Engadin
Das Engadin (rätoroman. Engiadina, Engadina), ist ein Bergtal im schweizerischen Kanton Graubünden, eins der höchstgelegenen bewohnten Täler Europas und von mehr als 80 km Länge, bildet die obere Talstufe des Inn und zerfällt in zwei völlig verschiedene Hälften das Ober- und das Unter-Engadin, die durch die Puntauta (hohe Brücke) getrennt sind.
Das Oberengadin, an Grossartigkeit der Gebirgswelt und an Umfang der Gletschermassen mit den besuchtesten Alpengegenden wetteifernd, hat bei einer Seehöhe von 1600 - 1800 m ein ziemlich kaltes Klima, so dass der Winter fast zwei Drittel des Jahrs einnimmt (die Einheimischen sagen scherzhaft: 6 Monate haben wir Winter und 6 Monate ist es kalt); Schnee mitten im Hochsommer fallen zu sehen, ist ebenso wenig eine Seltenheit wie im Winter eine Temperatur von - 35° C. Aber an schönen Sommertagen ist die Landschaft von anziehendem Charakter. Den grünen Wiesengrund des Tals fassen beiderseits Berge ein, hinter denen erst die Schneegipfel hervorschauen. Die Abhänge der südlichen Berge tragen vom Fuss an Nadelwälder; über diesen folgt die Stufe der oberen Alpweiden, und man kann hier stundenweit die Grenzlinie beider am Abhang waagerecht und scharf gezeichnet sehen. Das Oberengadin steht durch die Pässe des Bernina und des Maloja mit Italien in Verbindung.
Das Unterengadin ist weit stärker (von 1610-1019 m) geneigt, wird enger und wilder; der Fluss rauscht über Felstrümmer und wühlt sich zwischen engen Wänden durch. Die wildeste seiner Schluchten ist die von Finstermünz, wo er das Schweizer Gebiet verlässt. Das untere Engadin ist grossartiger, romantischer, tannenschwärzer, das obere freundlicher, behäbiger.
In den waldigen Seitentälern hausen noch Steinadler, Bartgeier etc. Für den Botaniker ist das Engadin eine unerschöpfliche Schatzkammer, namentlich ist die Kryptogamenflora reich. Auch an nutzbaren Mineralien (Galmei, Bleiglanz, silberhaltige Bleierze, Kupferkiese etc.) ist das Engadin nicht arm; aber noch grössere Schätze sind die berühmten Mineralquellen von St. Moritz im Ober- und Scuol-Tarasp im Unterengadin.
In Teilen des Oberengadins sowie im Unterengadin wird neben Schweizerdeutsch auch Rätoromanisch gesprochen. Vor allem durch Tourismus und Zuwanderung beherrschen jedoch immer weniger Jugendliche diese Sprache.
Im Oberengadin liegen (talabwärts) Maloja, Sils, Silvaplana, Champfer, St. Moritz, Celerina, Pontresina, Samedan, Bever, La Punt Chamues-ch, Madulain, Zuoz und S-chanf; im Unterengadin Zernez, Susch, Lavin, Guarda, Ardez, Ftan, Scuol (Schuls), Sent, Ramosch, Tschlin und Martina.
Das Oberengadin hatte seine eignen Grafen. Graf Dedalrich verkaufte 1139 sein Land an das Bistum Chur, von dem sich 1494 die Oberengadiner freikauften. Im Unterengadin führten die vielfach sich durchkreuzenden Herrschafts- und Lehnrechte der Besitzer zu langen Fehden. Im Veltliner Krieg wurde das Engadin von den Österreichern verheert und 1622 an dieselben abgetreten, jedoch schon im folgenden Jahr an Bünden zurückgegeben. Die letzte österreichische Besitzung war Tarasp, das 1815 an Graubünden kam.
Erst seit der Eröffnung des Vereina-Tunnels der Rhätischen Bahn 1999 besteht eine wintersichere Verbindung des Engadins ins Prättigau und somit auch ins Rheintal, da die bestehenden Übergänge des Flüela- Albula- (Bahn und Strasse) und Julierpass nicht winterfest sind.