lecouvreur, 1902), Franco Leoni (1864-1949) (L'oracolo, 1905), Ermanno Wolf-Ferrari (1876-1948) (I gioielli della Madonna (Der Schmuck der Madonna), 1911; Sly, 1927) und Riccardo Zandonai (1883-1944) (Francesca da Rimini, 1914; I cavalieri di Ekebù (Die Herren von Ekeby), 1925).
In Frankreich beeinflusste der Verismus die Werke von Jules Massenet (1842-1912) (La navarraise, 1894; Thérèse, 1907), Alfred Bruneau (1857-1934) (Le rêve (Der Traum), 1891, nach Émile Zola) und Gustave Charpentier (1860-1956) (Louise, 1900). Hauptvertreter des deutschen Verismus sind Eugen d'Albert (1864-1932) (Tiefland, 1903; Die toten Augen, 1916) und Max von Schillings (1868-1933) (Mona Lisa, 1915). Veristischen Einflüssen begegnet man aber auch in den Opern Der Evangelimann (1895) von Wilhelm Kienzl (1857-1941), Eine florentinische Tragödie (1917) von Alexander von Zemlinsky (1871-1942), Die Gezeichneten (1918) von Franz Schreker (1878-1934) und Violanta (1916) von Erich Wolfgang Korngold (1897-1957).