Entwicklung der neueren tschechischen Literatur
Unter der so genannten neueren tschechischen Literatur versteht man meistens die literarische Entwicklung (die Entwicklung der literarischen Kultur) in der Zeit von ca. dem Jahr 1775 bis heute.Der chronologisch erste Zeitpunkt (symbolisch das Jahr 1775) kann mit folgenden Gründen gerechtfertigt werden: Am Ende des 18. Jahrhunderts entstand in Böhmen (v. a. in Prag) eine starke gesellschaftliche Bewegung mit nationalem Inhalt. Diese Bewegung war nicht nur auf die Literatur oder Kunst allgemein beschränkt, obwohl sie eigentlich nur seitens der Intelligenz betrieben wurde. Diese Nationale Auferstehung (wie die Strömung von den Zeitgenossen benannt wurde) oder Nationale Wiedergeburt (wie ihr Name am Ende des 19. Jahrhunderts lautete) beeinflusste weit und bedeutend die Politik, die Mentalität, die Kultur, sogar die Industrie.
Die erste Phase der nationalen Wiedergeburt (im Tschechischen enthält das Wort auch einen Aspekt der Aufklärung) schuf die moderne tschechische Sprache, wie sie bis heute gesprochen wird, und gab dem interessierten Teil der Gesellschaft das Selbstbewusstsein zurück, obwohl es auch Opfer kostete (man hat wertlose Literatur übersetzt oder gar verfasst, nur um zu beweisen, dass die tschechische Sprache reich oder flexibel genug ist). Zu dieser Zeit wurde auch die tschechische Linguistik (Josef Dobrovský, ein Slawist, der paradoxerweise kein Wiedergeburter war) und tschechische Fachterminologie (v. a. mit dem Namen von J. S. Presl verbunden) begründet.
Dieses Zeitalter war natürlich auch teilweise hysterisch: fremdsprachige Ausdrücke (meistens deutsche) vertschechischt (z. B. die Namen "Rettig" - "Retík", "Reissová" (Femmininum von "Reiss") - "Rajská" (Adjektiv von "Paradies")), Falsa(?) wurden verfasst (die Königinhofer und Grünberger Handschrift, angeblich aus dem 13 und 10. Jahrhundert, faktisch aus den Jahren 1817 – 1819, kennt bis heute jedes tschechische Schulkind; den Inhalt leider meistens nicht) oder Provokationen auf der Straße getrieben (die unpatriotischen Personen wurden von den Wiedergeburtern tschechisch angesprochen; die Patrioten unter sich haben einander "Bruder" genannt usw.).
Kurz, diese Zeit half bei der Entstehung moderner, wertvoller Werke, beeinflusste aber beinahe gefährlich die Mentalität der Bevölkerung, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und noch mehr zur Zeit der so genannten ersten Republik (1918 – 1938) stark nationalistisch, deutschfeindlich wurde.