Ikarus
Dädalus und Ikarus Relief in der Villa Albani (Rom) aus Meyers Konversationslexikon 1888 |
Ikarus war in der griechischen Mythologie der Sohn des Dädalus. Zusammen mit seinem Vater wurde er vom König Minos in einem Turm auf Kreta gefangen gehalten. Dädalus sann nach Fluchtmöglichkeiten aus dem Gefängnis, aber er vermochte nicht, die Insel zu Wasser zu verlassen, solange der König alle Schiffe streng bewachte, und jeder Segler verfolgt wurde. "Minos kann die Erde und das Meer kontrollieren," sagte Dädalus, "aber nicht die Gefilde des Himmels. Also werde ich diesen Weg versuchen." So machte er sich daran, Flügel für sich und seinen Sohn Ikarus zu verfertigen. Er band Federn zusammen, begann mit den kleinsten und fügte größere hinzu, um eine anwachsende Oberfläche zu gewinnen. Die größeren befestigte er mit Bändern, die kleineren mit Wachs und verlieh dem Ganzen eine leichte Biegung wie sie Vogelflügel haben. Der Knabe Ikarus stand und schaute zu, manchmal lief er, um die Federn zu sammeln, die der Wind weggeweht hatte; dann rührte er verspielt mit seinen Fingern im Wachs, wodurch er den Vater bei der Arbeit behinderte. Als schließlich die Arbeit beendet war, bewegte der Künstler seine Flügel auf und nieder, und fand sich selbst in die Höhe gehoben und fest auf der Luft getragen. Er rüstete zunächst seinen Sohn auf die gleiche Weise aus und brachte ihm das Fliegen bei, wie ein Vogel, der seine Jungen vom hoch gelegenen Nest in die Lüfte lockt. Als alles für den Flug bereit war, wies er den Sohn an: "Ikarus, halte dich daran, eine gemäßigte Höhe einzuhalten. Denn wenn du zu niedrig fliegst, beschwert die Feuchtigkeit deine Flügel und wenn du zu hoch bist, wird die Hitze sie schmelzen. Halte dich zu deiner Sicherheit in meiner Nähe auf!" Während er ihm die Anweisungen erteilte und die Flügel auf die Schultern passte, war das Gesicht des Vaters tränenfeucht, und seine Hände zitterten. Er küsste den Knaben, nicht wissend, dass es das letzten Mal sein sollte. Dann reckte er seine Flügel, um abzufliegen, ermunterte seinen Sohn ihm zu folgen, und schaute zurück von seinem eigenen Flug, um zu sehen, wie sein Sohn seine Flügel gebrauchte. Während sie flogen, hielt der Ackermann seinen Pflug an, um hinaufzuschauen und der Hirte, der auf seine Herde zu achten gewohnt war, erstaunte bei ihrem Anblick und meinte, es wären Götter, die durch die Lüfte fliegen könnten. Sie passierten Samos und Delos zur Linken und den Lebynthos zur Rechten, als der Knabe seinen Weg nach oben lenkte und die Führung seines Begleiters verließ. Er stieg hinauf, als ob er den Himmel erreichen wollte. Die Nähe der flammenden Sonne erweichte das Wachs, das die Federn zusammenhielt, und sie lösten sich ab. Er flatterte mit seinen Armen, aber keine Federn blieben die Luft zu halten. Während er Schreie nach dem Vater ausstieß, versank er in den blauen Wellen des Meeres, das später seinen Namen bekam. Sein Vater rief: "Ikarus, Ikarus, wo bist du?" Schließlich sah er die Federn auf dem Wasser schwimmen, und, seine eigenen Künste bitterlich bejammernd, begrub er den Leichnam und benannte das Land Icaria zur Erinnerung an sein Kind. Dädalus kam sicher an in Sizilien, wo er einen Tempel für Apollo errichtete und hängte dort seine Flügel als Opfer für den Gott hinein.
Siehe auch: Ikarisches Meer
Orginaltext
Übersetzung (so wörtlich wie möglich)
Daedalus, der inzwischen die Insel Kreta und die lange Verbannung hasste, und der berührt war von der Liebe zu seinem Geburtsort, war durch das Meer eingesperrt. "Mag er", sagte er, "Länder und Meere (Wellen) versperren"; "aber der Himmel steht sicher offen; wir werden dort gehen; Mag er auch alles besitzen, Minos besitzt nicht die Luft."
Er sagte dies und richtet seinen Geist auf unbekannte Künste und schafft neue Natur (erneuert Natur). Denn er legt die Federn der Reihe nach hin, bei der kleinsten angefangen, wobei immer einer langen eine jeweils kürzere folgt, so dass man glauben könnte, sie wären auf einer Anhöhe gewachsen. So stieg einst die Panflöte allmählich mit unterschiedlichen Schilfrohren an.
Dann verbindet er alle Federn in der Mitte mit einer Leinenschnur und ganz unten mit Wachs, und biegt die so zusammengefügten Federn mit einer leichten Krümmung, um echte Vögel nachzuahmen.
Der kleine Icarus stand dabei, und nicht wissend, dass er seine eigene Gefahr anfasst, greift er bald mit freudestrahlendem Gesicht nach Flaumfedern, die ein vorüberziehender Lufthauch bewegt hatte; bald machte er mit dem Daumen das gelbe Wachs weich und behinderte das wunderbare Werk seines Vaters durch sein Spiel.
Nachdem die letzte Hand an das Unternehmen gelegt worden war, schwang der Baumeister selbst seinen Körper in die doppelten Flügel im Gleichgewicht hinein und schwebte in der bewegten Luft.
Er unterrichtet auch seinen Sohn, und sagt, "Ich ermahne dich, Icarus, dich auf mittlerer Bahn zu halten, damit, wenn du zu tief gehst, nicht die Wellen die Federn beschweren, und wenn du zu hoch fliegst, das Feuer sie nicht versengt. Zwischen beiden fliege! Ich befehle dir auch, nicht den Bootes, den großen Wagen oder das gezückte Schwert des Orion anzuschauen. Nimm deinen Weg unter meiner Führung." Zugleich gibt er ihm Flugvorschriften und passt seinen Schultern die unbekannten Flügel an.
Zwischen der Arbeit und seinen Mahnungen wurden die greisen Wangen nass, und es zitterten die väterlichen Hände. Er gab seinem Sohn Küsse, die nicht wiederholt werden sollten. Und durch die Federn erhoben, fliegt er voraus und fürchtet um seinen Begleiter, wie ein Vogel, der von seinem hohen Nest seine zarten Nachkommen in die Luft geführt hat, und er ermahnt ihn zu folgen und lehrt ihn verhängnisvolle Künste und bewegt selbst seine Flügel und schaut auf die seines Sohnes zurück.
Diese sah jemand, während er mit zittemder Angelrute Fische fing, oder ein Hirte, der sich auf seinen Stab oder einen Bauer, der sich auf seinen Pflug stützte, und staunte und glaubte, dass solche, die ihren Weg durch die Lüfte nehmen könnten, Götter seien.
Und schon war auf der linken Seite das der Iuno heilige Samos (sowohl Delos als auch Paros waren zurückgelassen worden) und auf der rechten Seite Lebinthos und das an Honig reiche Calymne, als der Knabe begann sich über den kühnen Flug zu freuen, sich von seinem Führer trennte und, angezogen durch die Begierde nach dem Himmel, einen höheren Weg nahm. Die Nähe der glühenden Sonne machte das duftende Wachs, das Band der Federn, weich.
Das Wachs war geschmolzen. Jener schwingt die nackten Arme, und da er keinen Flugapparat mehr hat, bekommt er keine Luft zu fassen, und sein Mund, der den väterlichen Namen ruft, wird durch das blaue Wasser aufgenommen, das von ihm seinen Namen bekam.
Und der unglückliche Vater – nun schon nicht mehr Vater – rief: "Icarus". "Icarus!" rief er. "Wo bist Du? In welcher Richtung soll ich Dich suchen?" "Icarus!" rief er. Da erblickte er die Federn in den Wellen, und er verfluchte seine Künste und er barg den Körper in einem Grab; und die Erde wurde nach dem Namen des Bestatteten benannt.