Übergangsritus
Das Wort Übergangsriten (auch: Passagenriten, frz. rites de passage) bezeichnet ein ethnologisches Konzept, das 1909 von dem belgischen Anthropologen Arnold van Gennep eingeführt wurde.Van Gennep hatte beobachtet, dass im Verlauf des gesellschaftlichen Lebens eines Individuums zahlreiche Übergänge (zwischen zwei Lebensstadien, zwei sozialen Zuständen usw.) vollzogen werden müssen, z.B. zwischen Jugend und Mannesalter, Mädchen und Frau, verheiratet und unverheiratet, Außenstehender (eines Ordens oder Geheimbundes) und Mitglied, Reisender und Heimgekehrter usw. Es scheinen diese Übergänge, die vor allem in vorindustriellen Gesellschaften fester Bestandteil des sozialen Lebens sind, als eine potentielle Gefahr betrachtet worden zu sein, und entsprechend konnten sie nicht individuell vollzogen werden, sondern mussten rituell bewältigt werden.
Diese rituellen Verrichtungen, die zur Absicherung vor allem des ungeschützten, weil undefinierten Zwischenzustandes zwischen den beiden Positionen (Anfang und Ende des Übergangs) dienten, nannte van Gennep "Übergangsriten". Er analysierte ihre Struktur vor allem anhand der Untergruppe der Initiationsriten sog. primitiver Gesellschaften. Dabei arbeitete er ein Dreiphasen-Modell heraus, dem alle Übergangsriten strukturell folgen: zunächst die Ablösungsphase, dann eine undefinierte und für den Einfluss übelwollender Kräfte besonders anfällige Zwischenphase und schließlich die Integrationsphase, in der die neue Identität angenommen wird. Allen drei Phasen entsprechen bestimmte isolierbare Untergruppen von Riten, die innerhalb des gesamten Übergangsrituals unterschiedlich gewichtet auftreten können: Trennungsriten (frz. rites de séparation), Schwellen- bzw. Umwandlungsriten (frz. rites de marges) und Angliederungsriten (frz. rites d'aggrégation).
Van Genneps einflussreiche Theorie wurden vor allem von britischen Ethnologen Victor Turner weiterentwickelt.