Theater der Unterdrückten
Das Theater der Unterdrückten ist eine Methodenreihe von Augusto Boal, Rio de Janeiro. Es kam in seiner Zeit des Exils in den 1970er Jahren nach Deutschland und hat nach der Arbeit mit Schauspielern vor allem Eingang in die politische Bildung gefunden und wird in etwa 70 Ländern weltweit praktiziert.Es kombiniert Kunst und Selbsterfahrung mit politischem Probehandeln. Es bietet viele Möglichkeiten der Aktivierung von im Alltag oft unterdrückten oder vernachlässigten sozialen und kommunikativen Ressourcen in der spielerischen, ästhetischen und theatralen Begegnung von Menschen.
Dabei ist der Dialog im Zusammenspiel zwischen der Trainerin/Regisseur und den Teilnehmer/innen zentraler Bestandteil. Nicht der Regisseur bestimmt die Inhalte der Szenen und Theaterstücke, sondern die Teilnehmenden setzen die thematischen Schwerpunkte. Befreiung aus Alltagszwängen, Einsicht in eigenes Handeln, Infragestellung von gesellschaftlichen Unterdrückungs-Spielregeln etc. sind wichtige Zielsetzungen in der Arbeit und fließen ein in die Techniken und Formen dieses Theaters.
Das Forumtheater will den passiven Zuschauer aktivieren. Doch Aktivierung versteht sich nicht als Selbstzweck. Wer im Theater sich aus vorgegebenen (Konsum-)Rollen befreit, der ist auch imstande, sich draußen im Alltag in ähnlichen Situationen couragiert zu verhalten.
Von daher kann es gerade in der (sozial-) pädagogischen, sozialtherapeutischen Arbeit Impulse vermitteln, die eine kognitiv orientierte Unterrichtspraxis nicht zu leisten imstande ist.
Im Forumtheater werden durch "Modellszenen" Fragen aufgeworfen. Zuschauer/innen können sich in die dargestellten Szenen einwechseln und die Schauspieler/innen, die Schwache, Diskriminierte oder Benachteiligte spielen, ersetzen. Hier geht es um die Antworten auf Fragen: was würde ich in der dargestellten gespielten Situation tun? Wie können wir durch unsere Ideen und unser Handeln die Szenen verändern? Forumtheater als (ästhetisches) Training für zukünftiges Handeln in brisanten Konfliktsituationen.
Eine weitere Methode ist das "Unsichtbare Theater", das Boal aus der Theater-Tradition der nachrevolutionären Sowjetunion der 20er-Jahre übernommen und adaptiert hat. Es werden Theaterszenen von Schauspielern in der Öffentlichkeit (z.B. auf der Straße, im Kaufhaus etc.) gespielt, ohne dass das Publikum weiß, dass es sich hier um ein inszeniertes Ereignis handelt.
Auch nach Abschluss der "Vorstellung" wird das Publikum nicht aufgeklärt. Zweck der Aktion ist, mit den gespielten Szenen Unterdrückungsmechanismen in einer Gesellschaft aufzuzeigen. Es ist erklärtes Ziel des "Unsichtbaren Theaters", die Zuschauer dazu zu bringen, sich in die "Vorstellung" einzumischen und so aktiv an der Bearbeitung des Themas teilzunehmen.
Die konkreten Experimente, die Boal anlässlich des "Theaters der Welt" 1979 in Hamburg mit deutschen Schauspielern veranstaltete, sind zwar nicht als Methode, aber in der Sache gescheitert. Boal, der in den 70er-Jahren vor einer brutalen und menschenverachtenden Militärdiktatur in Brasilien geflohen war, konnte zwar die Technik des "Unsichtbaren Theaters" 1:1 nach Europa übertragen, nicht aber den erhofften aufklärerischen Zweck erzielen. In den Diskussionen, die auf die Experimente folgten, räumte Boal wörtlich ein, dass "die Unterdrückungsmechanismen in Deutschland viel zu subtil sind, um durch das "Unsichtbare Theater" sichtbar gemacht zu werden."
In den 1980er Jahren entwickelte Boal die introspektiven Techniken, die sich um innere Dialoge und psychische Anteile unseres Handelns in Szenen drehen. Zurück in Brasilien ab 1988 wurde er 1992 Vereador (zwischen Stadtrat und Senator) von Rio de Janeiro und entwicklete das Legislative Theater.
Von der UNESCO wurde er mit der Pablo-Picasso-Medaille ausgezeichnet. Aktuell wurde die Internationale Organisation des Theater der Unterdrückten ITO gegründet, deren Präsident er ist.
Literatur
Weblinks