Unterlassen
Das Unterlassen ist eine Handlungsalternative zum positiven Tun (zur konkreten Unterscheidung wird der Begriff auch tautologisch als "aktives Tun" bezeichnet) und zum sog. "Dulden". Die Abgrenzung vom Dulden zum Unterlassen ist fließend: Das Dulden stellt eine passive Haltung zum aktiven Handeln eines anderen oder mehrerer anderer dar, während das Unterlassen eine passive Haltung darstellt, die subjektiv darauf gerichtet ist, eine andere Handlungsalternative zu wählen.Die modernen Rechtsordnungen sehen das Unterlassen als solches noch nicht als haftungs- oder strafbegründend an. Vielmehr muss daneben eine Handlungspflicht treten. Grundlage dafür ist die Ausrichtung auf die Eigenverantwortlichkeit des Individuums. Weiterhin bedarf es einer sog. hypothetischen Kausalität für das Schadensereignis. Kann die (mögliche) Handlung (die nicht sozialadäquat zu sein braucht) also nicht hinzugedacht werden, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Art entfiele, fehlt es schließlich an der Zurechenbarkeit.
Zivilrecht
Für das Unterlassen im Deliktsrecht bedarf es Verkehrssicherungspflichten oder einer Garantenstellung als Beschützer- oder Überwachergarant. Andernfalls kann das Unterlassen nicht rechtswidrig sein.
Verkehrssicherungspflichten bestimmen sich nach der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, die üblicherweise und verständigerweise erwartet werden kann.
Überwachergarant ist derjenige, der eine Gefahrenquelle geschaffen hat oder für eine solche Verantwortung trägt. Insofern fällt darunter auch die sog. "Ingerenz", das vorausgegangene gefährliche Tun. Ferner ist dazu die sog. Zustandshaftung zu zählen.
Beschützergarant ist derjenige, den eine besondere Schutzpflicht hinsichtlich eines Rechtsgutes trifft. Diese Schutzpflicht kann aus der persönlichen Verbundenheit (Ehe, enge Verwandtschaft) oder aus tatsächlicher Übernahme der Gewähr für das Rechtsgut (wobei eine vertragliche Verpflichtung auch nichtig sein kann, daher tatsächliche Übernahme). Eine Schutzpflicht kann sich ansonsten auch aus dem Gesetz ergeben.
Strafrecht
Im Strafrecht ist das Unterlassen grundsätzlich für alle Begehungsdelikte möglich. Wegen des Bestimmtheitsgebotes nach Art. 103 Abs. 2 GG ist für das Unterlassen eine ausdrückliche Norm im Strafgesetzbuch vorgesehen: § 13 StGB:
- (1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.
- (2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Alle Begehungsdelikte, die vom Wortlaut her aktives Tun verlangen, können daher auch durch Unterlassen verwirklicht werden. Diese Delikte sind, wenn sie durch Unterlassen verwirklicht werden, sog. unechte Unterlassungsdelikte. Diejenigen Delikte, die bereits im Wortlaut von Unterlassen sprechen, sind die sog. echten Unterlassungsdelikte (Bsp.: § 323c StGB - Unterlassene Hilfeleistung).
Die Voraussetzungen für die Verwirklichung eines Straftatbestandes durch Unterlassen sind neben der (ähnlich zum Zivilrecht gestalteten) Garantenstellung die Gleichwertigkeit des Unterlassens zu einem positiven Tun (in der Regel gegeben), die Zumutbarkeit der erforderlichen Handlung und die hypothetische Kausalität. Auf subjektiver Seite muss sich der Täter dieser Merkmale sämtlich bewusst gewesen sein.
Rechtshinweis