Unendlichkeit (Philosophie)
Die philosophische Erkenntnis von der Unendlichkeit der Materie umfasst drei wesentliche Aspekte:
Die Existenz unerschöpflich vieler Objekte und Prozesse durch den ständigen Formwandel kann zur Annahme der Existenz potentiell unendlich vieler Raum-Zeit-Strukturen führen, die es theoretisch immer besser zu erfassen gilt, indem ihr innerer Zusammenhang aufgedeckt wird. Die Erkenntnis von der Unendlichkeit der Materie verlangt ständige Erkenntniskritik, denn es kann keine endgültige - im Sinne einer absoluten - Wahrheit über die Materiestruktur, das heißt über die Gesamtheit der Beziehungen zwischen materiellen Objekten, geben.
In der Erkenntnis ist die objektive Dialektik von Endlichkeit und Unendlichkeit zu beachten. Ein endliches Objekt weist durch seine innere Struktur und die Beziehungen zu seiner Umgebung auf die Unerschöpflichkeit der Materie hin. Der Mensch kann wesentliche Strukturen und wesentliche Beziehungen zur Umgebung erkennen, indem er objektiv existierende Gemeinsamkeiten hervorhebt und die objektiven Gesetze für das Verhalten der Objekte aufdeckt. Es gibt somit keine absolute Erkenntnis der Unendlichkeit. Gegen die Annahme der absoluten Erkenntnis spricht gerade die philosophische Erkenntnis von der Unendlichkeit der Materie in ihrem erkenntnistheoretischen Aspekt.
Die Auffassung von der Unendlichkeit der Materie war in der Geschichte der Philosophie heftig umstritten. In Auseinandersetzung mit dem Idealismus erkannte unter anderem bereits Demokrit die Ewigkeit und Unendlichkeit der Materie. Er übernahm die atomistische Lehre von Leukipp und betonte, dass sich die Atome in ewiger Bewegung befinden. Alle Naturerscheinungen bestehen nach seiner Auffassung aus Atomen. Lukrez behauptete den Satz von der Erhaltung der Materie: Nichts verwandelt sich in Nichts. Die Materie ist ewig.
Auf den Traditionen der antiken Philosophen, die in Auseindandersetzung mit dem Platonismus und jeder Form des Idealismus materialistisch und atheistisch das Weltall als endlos und ewig ansahen, bauten die Kritiker der feudalen Ideologie auf. Gestützt auf die Auffassung des Kopernikus hatte Giordano Bruno die philosophische Erkenntnis vom einheitlichen, ewigen, unendlichen Weltall entwickelt. Englische und französische Materialisten des 17. und 18. Jahrhunderts verteidigten die These von der Unendlichkeit und Ewigkeit der Materie. So wies Holbach die theologsiche Lehre von der Weltschöpfung entschieden zurück. Allerdings fasste er die räumliche Unendlichkeit nur im Sinne einer Grenzenlosigkeit auf.
Friedrich Engels bezeichnete die Bewegung als Daseinweise der Materie. Damit nahm er die Erkenntnisse der Materialisten über die Einheit von Materie und Bewegung in die materialistische Dialektik auf. Mit der Einsicht in die Dialektik von Quantität und Qualität wurde die Bewegung nicht nur als Ortsveränderung betrachtet, sondern als Veränderung überhaupt. So umfasst die Bewegung die Entwicklung höherer Qualitäten, ebenso ihr Vergehen.
Ewigkeit der Materie bedeutet also nicht ewige Existenz endlicher Objekte, sondern ewige ''Umwandlung" der Objekte, ewiger Formwandel. Daraus ergeben sich auch Konsequenzen für die Raum-Zeit-Auffassung. Wurde im 19. Jahrhundert noch von der Grenzenlosigkeit des Raums, dem unendlichen Fortschreiten im Raume gleichgesetzt, so zeigte schon der Aufbau nichteuklidischer Geometrien die Unhaltbarkeit der Gleichsetzung von Unendlichkeit und Grenzenlosigkeit. In einer Kugelgeometrie ist die Oberfläche der Kugel grenzenlos, aber endlich. Im Zusammmenhang damit entstanden nach dem Nachweis von der physikalischen Bedeutung nichteuklidischer Geometrien durch die Allgemeine Relativitätstheorie Diskussionen über die Beziehung endlicher Weltmodelle zur Erkenntnis von der Unendlichkeit der Materie.
Modelle sind aber nie mit dem Objekt zu identifizieren. Sie heben in Analogie zum Objekt bestimmte wesentliche Seiten, Zusammenhänge u. a. hervor. Gelingt es, mit endlichen (geschlossenen) Modellen des Weltalls Experimente und Beobachtungen theoretisch zu erklären und Voraussagen über das Verhalten astronomischer Objekte zu erhalten, so haben diese Modelle wissenschaftlichen Wert. Sie sind damit aber keine philosophische Aussage über den Ursprung der Welt und die Quelle des Wissens. Diese philosophischen Fragen werden durch Verallgemeinerung der verschiedensten wissenschaftlichen Erkenntnisse beantwortet. Wesentlich für diese Antwort ist die Erkenntnis von der Unendlichkeit der Materie, die ein der Welt als Schöpfer vorgesetztes geistiges Prinzip ausschließt. Diese Erkenntnis wendet sich gegen die Annahme, dass die Veränderung der Materie und die Entwicklung aufhört. Sie wendet sich vor allem gegen den Stillstand der Erkenntnis und fordert, stets über bisher Bekanntes hinauszugehen.
Dabei ist die Erkenntnis nicht in der Lage, alle Beziehungen, die existieren, zu berücksichtigen. Es muss analysiert und die analysierten Aspekte synthetisiert werden. In diesem Sinne sind Modelle des Weltalls wesentliche Erkenntnismittel. Ihre stets vorhandenen Einseitigkeiten sind theoretisch und in anderen Modellen aufzuheben. Modelle eines räumlich geschlossenen (endlichen) Weltalls und die Erkenntnis von der Unendlichkeit der Materie widersprechen einander nicht, weil sie verschiedene Ebenen der Erkenntnis betreffen.
Die Modelle enthalten Erkentnisse über bestimmte raum-zeitliche Strukturen begrenzter Bereiche des Universums. Diese Erkenntnisse werden so lange extrapoliert, solange keine Beobachtung, kein experimentelles Ergebnis ihnen widerspricht. Die Modelle umfassen also Erkenntnisse über objektiv-reale Raum-Zeit-Strukturen, die Bestandteil der möglichen potentiell unendlich vielen objektiv-realen Raum-Zeit-Strukturen sind. Die Erkenntnis von der Unendlichkeit der Materie mit der Behauptung von der Ewigkeit der Zeit bedeutet nicht die Forderung nach einem unendlichen Alter bestimmter materieller Objekte oder die unendliche Existenz bestimmter Prozesse. Unendlichkeit der Zeit bedeutet die Anerkennung der ewigen Dauer von Veränderungen.
In der materialistischen Dialektik wird unter der Unendlichkeit des Raumes nicht das einfache Fortschreiten im Raum, das heißt die räumliche Grenzenlosigkeit, sondern die Existenz unendlich vieler räumlicher Beziehungen verstanden.
siehe auch: Endlichkeit, Endliches und Unendliches
Zur Definition der Unendlichkeit der Materie im philosophischen und realen Sinne
Die Unendlichkeit bezeichnet
Die Unendlichkeit der Materie ergibt sich vielmehr als Folge dessen, dass die Bewegung die Daseinsweise der Materie ist, jede Materieform also in steter Bewegung und Veränderung sich befindet, im Entwicklungsprozess der Materie ständig quantitative und qualitative Veränderungen vor sich gehen, alte Formen vergehen und neue entstehen. Die reale Unendlichkeit der Materie ist deshalb eine Einheit quantitativer und qualitativer Bestimmungen, eine Einheit von Kontinuität und Diskontinuität, von Möglichkeit und Wirklichkeit, von Unendlichem und Endlichem.Zu drei wesentlichen Aspekten der Unendlichkeit der Materie
Zur relativen Wahrheit der Erkenntnis der Materiestrukturen
Zur Entwicklung der Auffassung von der Unendlichkeit der Materie
Zu den Kriterien der Raum-Zeit-Auffassung
Zum Erkenntnismittel der endlichen Weltmodelle
Zum Erkenntnismittel der objektiv-realen Raum-Zeit-Strukturen