Wurden die Cherusker wirklich von Rom unterworfen?
In der Zeit 14-9 v. Chr. gerieten die von Drusus bekriegten Brukterer , Chauken und Cherusker trotz zum Teil gegenteiliger Forschungsmeinung nachweislich nicht in römische Abhängigkeit. Bei intensivem Quellenstudium zeigt sich, daß trotz der Feldzüge des Drusus die wenigsten Volksstämme (abgesehen von einigen, meist grenznahen) wirklich unter dauerhafte römische Abhängigkeit gerieten. Selbst wenn einige Stämme wirklich „unterworfen“ wurden, griff Rom meist kaum in die inneren Verhältnisse ein. Nur selten und dann auch nur meist in direktem Zusammenhang mit den Kriegshandlungen, wirkten sich diese „Unterwerfungen“ aus (z. B. Wanderung der Markomannen). Sobald die Römer sich erneut an den Rhein zurückzogen, waren die Germanen wieder unter sich.
Gleichzeitig muß aber auch festgestellt werden, daß die Germanen sich aber auch nicht erbittert den römischen Legionen widersetzten und für die Zeit ab 8 v. Chr. auch nicht die Römer ernsthaft behinderten, als diese (auch im rechtsrheinischen Germanien) eine logistische Basis für künftige offensive Operationen vorbereiteten.
Völkerrechtlich privilegierte Stellungen als echte foederati (Verbündete) wären allenfalls für die Cherusker und Bataver anzunehmen.
Das Problem einer „Unterwerfung der Cherusker“ (Liv. per. 140) läßt sich wohl folgendermaßen erklären: Als Drusus mit den Cheruskern zusammentraf, existierten dort bereits zwei Adelsparteien. Die Ursache dieses Konfliktes lag im innercheruskischen Bereich. Die eine Partei verbündete sich freiwillig mit Rom, ohne allerdings als willenlose Marionette Roms bezeichnet werden zu dürfen. Diese Partei wurde 1 n. Chr. gestürzt, was wesentlich mit zum „gewaltigen Krieg“ beitrug. Von 4-9 n. Chr. hatte die romfreundliche Partei wieder Oberhand. Die romfeindliche Partei hatte diesen außenpolitischen Standpunkt wahrscheinlich nur, weil ihre innenpolitische Feinde bereits mit Rom eine wie auch immer geartete freundliche Übereinkunft geschlossen hatten. Segestes z. B. ergriff 15 n. Chr. (oder schon vorher?) die romfreundliche Partei, weil diese die Feindin seines Feindes Arminius waren, wobei er natürlich behauptete, schon immer auf der Seite Roms gestanden zu haben.
Literatur
- JAHN Ralf G.: Der Römisch - Germanische Krieg (9-16 n. Chr.). Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn. Bonn 2001.