Agnostizismus (Philosophie)
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Der Agnostizismus (lat agnosia : das Nichterkennen ) bezeichnet eine philosophisch-erkenntnistheoretische Lehre, die die Erkennbarkeit der Welt insgesamt oder in wesentlichen Bereichen negiert oder bezweifelt; diese Strömung ist eng verbunden mit dem Skeptizismus, dessen Vertreter stets auch die Möglichkeit menschlicher Erkenntnis in Frage stellen.
Der Agnostizismus kann als spontane weltanschauliche Auffassung, als religionsphilosophische Betrachtung oder als philosophisch-erkenntnistheoretisch begründete Lehre auftreten. Er ist keine selbständige philosophische Strömung, die etwa neben oder gar über den Materialismus oder Idealismus zu stellen ist, sondern stets in dieser oder jener Weise mit einem materialistischem oder idealistischem Grundstandpunkt verknüpft.
Der Ausdruck Agnostizismus wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von dem englischen Biologen Thomas Huxley in die neuere philosophische Literatur eingeführt und diente ihm - als Gegensatz zum "Gnostizismus", wie er die religiöse Überzeugung von der Existenz Gottes nannte - zur Bezeichnung eines Standpunkts, daß man in allen dem Verstand zugänglichen (d.h. erkennbaren) Dingen Folgerungen, die weder nachgewiesen noch nachweisbar sind, nicht für sicher ausgeben darf.
Huxley war ein enger Freund und Mitstreiter von Charles Darwin (der sich gelegentlich auch als "Agnostiker" bezeichnete) und vertrat in den wissenschaftlichen und weltanschaulichen Auseinandersetzungen um die biologische Evolutionstheorie weitgehend eine materialistische Grundposition, ohne jedoch die Bezeichnung "Materialist" für sich zu akzeptieren. Friedrich Engels charakterisierte diese Haltung, die besodners in England unter Wissenschaftlern und Philosophen verbreitete war, als "verschämten Materialismus", denn "die Naturanschauung des Agnostikers ist durch und durch materialistisch" und nur "außerhalb seiner Wissenschaft, auf Gebieten, wo er nicht zu Hause ist, übersetzt er seine Unwissenheit ins Griechische und nennt sie Agnostizismus".
In der Zeit des Untergangs der griechischen Stadtstaaten lehrte der Begründer des antiken Skeptizismus, Pyrrhon von Elis, daß die Dinge völlig unerkennbar seien und man auf jedes Wissen, jedes Urteilen über sie verzichten müsse; deshalb wird der Erkenntnisskeptizismus machmal auch als "Pyrrhonismus" bezeichnet.
Als das Römische Reich den Höhepunkt seiner Entwicklung überschritten hatte, erlebten Skeptizismus und Agnostizismus eine erneute Blüte, z.B. in den Werken des Sextus Empiricus. Er behauptete, daß der Mensch für seine Urteile keinerlei Anspruch auf Wahrheit erheben könne und deshalb feste, auf Wissen begründete Überzeugungen unmöglich, ja sogar schädlich seien.
KritikerInnen des Agnostizismus sehen dies als Beleg dafür, dass der Agnostizismus häufig Teil der Ideologie "absterbender" herrschender Gesellschaftschichten sei, und dazu diene, Überzeugungen von der Erkennbarkeit und Veränderbarkeit der Welt durch Menschen zu untergraben.
In der neueren Philosophie wurde der Agnostizismus vor allem von David Hume systematisch begründet. Die Vertreter des Agnostizismus gewannen größeren Einfluß, als das englische Bürgertum nach der Revolution mit der Aristokratie einen historischen Kompromiß einging. In seinem erkenntnistheoretischen Hauptwerk "Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand" (1748) legte Hume - anknüpfend an den Sensualismus von John Lockes - dar, daß alle Bewußtseinsinhalte des Menschen auf sinnlichen Wahrnehmungen beruhen und alles Erkennen nur in Verknüpfungen von Bewußtseinsinhalten bestehe, von denen der Mensch nicht wissen könnte, ob ihnen in der Wirklichkeit etwas entspreche.
Er bestritt den objektiv-realen Charakter der Kausalzusammenhänge und betrachtete sie nur als ein subjektiv-psychologisches Ordnungsprinzip (siehe Kausalität). Nur für die mathematischen Beziehungen, die nach seiner Meinung "durch die reine Tätigkeit des Denken zu entdecken" sind, erkannte er Notwendigkeit und Gewißheit an, während "alle Ableitungen aus Erfahrungen....Wirkung der Gewohnheit" seien. So war für Hume schließlich "die Betrachtung der menschlichen Blindheit und Schwäche das Ergebnis aller Philosophie". Hume gründet seine Erkenntnistheorie auf die Behauptung, daß dem Verstand nie etwas anderes gegenwärtig sei als Impressionen. Aus diesem Grunde sei die Existenz materieller Dinge außerhalb des Bewußtseins, die objektive Realität überhaupt, nichts weiter als die Annahme, die sich aus Gewohnheit herleite. Hieraus ergebe sich - theoretisch - die Nichtexistenz materieller Dinge und damit zugleich ihre Nichterkennbarkeit
Eine abgewandelte Form des Agnostizismus schuf Immanuel Kant durch seine Lehre vom unerkennbaren "Ding an sich"(siehe auch Beziehung von Ding an sich und Erscheinung). Im Unterschied zu Hume anerkannte Kant zwar die objektive Existenz der "Dinge an sich" außerhalb des menschlichen Bewußtseins, aber für ihn lag eine unüberschreitbare Kluft zwischen objektiver Realität und der Welt der Erscheinungen. Ähnlich wie Hume sprach Kant nur dem mathematischen Wissen wahrhaft wisssenschaftlichen Charakter zu, weil allein dort absolute Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit herrsche, während alles empirische, auf Erfahrung basierende Wissen nur relativ, nicht unbedingt zuverlässig sei und sich nur auf die durch die Fähigkeiten der Sinnesorgane des Menschen mitbestimmten Erscheinungen beschränke.
Während der Agnostizismus Kants und Humes weitgehend aus dem Entwicklungsstand der Wissenschaften ihrer Zeit resultierte und von diesem her historisch zu erklären ist, sind die agnostischen Ansichten gegenwärtiger Erkenntnistheorie, die noch immer an die Gedanken Humes und Kants anknüpfen, z.B. im Neukantianismus oder kritischen Rationalismus, auf bestimmte Auffassungen konzentriert. Eine Möglichkeit dafür eröffnet sich durch die Einengung und starre Verabsolutierung des Erkenntnisbegriffs. Als Erkenntnis dürfe z.B. nur ein solches Wissen bezeichnet werden, das absolut wahr, unwiderlegbar und unbezweifelbar sei.
Da aber alle unseren Kenntnisse historisch relativ, von den konkreten geschichtlichen Bedingungen des Erkenntnisprozesses abhängig sind, seien echte Erkenntnisse (im oben genannten eingeengten Sinne) nicht möglich (z.B. bei Karl Popper, Wolfgang Stegmüller). In diesen Ansichten wird bewußt der dialektische Zusammenhang von Relativem und Absolutem auf der einen Seite, und auf der anderen Seite das zwar widerspruchsvolle, aber eindeutig nachweisbare Fortschreiten vom Nichtwissen zum Wissen) über verschiedene Stufen der relativen Wahrheit ignoriert, um Zweifel an der Erkenntnisfähigkeit des Menschen zu äußern. Der Widerspruch zwischen relativer Erkenntnis und dem Anspruch auf Absolutes im Erkenntnisinhalt wird als Begründung des prinzipiellen Nichterkennens fehlgedeutet.
In die gleiche Richtung zielt auch der Versuch, mit Hilfe logisch-analytischer Methoden die Unmöglichkeit menschlicher Erkenntnis und einer wissenschaftlichen Theorie der Erkenntnis zu beweisen(bei Leonard Nelson, Über das sogenannte Erkenntnisproblem, Die Unmöglichkeit der Erkenntnistheorie). Mit logisch und semantisch keineswegs klar definierten und abgegrenzten Begriffen wird hierbei ein angeblicher innerer Widerspruch, ein unendlicher Regreß (regressus ad infinitum) konstruiert, da jede Anerkennung einer Erkenntnis bereits ein Kriterium für deren Wahrheit voraussetze, das entweder selbst bereits eine Erkenntnis oder als richtig und andwendbar erkannt sein müsse.
Besonders von neupositivistisch orientierten Erkenntnistheoretikern wird dieses so genanntes "Nelsonsche Paradoxon" häufig als Stütze für ihre agnostizistischen Auffassungen und als Beweis dafür verwendet, daß man den Erkenntnisbegriff willkürlich festlegen könne. Ein weiterer Weg, den Agnostizismus angeblich wissenschaftlich zu begründen, besteht in der Beurteilung bestimmter Ergebnisse im Bereich der physikalischen Messungen. So werden z.B. aus dem Umstand, daß aufgrund der Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit bestimmte Raum-Zeit-Bereiche nicht zugänglich(d.h. hier nicht ausmeßbar) sind, oder die Auswirkungen des sogenannten Rauschpegels, besonders bei elektronischen Geräten, durch die bestimmte Grenzen für die Nachweisbarkeit von Signalen gegeben sind, metaphysich verabsolutiert und als "Widerlegung" der philosophischen These von der Erkennbarkeit der Welt dargestellt.
Als Resultat dieser Bestrebungen wird von den Wissenschaftsphilosphen und -methodologen sowohl der neuthomistischen als auch der "postpositivistischen" Richtungen (Joseph Meurers, J. Bochénski, Paul Feyerabend u.a.) die Zuverlässigkeit der wissenschaftlichen Methode in Frage gestellt und ihre Anwendbarkeit auf enge Bereiche begrenzt. Damit reduziert sich heute der Anspruch der Vertreter eines "modernen" Agnostizismus auf die Kritik der Anwendungsmethoden praktizierter Wissenschaftsuntersuchungen.
Da somit für die Vertreter des gegenwärigen Agnostizismus das Logische, das sie anerkennen, nicht in und durch das Wissen begründet sein kann, bleiben ihnen nur dessen apriorische oder dessen pragmatische Begründung.Huxley führt den Begriff "Agnostizismus" in die Literatur ein
Zum Agnostizismus der Antike: der "Pyrrhonismus"
Zur systematischen Begründung des Agnostizismus bei David Hume
Zum Agnostizismus bei Immanuel Kant: das "Ding an sich"
Zu den Formen des Agnostizismus der Gegenwart: Anspruch auf absolutes Wissen
Zur logischen Begründung des Agnostizismus durch den "regressus ad infinitum" (Nelsonsches Paradoxon)
Zur Begründung des Agnostizismus aus der Unvollkommenheit der physikalischen Methoden
Zur Selbstreduktion der Vertreter des Agnostizismus: apriorische Vermutungen und Pragmatik