Politischer Realismus
Der politische Realismus ist eine Richtung innerhalb der Politikwissenschaft, die sich mit internationalen Beziehungen auseinandersetzt.Der Realismus fußt auf zwei Grundannahmen. Zum einen betrachtet er Staaten als monolithischen Block, die Innenpolitik spielt keine Rolle bei der Formulierung der Außenpolitik. Die "Realisten" gehen zum anderen davon aus, dass die Staaten sich in einem permanenten Überlebenskampf untereinander befinden und ihre Außenpolitik ausschließlich von diesem Kampf bestimmt ist. Das internationale System ist anarchisch und nicht in der Lage, dauerhafte übergeordnete Machtstrukturen auszubilden. Das wichtigste Staatsziel ist das eigene Überleben, und das lässt sich am besten dadurch erreichen, dass ein Staat mächtiger ist als die anderen (die potentiellen Gegner). Deshalb streben die Staaten nach Macht, und die zentralen Variablen für die Machtposition eines Staates ist seine Größe (bei einigen Autoren auch die territoriale Beschaffenheit), seine Wirtschaftskraft und seine militärische Kraft. Eine wichtige Annahme des Realismus ist, dass Macht auf internationaler Ebene ein Nullsummenspiel ist, das heißt was ein Staat an Macht dazugewinnt, muss ein (oder mehrere) anderer Staat verlieren. Bekannte Vertreter des Realismus, sowohl in Theorie als auch Praxis, sind Henry Kissinger und Hans Morgenthau.
Überdies muss zwischen klassischem und Neorealismus unterschieden werden. Der wesentliche Unterschied liegt in der Begründung des Machtstrebens der Staaten. Der klassiche Realismus sieht dieses Machtstreben anthropologisch begründet (diese Projetktion von der Natur des Menschen auf das Verhalten wurde oftmals kritisiert). Der Neorealismus geht vom anarchischen internationalen System aus, welches die Staaten vor ein Sicherheitsdilemma stellt. Um diesem zu begegnen, dh. sein Überleben, seine Sicherheit und Unabhängigkeit zu wahren, versuchen Staaten ihre Macht zu erhalten, auszubauen oder auch nur zu demonstrieren.
Der Neorealismus kennt zudem eine "offensive" und eine "defensive" Ausprägung. Der offensive Realismus (Vertreter: John Mearsheimer) sieht Macht als ein knappes Gut im internationalen System und Staaten sind auf Machtmaximierung bedacht. Der defensive Realismus (Vertreter: Kenneth Waltz) behauptet, Staaten wollen möglichst den Status Quo verteidigen.
Der klassiche, aber auch der neue Realismus hat seit dem Ende des Kalten Krieges stark an Bedeutung eingebüsst. Beide waren nicht in der Lage das Ende de KK vorauszusehen - im Gegenteil: Es wurde sogar davon ausgegangen, dass eine bipolare Machtverteilung äusserst stabil ist. Grosser Gegenspieler des Realismus war und sind der neoliberale Institutionalismus (auch: Liberalismus, Instutionalismus, früher: Idealismus) und die marxistisch-strukturellen Theorien. Seit anfang der 1990er Jahre erwuchs mit dem Sozialkonstruktivismus eine weitere Grosstheorie der Internationalen Beziehungen, welche die realistische Schule je länger je mehr abzulösen vermag.