Richard Addinsell
Richard Addinsell (* 13. Januar 1904 in Oxford; † 14. November 1977 in London) war ein britischer Filmmusikkomponist.Addinsell studierte zunächst Jura in Oxford, entschied sich aber später für ein Musikstudium am Royal College of Music in London. In den Jahren 1929 bis 1932 setzte er seine Studien in Berlin und Wien fort. Einer der bekanntesten Werke Addinsells ist die Musik zu dem Film "Dangerous Moonlight" (1941), eine dem Stil Sergej Rachmaninows angenäherte Rhapsodie für Klavier und Orchester, die unter dem Namen "Warsaw Concerto" ("Warschauer Konzert") Weltruhm erlangte.
Addinsell studierte zunächst Jura am Hartford College in Oxford. Im Laufe der Zeit stieg das Interesse für Musik und begann deshalb mit einem Musikstudium am Royal College of Music in London. Danach studierte er von 1929 bis 1932 auch in Berlin und Wien. Für „The Charlot Show of 26“ schrieb er seine erste Theatermusik.
Bei einem Besuch in den USA wurde sein Interesse für Filmmusik geweckt. Er lebte einige Jahre in den USA und Jahre hatte besondere Erfolge mit den Scores zu „Goodbye Mr. Chips“ (1939) und dem Thriller „Gaslight“ (1940). Für „Dangerous Moonlight“ (1941) schrieb er eine außergewöhnliche Musik, die später als „Warschauer Konzert“ berüht wurde. Nach dem 2. Weltkrieg kehrte er wieder nach England zurück und schrieb dort Musiken zu Filmen wie „The Prince and the Showgirl“, A TALE OF TWO CITIES (1958) und LIFE AT THE TOP (1965). Nach den beiden mit der Royal Ballet Sinfonia unter Kenneth Alwyn eingespielten Alben mit Musik von Richard Addinsell (1904-1977) - erschienen auf ASV 1997 und 1999 (siehe „Klassische Britische Filmmusik: Folge 3“)- und einer 1994 erschienenen CD aus der Marco-Polo Reihe, „British-Light-Music“, hat nun auch das Chandos-Label im Rahmen seiner Reihe „Chandos Movies“ nachgezogen. „The Film Music of Richard Addinsell“ enthält ein Programm, das neben Überschneidungen mit den genannten Alben aber auch eine Reihe von Ersteinspielungen präsentiert. Die sehr gut fließende Kompilation belegt einmal mehr, wie nahe die Musik der heiteren britischen Filme der British-Light-Music-Tradition steht. Dies belegen besonders die Musiken zu Tom Browns Schooldays Tom Browns Schulzeit (1951) und Blithe Spirit Geisterkomödie (1945), die im Charme Eric Coates, einer Ikone des Light-Music-Genres, besonders nahe stehen.
Das Chandos-Album präsentiert Auszüge aus neun Filmpartituren und ist mit knapp 80 Minuten Spieldauer hervorragend bestückt. Ein Highlight ist die eröffnende, rund 10-minütige Suite aus Goodbye Mr. Chips Auf Wiedersehen, Mr. Chips (1939), deren Hauptthema, das Schullied, geradezu Ohrwurmcharakter besitzt. Hier und auch in den anderen hier vertretenen Schöpfungen von Richard Addinsell zeigt sich, dass seine ausgesprochen starke melodische Begabung das tragende Fundament seiner Kompositionen ist, wobei ihm aber ebenso ein gutes Gespür für die jeweiligen Stimmungen der zu vertonenden Stoffe nicht abgesprochen werden kann. Hierfür steht beispielsweise der romantisch-schwebende Walzer aus der Komödie Blithe Spirit, der das Verführisch-Gespenstische des Geistes Elvira gekonnt in Töne fasst.
Sehr intim gehalten und dabei ebenso von inniger Melodie geprägt ist Love on the Dole (1941), wo leicht ironisch anmutende, tänzerische Klänge einen beschwingt-optimistischen Abschluss bilden. Zur gut gemachten Source-Music tendieren die - sich an bekannten Formen klassischer Tanzmusik orientierenden - Auszüge aus dem 1957er Film The Admirable Crichton Zustände wie im Paradies (Walzer und Polka) und der Tango aus Out of the Clouds (1954).
Das Hauptthema des farbenprächtigen Abenteuerfilms The Black Rose Die schwarze Rose (1950) lässt fast schon ein wenig John Barry vorausahnen. Der im 14ten Jahrhundert in England und in Fernost spielenden Story geht allerdings jedweder historisierender Touch ab. Gelungen ist dafür das von Flöte, Harfe, Glockenspiel und Celesta hübsch erzeugte pseudo-exotische Flair des „In the Empress’s Palace“.
Natürlich fehlt auch nicht das unverwüstliche Warschauer-Konzert aus dem lange vergessenen Dangerous Moonlight (1940). Diese kleine Rachmaninoff-like Klavierrhapsodie ist im Bewusstsein von Generationen als Sinnbild für Filmmusik und zugleich auch vollständig mit dem Namen Addinsell verankert - ironischerweise, obwohl diese Musik gar nicht so typisch für ihn ist. Das Warschauer-Konzert war lange Zeit auch regelmäßig im Rundfunk zu hören und dürfte wohl zu den am häufigsten eingespielten Filmmusiken zählen.
Die rund 14-minütige Suite aus Scrooge Charles Dickens - Eine Weihnachtsgeschichte (1951) fußt auf der hier zum dritten Mal eingespielten Suite, die bereits in den 80er Jahren von Steve Bernstein für Robert Redfords Sundance Institute zusammengestellt worden ist - seinerzeit erstmals von David Newman für Telarc eingespielt. Die Suite ist eine Art sehr stimmungsvoller Tondichtung, die den Handlungsablauf dieser sehr bekannten klassischen britischen Weihnachtsgeschichte geradezu plastisch Klang werden lässt. Eine Komposition, die von traditionellen Weihnachtsliedern durchsetzt ist und deren warmes Hauptthema ebenfalls den Charakter eines Folk-Songs besitzt.
Eventuell hätten Stücke wie der Tango aus Out of the Clouds noch ein Quäntchen mehr Schmiss vertragen. Das liegt aber eher im Bereich des individuellen Geschmackes; von mangelhafter Spielweise kann nicht ernsthaft gesprochen sein. Unterm Strich gilt daher: Das BBC Philharmonic unter Rumon Gamba, der Pianist Martin Roscoe und ebenso der Chetham’s Chamber Choir sowie der Manchester Cathedral Choir haben sich zu ambitioniert ausgeführten Interpretationen zusammengefunden, die kaum Wünsche offen lassen. Ein von der Tontechnik hervorragend eingefangener, sehr transparenter und auch dynamischer Klang rundet im Zusammenwirken mit einem informativ gehaltenen Booklet den Gesamt-Eindruck sehr positiv ab.
Richard Addinsell war einer der wenigen britischen Komponisten, die in jenen Tagen die Detailarbeit des Arrangierens und Orchestrierens ausschließlich anderen überließen. Die Qualität des hier Gebotenen pendelt zwischen etwa dreieinhalb und vereinzelt viereinhalb Sternen. Als Bewertung sind vier Sterne sicherlich nicht zu hoch gegriffen und für das sorgfältig editierte Album geht ein zusätzlicher halber Stern verdienterweise an die Mitarbeiter Addinsells, die Orchestratoren, auf deren Konto eben doch mancher Pfiff verbucht werden muss.
Das Warschauer Konzert Das NAXOS - Label erfreut sich unter Klassikfreunden recht großer Beliebtheit, bietet es doch qualitativ gute bis erstklassige Aufnahmen zu günstigen Preisen. Ausgesprochene Filmmusik wird man allerdings kaum finden. Am ehesten mit diesem Metier zu tun hat u.a. die zwölfteilige, nach Genres geordnete Reihe „The Classics at the Movies“ mit klassischen Kompositionen, die in Filmen Verwendung fanden (wenn es sich auch nicht um die Originalaufnahmen handelt). Ein echter Leckerbissen, vor allem für die Pianoliebhaber unter den Filmmusikfans, ist jedoch die CD „Warschauer Konzert - Große Klavierkonzerte aus Filmklassikern“. Sie beinhaltet diesmal keine „zweckentfremdeten“ klassischen Kompositionen, sondern ausschließlich Musik, die speziell für den Film geschrieben wurde. Die Aufnahmen entstanden 1995 in Dublin mit Philip Fowke (Klavier) und dem RTE Concert Orchestra (ein Orchester des irischen Rundfunks) unter Proinnsías Ó Duinn. Das Klavier ist mit der Geschichte der frühen Filmmusik untrennbar verbunden, war es doch lange Zeit die meist einzige akustische Begleitung von Stummfilmvorführungen (nur selten wurde ein größeres Musikerensemble verpflichtet). Auch nach dem Aufkommen des Tonfilms erfreute sich das Piano weiterhin großer Beliebtheit. 1940 schrieb Jack Beaver für The Case of the Frightened Lady einen zugleich kraftvoll-dramatischen und romantischen, Klavier-basierten Score (als zweiter Titel auf der vorliegenden CD enthalten), der eine wahre Welle von ähnlichen Filmmusiken auslöste. Manche davon wurden speziell komponiert, manchmal griff man auch auf bereits vorhandene Klavierkonzerte zurück. Viele dieser Stücke wurden in den jeweiligen Filmen konzertant als so genannte „source music“ aufgeführt (also Musik, die die Personen im Film selbst hören können). Für einige dieser Kompositionen entstand sogar ein eigener Spitzname: „Denham Concertos“, benannt nach einem berühmten Tonstudio im Londoner Norden. Den Höhepunkt der Klavier-Welle bildeten die 40er Jahre, doch auch in der heutigen Zeit wird bekanntlich immer noch gerne auf dieses Instrument zurückgegriffen, vor allem für romantische und melancholische Passagen - man denke hier nur an die Eröffnungsszene von Forrest Gump, an The Cider House Rules * Gottes Werk und Teufels Beitrag oder natürlich an Das Piano. Das titelgebende Werk der CD, das „Warschauer Konzert“ von Richard Addinsell, stammt aus dem britischen Film Dangerous Moonlight * Suicide Squadron (US-Titel) von 1941 (siehe hierzu auch Klassische Britische Filmmusik: Teil 3). Der Film erzählt die Geschichte eines polnischen Pianisten, der zu Beginn des zweiten Weltkriegs nach Großbritannien flieht, um dort als Pilot gegen die Deutschen zu kämpfen (einer der Drehbuchautoren war übrigens Terence Young, der später vor allem als Bond - Regisseur zu weltweiter Berühmtheit kommen sollte). Musikalischer Höhepunkt ist eine Konzertszene, in der das besagte Werk zur Aufführung gelangt. Ursprünglich war die Verwendung von Sergei Rachmaninows zweitem Klavierkonzert vorgesehen gewesen, und in der Tat nahm Addinsell denn auch stilistische Anleihen aus diesem und anderen Werken seines russischen Kollegen (Addinsells Komposition wird auch heute noch öfters zusammen mit Rachmaninows Konzert eingespielt). Der Film wurde ein durchschlagender Erfolg, wozu die Musik ganz erheblich beitrug (deren Hauptthema übrigens von einer Rumba stammt, die Addinsell in den 20er Jahren als Student in Oxford komponiert hatte). Man kann das „Warschauer Konzert“ wohl mit Fug und Recht als einen der ersten Hits der Filmmusikgeschichte bezeichnen (mal abgesehen von Max Steiners „Tara-Thema“ aus Vom Winde verweht, das zwei Jahre älter ist). Miklós Rózsas „Spellbound Concerto“ wurde, anders als die übrigen Stücke auf der CD, nicht direkt für das Kino komponiert. Es basiert aber auf dem oscarprämierten Score zu dem Hitchcock-Film Spellbound * Ich kämpfe um dich von 1945. Eine Besonderheit von Rózsas Musik ist die Verwendung eines sehr frühen elektronischen Instrumentes, das er schon ein Jahr zuvor in Billy Wilders Double Indemnity * Die Frau ohne Gewissen verwendet hatte, des so genannten Theremin (nach seinem Erfinder, einem russischen Physiker, benannt). Dieses Gerät, das auch in der vorliegenden Aufnahme zu hören ist, wird berührungslos durch Bewegen der Hände in einem elektromagnetischen Feld gespielt und produziert gleichsam „ätherische“ Klänge (die in etwa mit denen einer singende Säge vergleichbar sind), weswegen es in Deutschland auch als „Ätherophon“ bezeichnet wurde. Die unwirkliche Stimmung, die so mit akustischen Mitteln erzeugt wird, hat ihr optisches Gegenstück in einer Traumsequenz, die von keinem geringeren als dem berühmten surrealistischen Maler Salvador Dali entworfen wurde. Die übrigen Passagen von Rózsas Concerto klingen dagegen oftmals recht ausgelassen und fröhlich. Knapp 20 Jahre später, nämlich 1963, setzte Hitchcock in The Birds * Die Vögel übrigens ein weiteres elektronisches Instrument ein - das von dem Deutschen Friedrich Trautwein erfundene und von Oskar Sala weiterentwickelte Trautonium (die Tonaufnahmen entstanden damals in Berlin). Musiker, Flieger und Kriegsheld - das ist offensichtlich eine Kombination, die beim Publikum der 40er Jahre gut ankam (was zumindest während des Krieges sicher auch für Propagandazwecke ausgenutzt wurde), denn auch der Hauptdarsteller in The Glass Mountain ist alles gleichzeitig. Er wird im 2. Weltkrieg über Italien abgeschossen und verliebt sich in seine Retterin, ein italienisches Mädchen. Zurück in Großbritannien, schreibt er (obwohl verheiratet) eine Oper - auch als musikalische Liebeserklärung an die Italienerin. Die Musik zu diesem Streifen schrieb Nino Rota, der später vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Federico Fellini sowie durch The Godfather * Der Pate berühmt wurde. Recht bekannt und beliebt ist Richard Rodney Bennetts Musik zu der Agatha Christie - Verfilmung Mord im Orient-Express von 1974, die auch für den Oscar nominiert wurde. An etlichen sowohl dramatischen als auch leicht-beschwingten Stellen des Scores ist das Piano maßgeblich beteiligt. Bei dem berühmten Walzer (der hier natürlich auch zu hören ist) - mit der akustisch nachempfundenen Anfahrt des Dampfzuges - spielt es allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Dass sich die herb-romantische Küstenlandschaft Cornwalls besonders gut für Liebesfilme eignet, ist nicht erst seit den Rosamunde Pilcher - Verfilmungen im ZDF bekannt. Bereits ein halbes Jahrhundert zuvor, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs (1945), entstand der Film Love Story - nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Streifen von 1970 (mit der oscarprämierten Musik von Francis Lai). Die von Hubert Bath für diesen Film komponierte „Cornish Rhapsody“ zählt ebenso wie Addinsells „Warschauer Konzert“ zu den bereits erwähnten „Denham-Konzerten“ und ist ihrerseits in einer Konzertszene im Film zu hören, diesmal in der Londoner Royal Albert Hall (bei uns vor allem durch die alljährlich dort stattfindende „Last Night of the Proms“ bekannt). Bath gehörte zu den Pionieren unter den Filmkomponisten, hatte er doch schon für den allerersten abendfüllenden britischen Tonfilm die Musik geschrieben - Alfred Hitchcocks Blackmail (1929). Love Story wurde jedoch sein letztes Werk, denn er starb am 24. April 1945. Bernard Herrmanns „Concerto Macabre“ trägt seinen Namen zweifellos zu Recht: Der Film Hangover Square (1945), aus dem es stammt, erzählt die Geschichte eines geistesgestörten Musikers. Die Handlung gipfelt in einem Klavierkonzert, in dessen Verlauf der Hauptdarsteller den Konzertsaal in Brand steckt, das Konzert aber fortsetzt, bis er schließlich in den Flammen umkommt. Dies spiegelt sich denn auch in der Musik wider - den Schluss bestreitet das Klavier alleine. Dass ein Stück Filmmusik nach dem Film benannt wird, aus dem es stammt, ist normal. Gelegentlich kommt es auch vor, dass ein Film nach einem (schon existierenden) Musikstück benannt wird, z.B. Schlafes Bruder oder Kaiserwalzer. Dass aber eine Melodie, die speziell für einen Film komponiert wurde, so beliebt wird, dass dieser einige Jahre später erneut herausgebracht wird, nun aber unter dem Namen des Musikstückes - das dürfte ziemlich einmalig sein. Genau dieses Kunststück gelang Charles Williams 1947 mit seiner ausgesprochen romantischen und melodiösen Komposition „Olwens Traum“ aus While I live - drei Jahre später kam der Film als The Dream of Olwen erneut in die Kinos. 1956 entstand in den USA der Thriller Julie mit Doris Day in der Titelrolle. Während der eigentliche Score von Leith Stevens komponiert wurde, steuerte der amerikanische Pianist Leonard Pennario seine einzige Filmkomposition bei - natürlich ein Werk für Klavier und Orchester, das den Titel „Midnight on the Cliffs“ trägt und den Abschluss der CD bildet. Das Booklet ist grafisch sehr spartanisch gestaltet, bietet aber zu jedem Werk einen recht ausführlichen und informativen Text. Wie die meisten Naxos-CDs ist auch diese Scheibe in vielen Geschäften schon ab 5 Euro zu haben. Dafür bekommt man über eine Stunde interessanter, eingängiger und sehr guter Musik (sowohl kompositorisch als auch von der Interpretation her) in einwandfreier Tonqualität. Fazit: Auch bei einem deutlich höheren Preis wäre die CD eine Empfehlung wert gewesen. Besonders für Pianoliebhaber ist die Scheibe fast schon ein Muss.